Essen. Michael Kohlmanns Wohnung in Essen-Kupferdreh ist seit der Deilbachflut im Juli 2021 unbewohnbar. Frühestens im Sommer kann er zurück.
Bis zum 14. Juli strahlt die Eigentumswohnung der Kohlmanns an der Deilbachbrücke 5 in Essen-Kupferdreh Behaglichkeit aus. Doch dann kommt die Jahrhundertflut. „Nur sechs Zentimeter hoch, stand das Wasser“, sagt Michael Kohlmann (60). Das hört sich harmlos an, doch es reicht, um die Parterrewohnung auf absehbare Zeit komplett unbewohnbar zu machen. Genauso wie die Nachbarwohnung gegenüber. Beide sind: Totalschaden.
Parkett, Estrich, Fliesen, der Putz an den Wänden – alles ist raus
Fast auf den Tag genau sechs Monate sind vergangen, seit der Deilbach sein Bett verlassen und eine Spur der Verwüstung durch Kupferdreh gezogen hat. Kohlmanns Wohnung ist immer noch Baustelle. Der Putz ist von den Wänden gekloppt, der Parkettboden und der Estrich darunter sind raus, und die Fliesen auch. Die freigelegten Elektroleitungen, die bis dahin unter Putz waren, dürfen auf keinen Fall drinbleiben. „Die komplette Elektroinstallation muss erneuert werden“, sagt Kohlmann. Als die Flut kommt, sorgt sie für Kurzschlüsse in dem 110 Jahre alten Haus. Die einst trockenen Fachwerkbalken saugen das Wasser langsam auf, sie müssen jetzt ebenfalls raus.
Weil die Keller darunter bis obenhin vollgelaufen sind und das Wasser die gesamte Geschossdecke wie einen Schwamm durchtränkt hat, drohen obendrein gravierende Statikprobleme. Der eigentliche Schaden belaufe sich grob überschlagen auf 400.000 Euro, rechnet Kohlmann vor. Hinzu kämen Nebenkosten für Gutachter, Architekten. Das mache weitere 100.000 Euro, unterm Strich also eine halbe Million.
Michael Kohlmann überschlägt den Gesamtschaden und kommt auf eine halbe Million
Michael Kohlmann ist Versicherungskaufmann und Inhaber einer Agentur. Deshalb hat er Glück im Unglück. „Ich bin einer der wenigen hier, der Elementarschäden abgesichert hat.“ Der Deilbach ist nur wenige Schritte vom Haus Nummer 5 entfernt. Trotzdem gehe der Mehrpreis für die Versicherung gegen Elementarschäden nichts sonderlich ins Geld. „Das sind Peanuts“, sagt der 60-Jährige.
So richtig freuen kann sich Kohlmann dennoch nicht. Wenn er durch seine auf Rohbaustatus runtergekloppte Wohnung schreitet, fühlt er sich ähnlich wie die Menschen in den ruinierten Häusern längs der Ahr. An Wegziehen denkt er trotzdem nicht. Auf der Aluleiter-Trittleiter im Wohnzimmer steht ein kleiner Weihnachtsbaum, auch ein bisschen Lichterkette gibt es. Nostalgische Dinge, die ein Gefühl von Normalität vermitteln sollen.
Das gesamte Mobiliar ist eingelagert, seit dem Unglück wohnt er mit seinem erwachsenen Sohn bei seiner Freundin. Für die Renovierung der überschwemmten Wohnung gibt es einen Zeitplan. „Ich hoffe, im Juni oder Juli wieder einziehen zu können.“ Kohlmann schaut auf den Tannenbaum und fügt hinzu: „Das nächste Weihnachtsfest wird wieder hier stattfinden.“
Und das Wasser? Das bereitet ihm seit jenem schrecklichen 14. Juli regelrecht Kopfzerbrechen. „Wie kann man sich schützen – darüber macht man sich wirklich Gedanken.“ Manchmal überlegt Kohlmann für alle Fälle ein Dutzend gefüllte Sandsäcke in die Ecke zu stellen. Oder eine Art Spundwand, Marke Eigenbau zu konstruieren, damit über die Terrasse nichts mehr in die Küche eindringt.
„Mich stört, dass in Essen kein Katastrophenalarm ausgelöst worden ist“
An diesem sonnigen Januarnachmittag schreitet Kohlmann wieder zur nahen Brücke, wo er auch am 14. Juli gestanden hat. Ein bisschen Deilbachwasser umspült in dieser Stunde schon seine Füße. Damals sieht er die Katastrophe kommen und alarmiert den Notruf 112. „Ich habe um kurz nach 17 Uhr angerufen und wurde vertröstet.“ Der Mann in der Leitstelle habe ihm geraten, sich erst wieder zu melden, wenn Menschenleben in Gefahr seien. Noch zweimal greift Kohlmann an diesem Abend zum Telefon. Er fühlt sich wie ein Rufer in der Wüste.
Es dauert nicht lange, da türmt sich das, was der Deilbach mitreißt, an der Brücke mehr als drei Meter hoch, darunter ganze Bäume mit zwei Meter Durchmesser, dicke Bohlen und Kanthölzer, jede Menge Astwerk. „Es war wie der Korken in der Weinflasche.“ Gegen 22 Uhr laufen am Möllneyer Ufer, an der Deilbachbrücke und an der Kupferdreher Straße die Keller voll. Kohlmann war 25 Jahre lang in der Freiwilligen Feuerwehr und sagt: „Was mich stört, ist, dass in Essen kein Katastrophenalarm ausgelöst worden ist.“