Essen. Streitobjekt Beitz-Villa: Die Stadt Essen sieht keine Gründe für Denkmalschutz und weist Thyssen-Krupp die Verantwortung zu, das Unternehmen verweist auf den künftigen Käufer. Einige Bürger finden all das unschön.

Ist die Villa von Berthold Beitz ein Denkmal? Die Antwort der Denkmalbehörde jüngst bei einer Podiumsdiskussion des Architekten-Bundes ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Ich hatte mir viel von dem Gebäude erhofft und bin dann in meiner fachlichen Erwartung enttäuscht worden“, skizzierte Essens oberste Denkmalpflegerin Petra Beckers ihren Eindruck nach einer Begehung. „Der Architekt konnte sich einfach nicht entscheiden zwischen Tradition und Moderne“, ergänzte Helmtrud Köhren-Jansen vom Rheinischen Denkmalamt. Die architektonische Qualität, so beide Fachfrauen, rechtfertige keine Denkmalplakette.

Ein Urteil, das der Architekt Arndt Brüning und der Buchverleger Ludger Claaßen nicht teilten. „Der Denkmalbegriff ist nicht an einen Baukörper gebunden, es geht auch um Kultur und Ethik.“ Baukünstlerisch möge es bessere Beispiele für Unternehmervillen der 1950er-Jahre geben. Doch das Haus sei nun einmal bedeutend, weil der bedeutende Mensch Berthold Beitz dort sein Leben verbrachte. Auch Claaßen erklärte, um Beitz’ Persönlichkeit zu ehren, sei die Villa der perfekte Erinnerungsort.

Vergleiche mit dem Wohnhaus von Gustav Heinemann im Moltkeviertel

Brüning zog den Vergleich mit dem Wohnhaus des früheren Bundespräsidenten Heinemann im Moltkeviertel. Obwohl architektonisch ebenfalls Mittelmaß, ist dieses ein Denkmal. „Das muss etwas mit der Person Gustav Heinemann zu tun haben.“ Auch das Beethoven-Haus in Bonn oder das Adenauer-Haus in Rhöndorf seien nicht wegen ihres Baustils Denkmäler oder Besuchermagneten, hieß es im Publikum.

Trauerfeier für Berthold Beitz

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Mit einer Trauerfeier haben rund 400 geladene Gäste am Donnerstag an Berthold Beitz erinnert.
Mit einer Trauerfeier haben rund 400 geladene Gäste am Donnerstag an Berthold Beitz erinnert. © dpa | dpa
Neben Bundespräsident Joachim Gauck (2.v.li.) und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (li.)...
Neben Bundespräsident Joachim Gauck (2.v.li.) und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (li.)... © dpa | dpa
... sind dazu auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU, Mitte), der Vorstandsvoritzende von Thyssen-Krupp, Heinrich Hiesinger, und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in die Villa Hügel gekommen.
... sind dazu auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU, Mitte), der Vorstandsvoritzende von Thyssen-Krupp, Heinrich Hiesinger, und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in die Villa Hügel gekommen. © dpa | dpa
In seiner Rede würdigte Gauck Beitz als
In seiner Rede würdigte Gauck Beitz als "Jahrhundertmann". Auch heute sei Beitz noch ein Vorbild. © AFP | AFP
NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD) sagte:
NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD) sagte: "Berthold Beitz hat Geschichte geschrieben und er ist Teil der Geschichte unseres Landes." Auf Wunsch von Beitz' Familie... © AFP | AFP
... sprach bei der Gedenkfeier auch Jurek Rotenberg. Ihm Beitz hatte Beitz im Zweiten Weltkrieg vor der Deportation durch die Nationalsozialisten gerettet. Noch im Frühjahr 2013...
... sprach bei der Gedenkfeier auch Jurek Rotenberg. Ihm Beitz hatte Beitz im Zweiten Weltkrieg vor der Deportation durch die Nationalsozialisten gerettet. Noch im Frühjahr 2013... © dpa | dpa
... hatten sich Beitz und Rotenberg wiedergetroffen. Diese Begegnung sei für ihn sehr berührend gewesen, sagte der 85-Jährige.
... hatten sich Beitz und Rotenberg wiedergetroffen. Diese Begegnung sei für ihn sehr berührend gewesen, sagte der 85-Jährige. © dpa | dpa
Thyssen-Krupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger bezeichnete Beitz als
Thyssen-Krupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger bezeichnete Beitz als "außergewöhnlichen Menschen". "Die Legende, der Mythos war höchst lebendig. Er wusste, was wichtig ist. Er kannte die Verantwortung und er nahm sie wahr", sagte Hiesinger. © dpa | dpa
Neben Gauck...
Neben Gauck... © dpa | dpa
... trug sich auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker ins Kondolenzbuch ein.
... trug sich auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker ins Kondolenzbuch ein. © dpa | dpa
Das Kondolenzbuch für den verstorbenen Berthold Beitz.
Das Kondolenzbuch für den verstorbenen Berthold Beitz. © dpa | dpa
Bundespräsident trifft Altbundespräsident: Joachim Gauck und Richard von Weizsäcker.
Bundespräsident trifft Altbundespräsident: Joachim Gauck und Richard von Weizsäcker. © dpa | dpa
Ursula Gather folgt auf Beitz als Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. Ebenfalls auf der Trauerfeier anwesend: Thyssen-Krupp-Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Lehner (Mitte) und -Vorstandschef Heinrich Hiesinger.
Ursula Gather folgt auf Beitz als Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. Ebenfalls auf der Trauerfeier anwesend: Thyssen-Krupp-Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Lehner (Mitte) und -Vorstandschef Heinrich Hiesinger. © dpa | dpa
Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger (l) und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).
Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger (l) und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). © dpa | dpa
Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger (l), und der stellvertretende Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Reimar Lüst, vor der Villa Hügel.
Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Heinrich Hiesinger (l), und der stellvertretende Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Reimar Lüst, vor der Villa Hügel. © dpa | dpa
Philipp Rösler und Heinrich Hiesinger.
Philipp Rösler und Heinrich Hiesinger. © dpa | dpa
Gäste bei der Trauerfeier für Berthold Beitz.
Gäste bei der Trauerfeier für Berthold Beitz. © dpa | dpa
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Petra Beckers tat sich bei diesen Vergleichen nicht ganz leicht, ihre Position argumentativ zu verteidigen. Es ist allzu offensichtlich, dass es bei Denkmal-Entscheidungen neben objektiven Kriterien auch Ermessensspielräume gibt. Sie fühle sich „instrumentalisiert“, sagte sie schließlich. „Hier soll ein Haus erhalten werden, weil man um die Werte fürchtet, die der Mann verkörperte, der hier lebte.“ Das aber sei für ein Denkmal zu wenig.

Thyssen-Krupp will die Villa „dem Verkaufsprozess zuführen“

Andererseits: „Nur weil ein Haus nicht unter Schutz steht, muss es ja nicht abgerissen werden“, so Beckers mit Blick auf den Eigentümer Thyssen-Krupp, der durch den leitenden Mitarbeiter Heinz Frenken vertreten war. Der sah die Sache betont nüchtern: Das Andenken an Beitz habe für das Unternehmen „hohe Bedeutung“, jedoch nicht in seinem Wohnhaus. Dieses könne als „nicht betriebswichtig dem Verkaufsprozess zugeführt werden“. Das sehe auch die Krupp-Stiftung so. Ein Käufer sei aber selbstredend frei, die Villa stehenzulassen und zum Beispiel selbst zu bewohnen.

Somit war der Schwarze Peter weitergereicht an einen noch Unbekannten, wohl wissend, dass ein möglicher Investor hier weit eher auf neue Luxuswohnungen statt auf Liebhabereien setzen dürfte. Immobilienexperten halten das Beitz-Grundstück schon wegen seines Ausblicks für eines der wertvollsten und interessantesten der Stadt.

Festzuhalten bleibt dreierlei: Stadt und Firma sind festgelegt, Teile der Essener Öffentlichkeit - Beitz als Lichtgestalt verehrend - auch. Über das Für und Wider der Denkmalwürdigkeit ließe sich weit entspannter diskutieren, wenn der Abrissdruck wegen der Gewinnerwartung nicht so hoch wäre. Und ein Kompromiss ist nicht zu erkennen.