Essen. . Erst spielten sie Stars, nun sind sie selbst welche: Der bezaubernde Filmkalender mit Senioren-Models aus dem Revier begeistert die ganze Welt. Auf Wunsch von Fans aus Belgien, Indien oder Peru soll der Kalender mit Motiven von „Cabaret“ bis „James Bond“ jetzt nachgedruckt werden.

Auf den Ruhm hat Walter Loeser ein Leben lang warten müssen, aber nun ist er da und herzlich willkommen. „Ich bin ja froh über jede Abwechslung“, sagt der 98-Jährige, der im Seniorenstift St. Andreas in Rüttenscheid wohnt. Dort gehen dieser Tage Fernsehteams ein und aus und befragen die betagten Bewohner zu ihren Erfahrungen als Fotomodels.

Ein Kalender, der die Senioren in Filmszenen aus „James Bond“, „Frühstück bei Tiffany“ oder „Titanic“ zeigt, sorgt derzeit weltweit für Furore. Von der belgischen Zeitung De Morgen bis zum US-Nachrichtenportal Huffington Post, vom peruanischen Diario Correo bis zur englischen BBC berichten sie über die „Stars aus dem Altenheim“ – die eben noch völlig unbekannt waren. Einhelliges Urteil: Hinreißend seien die Bilder, berührend, spektakulär – und cool.

Kalenderfotos im Internet - „Die Bilder machen Mut, alt zu werden“

Die Fotomotive mit kyrillischen, hebräischen oder indischen Begleittexten werden im Internet wie verrückt geklickt und kommentiert. „Die Bilder machen Mut, alt zu werden“, heißt es da. Oder: „Eine sympathische Kampfansage an den Jugendwahn.“ Martha Bajohr, die als Cabaret-Star Sally Bowles (Liza Minnelli) posiert, bekommt das mit 77 Jahren unverhoffte Kompliment: „Du siehst heiß aus, Martha!“ Sogar Briten fragen anerkennend: „Wer hat gesagt, dass die Deutschen keinen Humor haben?“ Und viele Menschen von Auckland bis Neapel wollen einfach wissen: „Wo bekomme ich diesen Kalender?“

Filmkalender könnte verlost werden

Die Contilia GmbH verfolgt mit dem Kalender kein kommerzielles Interesse. Darum soll ein eventueller Nachdruck zum Selbstkostenpreis abgegeben oder verlost werden.

Die am Kalender beteiligten Senioren sind zwischen 75 und 98 Jahre alt – und das darf man auch sehen. Sie wurden geschminkt und eingekleidet, aber bewusst nicht auf jung getrimmt.

Das aber wird schwierig, denn die 5000 Exemplare waren nie für die Weltöffentlichkeit gedacht – sondern für die Akteure, ihre Familien und die Mitarbeiter in den Altenheimen. Die Contilia GmbH, die zehn Seniorenstifte in Essen, Mülheim, Schwelm und Gevelsberg betreibt, versucht regelmäßig, etwas Abenteuer in den Alltag der alten Leute zu bringen. Oder man erfüllt ihnen mit der Hilfe von Sponsoren Herzenswünsche wie Kreuzfahrt, Kasinobesuch und Hubschrauberflug.

Zwölf Szenen aus Filmklassikern stellten die Senioren nach

2013 bat man einige Senioren zum Fotoshooting und stellte zwölf Szenen aus Klassikern der Filmgeschichte nach; mit Kostüm, Kulisse, Maske. Als Walter Loeser sich mit Lederkombi und Fransenjacke zum Easy Rider verwandelte, stichelte ein weibliches Mit-Model: „Vor Jungs wie Ihnen hat mich meine Mutter immer gewarnt.“ Dann habe man jemanden gesucht, der ihm aufs Motorrad helfen sollte, erinnert sich der 98-Jährige: „Aber als der kam, saß ich schon drauf!“

Dass der WAZ-Bericht über den Kalender ein weltweites Echo auslösen würde, konnte Loeser so wenig ahnen, wie die Contilia, die nun über einen Nachdruck nachdenkt. Der alte Herr ist nach vielen Jahrzehnten im Ruhestand jedenfalls nicht nur für TV-Interviews zu haben: „Wenn Hollywood anruft – ich fahr’ hin!“