Essen-Rüttenscheid. In der Pandemie konnte viele Menschen keinen Abschied nehmen. Der Essener Bestatter Nico Jan Sobotta versucht auf ungewöhnlichen Wegen zu helfen.
Bestatter Nico Jan Sobotta aus Rüttenscheid setzt auf sehr persönliche Abschiede. Bunte Luftballons rund um den Sarg, knallende Sektkorken auf dem Friedhof oder Rockmusik in der Trauerhalle – für ihn gibt es in dieser Hinsicht kein Tabu, solange die Trauerfeier die Persönlichkeit und das Leben der Verstorbenen angemessen widerspiegelt. In der Corona-Pandemie hat er noch einmal mehr gelernt, wie wichtig das für trauernde Angehörige ist.
„Die Individualität zählt, das macht die moderne Bestattungskultur aus“, sagt der 34-Jährige. „Wir feiern keine Trauerfeiern im üblichen Sinne, sondern zelebrieren das Leben.“ Beruf, Hobbys und Leidenschaften der Verstorbenen sollen sich möglichst in der Dekoration, den Trauerreden und der musikalischen Gestaltung zeigen. „Jede Trauerfeier ist einzigartig, so wie auch jedes Leben individuell ist – warum soll das mit dem Tod enden“, sagt Sobotta.
Essener Bestatter bringt Shetlandpony zur Beerdigung
Seit 2015 ist Sobotta als Bestatter in Essen tätig. In dieser Zeit hat er viele verschiedene Bestattungen organisiert und miterlebt. Darunter sei zum Beispiel eine afrikanische Trauerfeier gewesen, mit viel Musik und Tanz. Gut erinnert er sich auch noch an den Überraschungsmoment, als während einer Trauerfeier plötzlich Hufgetrappel zu hören war – das Shetlandpony der Verstorbenen durfte an ihrer Beerdigung teilnehmen.
In die Planung und Organisation der Feiern bindet er, sofern sie es möchten, auch die Angehörigen ein. Eltern bemalen zum Beispiel die Urne ihrer Kinder, Geschwister suchen ein Kuscheltier aus, das mit in den Sarg darf oder Ehepartner suchen die Lieblingskleidung raus. Auch Briefe sind als Grabbeigabe möglich, außerdem können Angehörige Kissen und Decken von Zuhause mitbringen, um sie in den Sarg zu legen, wenn ihnen das lieber ist als neue, fremde Stoffe. Die Möglichkeiten, um eine Trauerfeier persönlich zu gestalten, seien vielfältig, sagt Sobotta.
Für Angehörige sei es oft hilfreich, nicht tatenlos dasitzen zu müssen, sondern aktiv mitzuentscheiden. Beim Heraussuchen von Fotos und Musik etwa entstünden oft bewegende Gespräche über das Leben der Verstorbenen, bei denen genauso geweint wie gelacht werde. „Es ist schön zu sehen, dass man den Menschen helfen kann bei der Trauerbewältigung“, sagt Sobotta.
Trauerbewältigung durch das Mitgestalten der Bestattung
Während der Corona-Pandemie hat Sobotta viele Situationen miterleben müssen, die die Menschen zusätzlich zum Verlust belasteten. „Als nur der allerengste Kreis dabei sein durfte, war es sehr schwer“, sagt er, sowohl für diejenigen, die nicht Abschied nehmen konnten als auch für diejenigen, denen eine starke Schulter am Grab fehlte. Hinzu kamen Maskenpflicht und Abstandsregeln, die viele Trauergäste verunsicherten. „Es ist sehr schwer, wenn man nach jahrzehntelanger Ehe am Grab steht und niemand einen in den Arm nimmt“, sagt Sobotta. „Manche Menschen mussten auch ganz allein sterben.“
Die Situation erlaube nun wieder mehr Freiheiten bei den Trauerfeiern, auch wenn weiter besondere Hygieneregeln gelten und auch der Bestatter sich bei infizierten Verstorbenen besonders schützen muss. Anders als zu Beginn der Pandemie sei es mittlerweile auch wieder möglich, Verstorbene aufzubahren, die sich vor ihrem Tod mit dem Coronavirus infiziert hatten, sagt Sobotta. Die besonderen Umstände der vergangenen Monate und Jahre haben ihn noch einmal darin bestärkt, Angehörige einzubeziehen und auch Erinnerungen an die Trauerfeier festzuhalten. So gibt es von jeder Trauerfeier Bilder und auch eine Videoübertragung ist möglich, wenn Teile der Trauergesellschaft nicht persönlich vor Ort sein können.