Essen. Die schwierige Situation der Essen Bäder wirkt sich auch auf die Schwimmklubs aus. Manchmal macht Not aber auch erfinderisch: Steele-Horst trainiert in den Ferien im müsterländischen Reken.
Die jüngste Bäderposse hat hohe Wellen geschlagen, um doch noch ein Happy End zu finden: Freizeitschwimmer können über Weihnachten und Neujahr weiterhin ihre Bahnen ziehen. An der eher widrigen Situation der Schwimmvereine hingegen ändert sich wenig. „Schon seit Jahren können die Essener Schwimmklubs nicht mehr in den Ferien trainieren“, ärgert sich Björn Behle, Technischer Leiter des Schwimmvereins Steele-Horst 1919. Und hebt an zu einem garstigen Lied über Schimmel und Schmutz, knappe „Wasserzeiten“ und monströsen Reparaturstau.
Reken. Das propere Dorf im Münsterland liegt 45 Autominuten von Essen entfernt, ist - kein Scherz - schuldenfrei und besitzt ein Hallenbad, das a) prächtig in Schuss und b) für die Steeler eine echte Notlösung ist. „Seit sieben Jahren fahren wir in den Ferien dorthin, um unsere Jugend zu trainieren“, erzählt Behle.
„Ein so tolles Bad sucht man in Essen vergebens“
Letzten Monat waren sie wieder dort: mit 14 ehrgeizigen Talenten. Man kennt sich inzwischen gut. Der Schwimmmeister sperrt für die Sportfreunde aus Essen zwei Bahnen ab, morgens und nachmittags je zwei Stunden. Eine Woche lang übernachteten sie in der nahen Jugendherberge. „Ein tolles Bad, sowas sucht man in Essen vergeblich“, schwärmt Björn Behle. Und murrt: „In Essener Bädern hast du manchmal das Gefühl, gar nicht mehr in Deutschland zu sein.“
Nun, Hallen- und Freibäder sind überall Draufzahlgeschäfte. Dementsprechend groß ist die Neigung klammer Kommunen, diese lästigen Mühlsteine loszuwerden. Aber Behle, der Stadtplaner, der an der Uni Essen Geographie studiert und für seinen Master die Essener Bäder wissenschaftlich unter die Lupe genommen hat, hält dagegen: „Wenn ein Bad im Stadtteil dichtmacht, gehen die Leute nicht unbedingt woanders hin. Die meisten hören einfach auf zu schwimmen.“
Viele Aktive haben dem Verein den Rücken gekehrt
Normalerweise ziehen die „Albatrosse“ von Steele-Horst im Oststadtbad ihre Bahnen. Weil dieses bis nächsten Sommer wegen Renovierung geschlossen bleibt, müssen sie ins Haupt- und Südbad ausweichen. Mit dramatischen Folgen. „Wir haben allein dadurch schon 100 Aktive verloren“, bedauert Behle. Die Erklärung: Viele Eltern seien nicht bereit, ihre Kinder ins entfernte Hauptbad zu bringen. Was er gut nachvollziehen kann: „Das Ostbad erreiche ich zu Fuß in 5 Minuten, zum Hauptbad brauche ich im Auto 25.“
Demnächst baut die Stadt das neue Schwimmbad am Turmfeld. Doch die Freude darüber hält sich zumindest bei Behle in Grenzen. Denn dafür fielen das Hauptbad und das Krayer Bad weg - und somit Wasserfläche und die fürs Training so wichtigen „Wasserzeiten“.
Im nächsten Frühjahr geht’s für die Steeler wieder nach Reken. Ehrgeiz und Idealismus haben jedes Mal einen Preis - für den Schwimmnachwuchs wie für den Trainer. „Ich muss dafür dann wieder eine Woche Urlaub nehmen“, seufzt Björn Behle.