Essen-Schönebeck. Seit 2014 haben Essener 76 Buchen gepflanzt, die an besondere Anlässe erinnern sollen. Initiator Klaus Diekmann würde die Fläche gerne erweitern.
Wie aus einem Streit ein Wäldchen wird, das kann man im grünen Schönebeck erleben. Denn hier hat das Hochzeitswäldchen schon kräftig Blüten getrieben – nach zwei Jahren Bürger-Pflanzaktionen ist die Fläche am Brausewindhang bald voll.
„Ja, der sieht doch schon ganz prächtig aus. Und schauen Sie doch mal hier, wie gut der sich entwickelt hat.“ Wenn man mit Klaus Diekmann am Rande des Kamptals unterwegs ist, dann muss man sich auf kurze Aufmerksamkeitsspannen des Schönebeckers einstellen. Denn wenn er das Gatter vor dem ehemaligen Feldstück am Rande des Buchenwäldchens einmal hinter sich gelassen hat, dann gibt es für ihn nur noch das Hochzeitswäldchen. „Sieht doch super aus?“, fragt er dann immer wieder.
Das kommt nicht von ungefähr, schließlich ist das Wäldchen auch ein Kind von ihm. Genauer gesagt hat sein leibliches Kind, Tochter Claudia, den CDU-Ratsherrn erst so richtig für die Idee begeistert.
Stadt bietet Spaziergängern ein "Zückerchen"
Der Reihe nach: Dass alte Baumbestände in Essener Wäldern schon mal unter Spaziergängern, Dirtbikern und anderen leiden, war schon vor rund fünf Jahren kein Geheimnis. Anfang 2012 wurde dann der Hilferuf des Stadtbetriebes Grün & Gruga laut, am lautesten im Schönebecker Buchenwäldchen. Gerade hier sei der bis zu 150 Jahre alte Bestand an Rotbuchen heftigst geschädigt. Ob nun avisierte „Notfällungen“ bewusst als Schocker in Aussicht gestellt worden waren, sei einmal dahingestellt. Dass es aber allerhöchste Zeit war, die Gewohnheiten zu ändern, daran zweifelten wenige.
Trotzdem war diese Geburt eine höchst schmerzhafte. Viel Kritik musste Grün und Gruga auf Bürgerversammlungen einstecken, weil sie zum Schutz einen Zaun im Kamptal ziehen wollten. Amtsleiter Bernd Schmidt-Knoop schlug nun einen „Deal“ vor: Der Zutritt zu den gefährdeten Buchen wird verwehrt, als „Zückerchen“ für die Spaziergänger in Schönebeck und zum Schutz kauft die Stadt eine rund 1,3 Hektar große Feld-Fläche an, die direkt am Rande des Wäldchens liegt, und bepflanzt diese – zu einem Extra an Wald wollte dann doch niemand mehr nein sagen.
Die Feste feiern, wie sie fallen
Und dann kam besagte Tochter ins Spiel. Die wollte zum Anlass ihrer Hochzeit ein Erinnerungsbäumchen in Vaters Garten pflanzen. Dass dort aber kein Platz mehr war, verwundert wenig - angesichts der Tatsache, dass Klaus Diekmann seit den 1970er Jahren in Schönebeck am Aufstellen von mehreren hundert Bäumen bei Bürgeraktionen beteiligt war. „Warum kein Hochzeitswäldchen am Kamptal?“, fragten sich Vater und Tochter. Und dass der Stadtbetrieb dadurch auch noch Pflanzkosten spart, dürfte auch die Verantwortlichen von Grün und Gruga überzeugt haben.
Dies ist nun eineinhalb Jahre her. Schon zwei Mal kamen zum Frühlingsbeginn jeweils mehr als hundert Besucher, um die Bäume in die Erde zu setzen. „Die Gründe waren ganz unterschiedlich“, berichtet Diekmann. Die Geburt des Sohnes, die Einschulung der Tochter, ein beruflicher Erfolg, der 90. Geburtstag oder tatsächlich die Hochzeit: Die Feste werden gefeiert, wie sie fallen – oder eben nicht, denn viele der Pflanzer, die zum größten Teil die Bäume selbst setzen, verzichteten auf Feiern und Feste. „Mir ist es lieber, auf diese Art etwas Sinnvolles zu tun, als das Geld für eine Feier zu verplempern“, kommentierte der damals 92-jährige Werner Neumann anlässlich der Aktion 2014. Er hatte mit Gattin Marianne gerade die Eiserne Hochzeit für 65 Jahre Eheleben begangen.
Ausweitung könnte klappen
Auf ein Schildchen haben die beiden, wie viele andere, verzichtet. Das kann man für 20 Euro extra bestellen, eine Rotbuche kostet 70 Euro. „Die ordern wir vor der Pflanzaktion bei einer Baumschule. Gesammelt werden die Wünsche aber das ganze Jahr über“, berichtet Klaus Diekmann.
Doch lange währt der Spaß nicht mehr. Mit mittlerweile 76 Bäumen ist die Fläche zu mehr als zwei Dritteln voll. „Ich denke, wir können noch einmal pflanzen, dann ist Schluss“, sagt der Schönebecker. Oder er findet Gehör für eine Ausweitung des Hochzeitswäldchens, denn ein Wiesenstück will sich Grün und Gruga vorbehalten, hat hier schon einige Bäume gepflanzt. So oder so: Wenn die noch jungen Bäume in schätzungsweise vier Jahren etwas stattlicher geworden sind, wird man sehen können, wie aus einem Streit ein Wäldchen geworden ist.