Essen. Katja Heinrich und Florian Hoheisel beschwören die 1920er-Jahre in Wort und Ton. Gefeierte Premiere den neuen Programms beim Essener „Kunstbaden“
Mit Schampus, Charme und Cello: In ihrem aktuellen Programm „Erst trink ein bisschen Alkohol mit mir“ tauchen Katja Heinrich und Florian Hoheisel in den Klang- und Wortkosmos der 1920er Jahre ein. „Taufbecken“ des neuen Programms war das Grugabad, wo das Essener Duo im Rahmen der Reihe „Kunstbaden“ bereits zum zweiten Mal gastierte.
Mal komisch, mal kritisch, mal frech und frivol
Ein Abend zwischen Hesse und Hindemith, zwischen leiser Melancholie und beschwingter Lebenslust, mit Vertrautem und Unerwartetem. Ein Programm mit Musik von Tanzkapellen-Chef Paul Godwin bis zum Komponisten Egon Wellesz und Texten von Kurt Tucholsky bis Else Lasker-Schüler, die mal komisch, mal kritisch, mal frech und frivol die Zeit der „Goldenen 20er“ umkreisen. Heinrich und Hoheisel machen daraus eine kurzweilige Zeitreise, nicht nostalgiesatt und revueselig, sondern vielschichtig und vom Schellack-Staub befreit.
Florian Hoheisels virtuos gespieltes Cello gibt den eher dunkel-warm timbrierten Ton des Abends vor. „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ durchzieht da eine tiefe, sanft vibrierende Sehnsucht. Und auch beim „Comedian Harmonists“-Hit von „Wochenend und Sonnenschein“ wippt der Zylinder nicht rhythmisch zum Schlagertakt der 20er-Jahre. Vielmehr schauen die von Schauspielerin Katja Heinrich mit Bedacht ausgewählten Texte auch auf die Schattenseiten dieses besonderen Jahrzehnts zwischen Froh- und Wahnsinn, zwischen ungestümer Feierlaune und Überlebenskampf. Tucholskys „Eine Frau denkt“ gerät da zum Prolog der aufziehenden Emanzipation, während der Geschlechterkampf in Brecht/Weills unverwüstlichem „Barbara Song“ noch keine echte Chance hat: „Ja da muss man sich doch einfach hinlegen.“
Texte und Gedichte von Brecht bis Ringelnatz
Es ist die Mischung aus großen Hits von „Lilli Marleen“ bis zum „kleinen grünen Kaktus“, gepaart mit Heiterem und Hintergründigem, Subtilem und Deftigem von Brecht bis Ringelnatz, die dem Abend seinen eigenen Sound geben. Da darf dann auch mal herzhaft berlinert werden, um im nächsten Moment mit Gottfried Benns Gedicht „Oh Nacht“ in Düsternis und Drogen-Abgrund abzusteigen. Das Publikum forderte trotz aufziehender Gewitterwolken entschieden Zugabe. Bis zur nächsten „Kunstbaden“-Runde vergeht schließlich eine Weile. Das Programm geht am 15. August mit einem Tag für Kinder weiter.
Mehr Infos: www.jelena-ivanovic.com/kunstbaden/