Essen. Der Essener Tierärztesprecher hatte Klartext geredet in Sachen Corona-Impfung. Der Kammerpräsident widerspricht ihm in einem Punkt.

Mit seiner Aussage über eine ablehnende Haltung seines Berufsstandes in dieser Stadt zur Beteiligung an Corona-Impfungen hat der Sprecher der Essener Tierärzte, Dr. Thomas Sabel, Klartext geredet. Nun widerspricht der Präsident der Tierärztekammer Nordrhein, Andreas Bulgrin, seinem „sehr geschätzten Kollegen“. In einer schriftlichen Stellungnahme verweist der Standesfunktionär auf eine Umfrage der Tierärztekammer Nordrhein, die kurz vor Weihnachten deutliche Zustimmung zur Corona-Schutzimpfung bei Tierärztinnen und Tierärzten signalisiert habe.

Umfrage der Tierärztekammer Nordrhein: 900 Mitglieder signalisieren Impfbereitschaft

Der Essener Tierärzte-Sprecher Dr. Thomas Sabel hat Klartext gesprochen in Sachen Impfkampagne.
Der Essener Tierärzte-Sprecher Dr. Thomas Sabel hat Klartext gesprochen in Sachen Impfkampagne. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

In Zahlen ausgedrückt: 1238 Veterinäre, also etwa ein Drittel der in der Tierärztekammer organisierten Tiermedizinerinnen und Tiermediziner, hätten den Antwortbogen zurückgeschickt. Davon signalisierten mehr als 900 Mitglieder Zustimmung zum Vorhaben der Regierung, neben Apothekern und Zahnärzten künftig auch Tierärzten das Impfen gegen Corona zu erlauben. Für den Präsidenten der Tierärztekammer Nordrhein „ein ganz anderes Statement“ als das des Essener Kreisstellensprechers. Dieser hatte im Gespräch mit dieser Zeitung nach einem Rundruf bei seinen Kollegen nämlich behauptet: „Ich kenne keine Tierärztin und keinen Tierarzt in Essen, die Zeit dafür haben.“ Als Begründung führte der Essener Tierärztesprecher nicht etwa mangelnde Solidarität bei der Pandemiebekämpfung, sondern die hohe Belastung in den Tierarztpraxen an.

In diesem Punkt pflichtet der Präsident der Tierärztekammer seinem Essener Kollegen ausdrücklich bei. „Tatsächlich sind viele Praxen erheblich überlastet“, heißt es in der Stellungnahme. Als Begründung führt Präsident Bulgrin den massiven Arbeitskräftemangel an, der wiederum im „sehr hohen Anteil an Frauen“ begründet liegt. Dieser liege seit etlichen Jahren bei mehr als 90 Prozent.

„Viele Kolleginnen und Kollegen verlieren die Freunde an unserem schönen Beruf“

„Dies bedingt rein rechnerisch durch Familiengründungen und durch folgende Teilzeittätigkeiten einen Verlust von geschätzt 30 bis 40 Prozent der verfügbaren Arbeitsstunden“, rechnet Bulgrin vor. Hinzu komme, dass Veterinäre seit Jahren immer mehr Arbeit zu leisten hätten, die Studentenzahlen aber gleich geblieben seien. Unflexible Regelungen des Arbeitszeitgesetzes seien weitere Belastungsfaktoren. Das alles habe das „Schwinden der Notfallversorgung im Kleintierbereich“ zur Folge. Auf dem Land gefährde der Tierärztemangel sogar die „tierschutzgerechte Versorgung akuter Krankheitsfälle“.

Das neue Tierarzneimittelgesetz – es tritt Ende des Monats in Kraft – schaffe zusätzliche Aufzeichnungspflichten für Tierärzte. „Bürokratische Anforderungen erdrücken uns“, klagt der Kammerpräsident und fügt hinzu: „Das alles führt dazu, dass viele Kolleginnen und Kollegen die Freude an unserem schönen Beruf verlieren.“

Bedauerlicherweise würden die verschiedenen Entscheidungsträger „unsere Sorgen und unsere Argumente“ nur bedingt wahrnehmen, findet Bulgrin. Auch in diesem Punkt funken der Chef der Tierärztekammer und der Essener Kreisstellensprecher auf derselben Wellenlänge. Bulgrin sagt: „Daher ist der von Herrn Dr. Sabel geäußerte Unmut über Politik und Verwaltung ein Abbild der Meinung im Kollegenkreis.“