Es ist das erste Treffen im neuen Jahr. Hannelore Kahmann und zwölf andere Werdener sitzen im Versammlungsraum der Christi-Himmelfahrt-Kirche am Lürsweg und lesen ein Gedicht. Der kleine Raum ist erfüllt von Stimmen, denn sie alle lesen gemeinsam: „Watwordatfröher en lecker Äten / Nöijöhrkesop Nöijohr, man rook en der ganzen Noberschaft / wo man am backen wor.“ Es geht um „Neujährchen“ – ein Gebäck, das zu Neujahr gegessen wird.
Die Gruppe um Kahmann widmet sich der Werdener Mundart Waddisch Platt. Immer am zweiten Freitagabend des Monats heißt es „Komm Omend“ – das bedeutet so viel wie „ich komme heute Abend“. Bei den Treffen lesen die Werdener Geschichten und Gedichte und singen Lieder auf Waddisch Platt.
„Waddisch Platt wird heute eigentlich gar nicht mehr gesprochen“, erklärt Kahmann. In vielen Werdener Familien sei der Dialekt jedoch die Alltagssprache der Urgroßeltern gewesen. Die Gruppentreffen gebe es schon seit einigen Jahren. Früher habe sie Werner Katz geleitet, der auch ein Werdener Liederbuch herausgegeben hat.
Gelernt bei Werner Katz
Seit etwa einem Jahr organisiert Kahmann die Treffen: „Ich habe selbst bei Herrn Katz gelernt und fand es zu schade, das Ganze unter den Tisch fallen zu lassen. Und einiges an Material hatten wir schließlich schon.“ Im Werdener Archiv entdeckte Kahmann noch weitere Schriftstücke, die sie für die Gruppenabende gebrauchen konnte.
Regelmäßige Gäste bei „Komm Omend“ sind Johannes Fischer und Kurt Kramwinkel. Die beiden gehören zu den wenigen Werdenern, die Waddisch Platt noch fließend beherrschen. Fischer kann sogar die Eigenarten verschiedener Stadtteil-Dialekte benennen: „Im Waddisch Platt spricht man manche O-Laute ganz weit hinten im Hals. Die Kettwiger aber sprechen dasselbe O wiederum als OA aus.“
Unter den Waddisch-Platt-Freunden ist Ulrich Tonder der Einzige, der nicht ursprünglich aus Werden stammt. „Meine Familie kommt vom Niederrhein. Deshalb habe ich sofort alles verstanden“, meint der Wahl-Werdener. Waddisch Platt habe vieles mit dem Niederrheinischen und dem Niederländischen gemeinsam. „Mich interessiert unsere Sprachgeschichte sehr.“
Für Teilnehmerin Irmin Schmuck sind die Treffen zudem ein gutes „Gehirntraining“. Ihre Schwiegereltern haben noch Waddisch Platt gesprochen, für sie ist der Dialekt dagegen eine richtige Fremdsprache. „Manchmal geht es hier fast ein wenig zu wie früher in der Schule“, meint die Werdenerin mit einem Schmunzeln.
Tonder würde gerne mehr Menschen für das Waddisch Platt begeistern: „Am besten wäre es, sich in Altwerden zu treffen und zur Bedingung zu machen, dass dann überhaupt kein Hochdeutsch gesprochen wird.“ Mehr Außenwirkung wünschen sich viele der „Komm Omend“-Teilnehmer. Zum Beispiel sei es denkbar, ein Theaterstück auf Waddisch Platt oder vielleicht auch kurze Sketche bei Werdener Veranstaltungen vorzuführen.