Essen. Ein Sammelband erzählt die Geschichte des Bistums Essen anhand von 30 ausgewählten Objekten. Wie die Sammlung in Zukunft weiterwachsen soll.
63 Jahre sind eine lange Zeit und doch ein eher kurzer Zeitraum für Kirchengeschichte. Wie also fasst man die Entwicklung des 1958 gegründeten Bistums Essen zusammen, das doch so viele unterschiedliche Aspekte und Zuschreibungen kennt – vom Arbeiterbistum im „Melting point“ Ruhrgebiet über experimentierfreudige Reformdiözese bis zum Sozialbistum, das nah bei den Menschen und ihren sozialen und wirtschaftlichen Nöten sein will? Ein neues Buch versucht die Annäherung nicht über historische Daten, sondern über Dinge. Eine Grubenlampe, ein Liederbuch und ein Adventskalender kommen darin genauso vor wie ein Dauerlutscher mit dem Konterfei von Papst Johannes Paul II.
Kirchenhistorikerinnen und -historiker kommen genauso zu Wort wie Museumspädagoginnen und Mitarbeiter der Pastorale. Dem Herausgeberteam Florian Bock, Miriam Niekämper, Sebastian Eck und Lea Torwesten geht es vor allem darum, ein möglichst breites Publikum zu interessieren. 30 ausgewählte, teils ganz profanen Objekte geben dabei Anlass für ein schillerndes Identitätsmosaik der katholischen Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne.
„Essen sein Schatz“ darf in der Sammlung nicht fehlen
Festgemacht werden die vielfältigen Themen an Objekten und Orten, die zwischen 1958 und der Gegenwart verankert sind, aber die Kirchengeschichte doch viel weiter ausleuchten. Die Goldene Madonna darf da nicht fehlen. „Essen sein Schatz“ rückt als Motiv des 2015 aufgelegten Panini-Sammelalbums mit 312 Motiven aus Essen ebenso ins Blickfeld wie der Heilige Liudger, Gründer der Abtei Werden. Für seine Gebeine schuf der Künstler Gernot Rumpf 1984 einen neuen Sarkophag, um ihn in der Gegenwart des neu gegründeten Bistums ankommen zu lassen. Und hinterließ nicht nur beim Autor Hubertus Lutterbach Fragen, der einigermaßen erstaunt feststellt, dass unter den vielen Figuren auf dem Schrein keine einzige Frau zu sehen ist.
Zur Buch-Sammlung gehören ebenso heitere wie bewegende Erinnerungsobjekte und Orte: Da ist der Souvenir-Lolli mit dem Konterfei von Papst Johannes Paul II. , der beim Papstbesuch im Ruhrgebiet 1987 zum Verkaufsschlager wurde. Das ist aber auch das seit 2020 in der Salvatorkirche in Duisburg ausgestellte Triptychon des Künstlers Walter Maria Padao, das für die Trauer um die Opfer der Loveparade-Katastrophe zehn Jahre zuvor steht.
Überhaupt, betont Florian Bock, Mit-Herausgeber und Juniorprofessor für Kirchengeschichte an der Bochumer Ruhr-Uni, seien es nicht nur Erfolgsgeschichten, die die verschiedenen Autoren zu Papier gebracht haben. Das im Münsteraner Aschendorff-Verlag erschienene Buch lässt auch Krisen und Kontroversen nicht aus, wie die mit Kirchenschließungen verbundene Neuordnung der Pfarreien-Struktur, die Bischof Felix Genn einleitet. Und der Ruhrwort-Kugelschreiber erinnert nicht nur an die über Jahrzehnte aufgelegte Wochenzeitung des Bistums Essen und ihre Einstellung, sondern an eine zurückgehende Wahrnehmung von Kirchenthemen generell.
Kunstwerk erinnert an die Opfer der Loveparade-Katastrophe
Auch das spezielle Verhältnis von Kirche und Region wird herausgearbeitet. Die besondere Verbindung der katholischen Kirche mit dem Land von Kohle und Stahl ist Thema, wenn Michael Dörnemann über den Kreuzweg auf der Halde Haniel in Bottrop schreibt, wo die von Bergleuten gefertigten Tafeln neben dem Leidensweg Jesu auch Zitate aus der Arbeitswelt zeigen. Florian Bock betrachtet die Bedeutung des in Essen gelebten polnischen Katholizismus anhand der Schwarzen Madonna von Tschenstochau. Die Kopie des Marienbildnisses hat in den 2000er Jahren ihren Platz in der Kirche St. Clemens Maria Hofbauer in Altendorf.
Das Herausgeberteam sieht die Sammlung von Geschichte(n) des Bistums Essen damit noch lange nicht abgeschlossen. Deshalb dürfen sich auch Leserinnen und Leserbeteiligen beteiligen und die Sammlung online durch eigene Objekte ergänzen. Erinnerungsstücke an besondere Momente ihrer persönlichen Kirchengeschichte können auf der Internetseite des Bistums hochgeladen werden: https://bistumsgeschichte.ruhr/