Essen. Beim Feinkosthändler Banneke in Essen kosten Spirituosen auch schon mal ein paar hundert Euro und mehr. Warum die Kunden dennoch gut gelaunt sind.
Ob er „die rassige Kraft der Kirsche“ und die unvergleichliche Harmonie zu schätzen wusste? Das reintönige Bouquet und diesen Hauch von Marzipan? Nicht zu vergessen: die zusätzliche Eleganz dank zarter floraler Note? Jedenfalls kam der Mann mit einem leeren Cola-Becher in der Hand zu „Banneke Feinkost flüssig“ an der Kreuzeskirchstraße, er steuerte schnurstracks den zu Probierzwecken geöffneten Kirschbrand „Ziegler Nr.1“ an, goss sich seinen Becher voll und trank ihn zügig aber ohne Hast aus. Dem verdutzten Verkäufer beschied er, nein, er sei kein Kenner der Materie, sondern schlicht Alkoholiker und brauche den Stoff: „Was wollen Sie jetzt machen?“
Tja, was soll man da machen? Fabian Faber, Junior-Geschäftsführer beim Spirituosen-Experten Banneke, mag sich damit trösten, dass der durstige Eindringling „nur“ zum Edelbrand aus Franken mit einem Ladenpreis von 104,98 Euro griff – und nicht einen Armagnac für den zehnfachen Kurs bevorzugte, die stehen nämlich auch in den Regalen.
An der Preisspitze ein schottischer Whisky – für rechnerisch 36 Cent pro Topfen
Luxus-Gesöffe, keine Frage, und davon finden sich viele auf dem verschlungenen Weg vom Eingang bis zur Kasse des deutschlandweit bekannten Fachhändlers. Es ist ein Defilee vorbei an 5000 Artikeln vorzugsweise hochprozentiger Art, darunter 4300 Spirituosen von A wie Absinth bis Z wie Zwetschgenwasser. Zwischendrin selbstredend die „üblichen verdächtigen“, weil viel beworbenen Marken, aber auch selten gehörte, schon gleich gar nicht getrunkene Spezialitäten – vom Pimpinellawurzel-Likör „Stichpimpuli“, das Miniaturpülleken für 1,48 Euro, bis zum 42 Jahre lang gereiften Whisky „Ledaig Malt Dusgadh“, der die Geldbörse mal eben um 5036 Euro und 50 Cent erleichtert.
Bei 0,7 Litern Flascheninhalt dieser Marke kommt man mithin rechnerisch auf einen Preis von 36 Cent für jeden edlen Tropfen dieses Getränks, und spätestens hier muss sich Geschäftsführer Faber die Frage anhören: „Geht’s noch?“ Ist das nur zur Schau gestellter Luxus-Protzerei, um am Ende doch zu erleben, wie die armen Schlucker mit der Flasche „Ballantine’s“ für 11,99 Euro den Laden verlassen?
Cognac für 1000 Euro und mehr? „Es gibt Freundeskreise, die sparen Monate darauf“
Nein, keine Show-Auslage, versichert Faber da, die feinen und feinsten Spirituosen finden tatsächlich ihre Abnehmer, und das nicht nur unter ausgesuchten Hotels im Lande: der „Cognac Hennessy Impérial“ für 2435 Euro, der kubanische „Havana Club Maximo“-Rum für 1299 Euro pro halbem Liter. Oder die Magnumflasche mit Schampus von „Roederer Cristal“ für vergleichsweise bescheidene 472,98 Euro.
Mehrmals im Monat wandern solche Edel-Spirituosen mit oft vierstelligem Preis von den Ablagen hinterm verschlossenen Eisengitter über die Ladentheke. Und dort stehen nicht zwingend Menschen mit brillantbesetztem Brillengestell. „Es gibt Freundeskreise, die sparen Monate darauf“, weiß Faber, nur um sich dann in kleiner Runde etwa dem gemeinsamen Cognac-Genuss hinzugeben.
Der Banneke-Chef aus Essen sagt: Mehr als 100 Euro pro Flasche, „das ist auch für mich Luxus“
Oder die Whisky-Freaks: Die wissen so viel über das Objekt ihrer Begierde, das manchmal selbst das geschulte Personal passen muss. Etwa wenn nach dem pH-Wert des bei der Destillation genutzten Brauwassers gefragt wird: „Die wissen im Grunde, was sie wollen, denen müssen wir nur noch zeigen, wo’s steht.“
Ob man solchen Kunden ihr Luxusbedürfnis ansieht? Faber formuliert es so: „Sonderlich überkandidelte Leute kennt man im Ruhrgebiet ja eigentlich nicht.“ Und überhaupt: Luxus sei ja im Grunde relativ. Ein Spirituosen-Preis jenseits der 100 Euro, „das ist auch für mich Luxus“. Und manch anderer ziehe die Grenze womöglich schon bei der Hälfte.
Das eigene Autos kriegt „Super plus“ – und getrunken wird billigster Fusel?
Für eine gute Spirituose, glauben sie bei Banneke, muss man schon etwas Geld investieren. 30 Euro seien „ein guter Einstieg“, bei 50 Euro trenne sich die Spreu vom Weizen. Und nein, einen Grappa für zehn Euro, „den kann man wirklich nicht trinken“, findet Faber und verzieht das Gesicht. Das leuchte jedem auch schon beim Blick auf die Steuer ein: 13,03 Euro sind auf einen Liter Alkohol zu entrichten, für 0,7 Liter Korn mit 40 % beträgt die Branntweinsteuer also 13,03 mal 0,7 mal 40% gleich 3,65 Euro. Die Mehrwertsteuer kommt noch oben drauf. „Was soll man da für zehn Euro an Qualität erwarten?“
Eine Rechnung, über die nachzudenken sich lohnt, findet Faber: „Die Leute betanken ihre teuren Autos mit Super plus – und schütten womöglich billigsten Fusel in sich hinein. Das ist eigentlich bitter.“ Und es hat für ihn auch etwas mit fehlender Kultur zu tun, mit fehlender Lebensart.
„Die Leute kommen gut gelaunt, die wollen sich oder anderen was gönnen“
Was aber im Gegenzug nicht bedeutet, dass man beim unorthodoxen Kundengeschmack („Ich hätte gerne einen süßen Rotwein zum Fisch“) die Nase rümpft: „Wir wollen die Leute nicht bekehren, es gibt beim Geschmack kein ,Richtig’ und kein ,Falsch’.“ Die Profis wollen die Laien zu guter Spirituosen-Qualität lieber „sanft hinführen“, sagt Faber, denn die Preisunterschiede lassen sich schmecken, davon ist der studierte Betriebswirtschaftler überzeugt. Auch wenn die Nuancen, zugegeben, umso geringer ausfallen, je höher der Preis steigt.
Nein, bei Banneke geht’s deshalb nicht um die Grundversorgung, es geht um die nächste Stufe: Sich oder anderen etwas gönnen zu wollen, diese Haltung sei spürbar, „deshalb kommen die Leute zu uns mit grundsätzlich guter Laune“. Wer das Luxus nennen will – bitteschön. Die hochpreisigen Sachen machen dabei allenfalls fünf Prozent des Banneke-Umsatzes aus. Das war übrigens auch schon mal weniger, vor zwölf Jahren, als der 35-Jährige im elterlichen Betrieb einstieg: „Geiz ist geil“, hieß damals die Devise, „darüber sind wir zum Glück hinweg“.
Heute befassten sich die Menschen mehr mit Essen und Trinken, und man kann nur hoffen, dass dieser unbekannte Jemand, der die Whisky-Flasche „Chivas Regal The Icon“ in der Kreuzeskirchstraße mitgehen ließ, diesen 2700 Euro teuren Tropfen auch zu schätzen wusste: die Anklänge von flüssigem Honig und reifen Birnen, die Fondants von Zartbitterschokolade und Orangen und...
Ach, lassen wir das.