Essen. Unverpacktläden liegen im Trend, immer mehr Menschen kaufen dort. Wie es aber Essener Geschäfte beim Wareneinkauf selbst mit Verpackungen halten.

  • Die Zahl der Läden wächst, in denen Kunden die Ware weitestgehend unverpackt einkaufen. Geschäfte gibt es beispielsweise in den Essener Stadtteilen Rüttenscheid, Holsterhausen und Südviertel.
  • Wenn die Läden aber selbst auf Einkaufstour gehen und die Ware angeliefert wird, geht es nicht ganz ohne Verpackung, zeigt eine Nachfrage.
  • Die Betreiber haben nun unterschiedliche Strategien entwickelt, wie sie mit Kartons, Pappschachteln und Papiersäcken umgehen.

Es ist ein Geschäftsmodell, das immer mehr um sich greift: Den Einkauf soll der Kunde möglichst verpackungsfrei erledigen und falls Verpackung überhaupt erforderlich erscheint, dann in Mini-Version und auf jeden Fall ohne Plastik. Wie aber halten es solche Läden, wenn sie selbst Ware beziehen und auf Einkaufstour gehen? Die Redaktion hat nachgefragt und festgestellt, dass sich ein Umdenken vollzieht.

Plastik nutzt Drogerie-Betreiberin im Essener Südviertel später als Müllsack

Helena Mohr betreibt im Südviertel an der Rellinghauser Straße das Geschäft von Grünstadt und wirbt mit dem Slogan „Deine plastikfreie Drogerie“. Wer hier beispielsweise Duschgel, Flüssigseife, Wasch- und Putzmittel haben möchte, kann die Mengen portionsweise in eigene mitgebrachte Gefäße abfüllen oder, falls man diese nicht zur Hand hat, direkt im Laden kaufen.

Bei den Kanistern, in denen die Lotions, Mittel und Lösungen lagern und mit denen sie auch angeliefert werden, handelt es sich um Kartonagen ausgefüllt mit einer recht dünnen Plastikschicht. So recht gefalle ihr das auch nicht, räumt die Inhaberin ein, aber es gebe von den Herstellern und Großhändlern dazu keine bessere Alternative. Auf dieses Moment gehe sie allerdings immer wieder in Gesprächen mit Kunden ein, und mache dabei aber folgende Rechnung am Beispiel von Spülmittel auf: Im Vergleich zu einer handelsüblichen 500-Milliliter Plastikflasche liege in ihrem Geschäft der Kunststoffanteil um 90 Prozent niedriger. Bedauerlich findet es die 35-Jährige, dass die Anbieter die Plastikeinlagen aus den Kartons nicht zurücknehmen. „Ich nutzen sie im Laden als Abfallsäcke und entsorge sie anschließend“.

Das Sortiment der Drogerie von Grünstadt ist breit gefächert. Die Artikel werden in Schachteln und Kartons geliefert, für die die Inhaberin unterschiedliche Verwendungen findet.
Das Sortiment der Drogerie von Grünstadt ist breit gefächert. Die Artikel werden in Schachteln und Kartons geliefert, für die die Inhaberin unterschiedliche Verwendungen findet. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Dass Kartons in Hülle und Fülle bei der Lieferung des Warensortiments anfallen, lasse sich kaum vermeiden, sagt Helena Mohr. Für die Kästen und Kästchen, in denen die Artikel – vom Apothekerfläschchen über die Brotdose bis zur Thermoskanne und Zahnbürste – zu ihr kommen, hat sie aber verschiedene Wege einer weiteren Nutzung gefunden: Einen erheblichen Teil braucht sie für ihren Onlineshop zum Versand. Falls noch Kartons übrig bleiben, geht’s mit denen ab auf das Portal von Ebay-Kleinanzeigen. „Zum Verschenken“. Geld wolle sie damit nicht verdienen. Und manchmal nehmen Kunden auch Pappkartons direkt vom Laden mit nach Hause.

Als „Achillesferse“ ihres Geschäftes betitelt sie den gelegentlichen Einsatz von Noppenfolie, wenn Tassen oder Dosen aus Emaille geliefert werden. Die Ware sei sehr empfindlich, müsse also geschützt werden. Wie aber auch andere Betreiber aus der Branche dränge sie darauf, doch besser Trennwände aus Pappe zu nutzen.

Rüttenscheider Geschäftsfrau überlässt leere Lieferkartons den Kunden

Inhaberin Christiane Teske füllt Lebensmittel in ihrem Unverpackt-Laden „Glücklich unverpackt
Inhaberin Christiane Teske füllt Lebensmittel in ihrem Unverpackt-Laden „Glücklich unverpackt" in Essen-Rüttenscheid ab, die zuvor weitestgehend in Papiersäcken angeliefert wurden. © FUNKE Foto Services | Kira Alex

Als Christiane Teske ihren Laden „Glücklich unverpackt“ vor vier Jahren an der Rosastraße in Rüttenscheid gründete, sah sie sich schon aus Kostengründen gezwungen einen Kompromiss einzugehen. Die Lebensmittelspender, die sie in ihrem Geschäft an der Rosastraße für Mehl, Flocken, Reis, Nüsse, Zucker, Müsli und viele weitere Ware aufgestellt hat, bestehen aus Plastik. Modelle dieser Art sind von den Behörden für den Zweck zugelassen und werden auch von vielen Unverpacktläden genutzt. Die Glasvariante wäre vier Mal so teuer gewesen und die Formate verbrauchen Unmengen an Platz, erklärt die 57-Jährige.

Gleichwohl bleibe es bei dem Vorteil ihres Geschäftes, jede Menge Müll zu vermeiden. Das gelinge unter anderem durch Pfandsysteme, die beim Verkauf von Nüssen, Brotaufstrich, Hafermilch und Ketchup in Gläsern oder Flaschen zum Tragen kommen. Angeliefert werden die Lebensmittel in großen Papiersäcken, die rund 25 Kilo Ware beinhalten berichtet Teske. Aufgrund mehrerer Papierschichten seien die Säcke reißfest, zu einer Leckage komme es lediglich bei falscher Lagerung während des Transports. Manchmal komme Ware auch im Karton an. Ähnlich wie Helena Mohr bietet auch Christiane Teske ihrer Kundschaft an, die Kisten für eigene Zwecke zu verwenden.

Ladenbetreiber macht aus gebrauchter Pappe Visitenkarten

Geschäfte haben Hygienestandards im Fokus

Angesichts von Corona stellen sich Leute die Frage, wie es mit den Hygienestandards in den Unverpackt-Läden aussieht. Christiane Teske („gücklich unverpackt“) betont: Der Kunde komme mit der Ware nicht in Berührung. Aus den Lebensmittelspendern gelangt die Ware in die entsprechenden Gefäße oder Behältnisse. Wenn Artikel wie Schokolade in Dosen oder Gläsern gelagert werden, dann nutzen die Kunden Zangen oder Schaufeln, die nach jedem Gebrauch gereinigt werden. Darüber hinaus achten die Geschäfte auch darauf, dass Desinfektionsmittel vorhanden sind bzw. entsprechende Spender im Laden vorhanden sind. Um Hygienestandards zu wahren, könne er nicht ganz auf Plastik verzichten, sagt Jonas Deperieux, der seit kurzen in der nördlichen Innenstadt den Bioladen „Bio-Komplizen“ betreibt. Gerade auch für die Lagerung der Ware lasse sich kaum ohne Kunststoff auskommen. Da er auch einen Onlinehandel betreibt, brauche er nun mal Verpackungen zum Versand, er verwende aber möglichst gebrauchte Materialien.Kontakte: Bio-Komplizen, Kreuzeskirchstraße 15, 45127 Essen, 0162/3913681, „glücklich unverpackt“, Rosastraße 38, 45130 Essen, 94679520, „Unfairpackt“, Gemarkenstraße 93, 45147 Essen, 01575/1765377, Von Grünstadt, Rellinghauser Str. 110, 45128 Essen, 97768463

Miran Petry, der seit rund einem Jahr den „Unfairpackt“-Laden an der Gemarkenstraße in Holsterhausen betreibt, hat auch überlegt, was man mit Verpackungspappe noch so machen kann. „Wir schneiden die klein, setzen unseren Stempel drauf und schon sind Visitenkarten fertig“, die er dann an Kunden oder Interessenten weitergebe. In Papiersäcken landet auch bei dem 32-Jährigen der Großteil der Ware (u.a. Bohnen, Linsen, Weizen, Nudeln, Reis, Mehl) an und wird – siehe Rüttenscheid – über Altpapiercontainer entsorgt. Oftmals versuche man auch Kartonage loszuwerden, „indem wir auf Instagram darauf hinweisen, dass sie abgeholt werden kann“.

Miran Petry, Inhaber von „Unfairpackt“ in Essen-Holsterhausen appelliert an Händler und Lieferanten, jede Art von Plastik wegzulassen.
Miran Petry, Inhaber von „Unfairpackt“ in Essen-Holsterhausen appelliert an Händler und Lieferanten, jede Art von Plastik wegzulassen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Petry spricht zudem ganz offen über die immer noch vorhandenen Plastikanteile in der Lieferkette. Einige Händler würden nun Mal Kaffee und Hülsenfrüchte in Kunststoffeimern transportieren. „Wir bezahlen einen Pfand und die Eimer werden nach Gebrauch und vor einer Neubefüllung gereinigt.“ Kunden haben dafür durchaus Verständnis, sagt Petry, denn „sie teilen mit mir die Auffassung, dass erheblich weniger Kunststoff als auf herkömmlichen Verkaufswegen verwendet wird“.

Im Fall von Müsli nutzen Produzenten, wie der Inhaber erläutert, oftmals Cellophan, damit die Ware haltbar bleibe und nicht aneinander klebe. „Da bleibt uns natürlich keine andere Wahl, als das Material auf dem üblichen Weg zu entsorgen.“ Zugleich weise er – und da sei er mit Unverpackt-Betreibern in einem Boot – Händler und Lieferanten darauf hin, doch möglichst alle Formen von Plastik wegzulassen und auf Alternativen zurückzugreifen. Nach seinen Beobachtungen sei der Markt da sehr in Bewegung. Es dürfe eigentlich auch nicht sein, dass Kartons auf Lieferpaletten mit Plastik umwickelt sind. Auch hier gebe es Ersatz. Er habe schon häufiger gesehen, dass man mit Kordeln und Bändern für Stabilität sorgen könne. Denn ansonsten könnten gerade Kritiker einwenden, man habe es mit einer Mogelpackung zu tun.

Im Laden von Dalia El-Shaal (28), die an der I. Weberstraße 8 seit rund zwei Jahren „Miss Planty“ betreibt, können Kunden kosmetische Rohstoffe erwerben. Ob Natron, Kakaobutter, Zitronensäure oder diverse Öle, um nur einige Beispiele zu nennen, werden hier in Gefäßen und Gläser diverser Art mitgenommen. Bei der Lieferung der Ware fallen durchaus auch Kartons an, die die Geschäftsfrau an Kunden bei Bedarf weitergibt. Falls das Material in Plastiksäcken geschickt wird, nehmen einige Händler diese wieder zurück, ab und an müsse sie diese Kunststoffbehältnisse allerdings auch durchaus entsorgen, so Dalia El-Shaal. In ihrem Unverpackt-Laden ist aber nicht nur nachhaltiger Naturkosmetik zu haben. Mit einem monatlich wechselnden Workshop-Programm bietet die Betreiberin jeweils freitags (17-20 Uhr) sowie samstags (14 bis 17 Uhr) die Möglichkeit, eigene Produkte anzurühren und steht für weitere Fragen zur Verfügung.