Essen. Walther Henßen war früher Pfarrer der Erlöserkirche im Südviertel und immer schon ein Freund von Mundarten. Jetzt hat der 75-Jährige ein neues, charmantes Büchlein geschrieben: „Wat Sache is“ - die zehn Gebote auf Ruhrdeutsch.

Von Martin Luther stammt der robuste Rat, „den Leuten aufs Maul zu schauen“. Und auch das ist bekannt: Wenn es ums Religiöse geht, sprechen Gläubige am liebsten, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und bevorzugen eine unverstellte Sprache. Der Essener Pfarrer Walther Henßen, gebürtig im Saarland, hat diesen Auftrag schon immer sehr ernst genommen, und besonders die Mundart ist seine Passion. Nach den zehn Geboten auf saarländisch hat er jetzt ein neues Büchlein vorgelegt: „Wat Sache is“ - die zehn Gebote auf Ruhrdeutsch.

Kostprobe gefällig: „Gönn dein Nachbar alles, watter hat, die Frau, die Blagen, dat Auto, die Weltreisen und wat sonz noch alles.“ So hat man das zehnte Gebot, wo es um Neid und Begierde geht, noch nicht gelesen, allenfalls mal gehört, auf der Straße. Der 75-jährige Mundart-Freund, der daheim hin und wieder sogar einen Gottesdienst in Mundart zelebrierte, hatte seit 1984 Gelegenheit, das Idiom des Ruhrgebiets zu studieren. Da übernahm er, aus dem Saarland kommend, als Pfarrer die evangelische Erlöserkirchengemeinde im Südviertel.

Keiner hat mehr Knechte und Mägde

Schnell war für ihn klar: Hier lebt ein offener und zupackender Menschenschlag. Und so ist auch die Sprache: klar und eindeutig. Entstanden unter Tage und am Hochofen, dort, wo man sich schnell, direkt und ohne falsche Diplomatie verständigen musste, oft zwischen Menschen ganz verschiedener Herkunft. Da war keine Zeit zum Schaumschlagen. Und nach Grammatik und Orthographie fragte sowieso keiner.

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Mit den zehn Geboten allein wäre natürlich nicht einmal ein kleines Buch mit - wie hier - 28 Seiten zu füllen. Walther Henßen hat deshalb nicht nur die zehn Sätze, sondern auch die ursprünglich von Luther stammenden, sprachlich durchaus volksnahen Auslegungen der Gebote in „modernes“ Ruhrdeutsch übersetzt. Beispiel: „Im zehnten Gebot ist ursprünglich von Knechten und Mägden die Rede, die man vom Nachbarn nicht begehren soll, aber die hat ja heute keiner mehr.“

Gebote nicht aufs Spiel setzen

Für Henßen war es übrigens gar nicht so einfach eine Sprachform zu finden, die fürs ganze Ruhrgebiet gilt. Mag das Ruhrdeutsche auch von außen sehr einheitlich wirken, so spricht man in Essen doch ganz anders als in Duisburg oder gar Dortmund. Henßen fand zum Beispiel heraus, dass das Wort „deu“, was soviel wie bedeutet wie „drücken“ oder auch „Ruck“, noch in Mülheim gebräuchlich, in Essen aber unbekannt ist.

Wichtig: Walther Henßen geht es nicht um einen Gag, ganz im Gegenteil: „Ich habe einen ernsthaften Anspruch: Die zehn Gebote der Bibel sollen als Leitlinie für das Verhalten der Menschen untereinander erhalten bleiben und nicht durch witzige oder unangemessene Begriffe aufs Spiel gesetzt werden“. Und wie gelänge das besser als durch Volksnähe , wie schon Luther sie empfahl.