Essen. Das Interview des Karnaper Ratsherrn Guido Reil (SPD) zur Flüchtlingskrise stößt auf Widerspruch in der eigenen Partei. Die Essener SPD-Spitze distanziert sich.
Schaffen wir in Essen „das“ mit den Flüchtlingen, oder scheitern wir beim Versuch? Nicht nur in der Bevölkerung, auch innerhalb der SPD hat diese Frage eine lautstarke, kontroverse Debatte ausgelöst, und nicht etwa, weil die Bundeskanzlerin unermüdlich beteuert „Wir schaffen das“, sondern weil Guido Reil aus Essen-Karnap, ein Sozialdemokrat aus der zweiten Reihe im Rat, jetzt im Interview den dramatischen Appell nach innen und nach außen richtete: „Wir schaffen das nicht.“
Von den Jungsozialisten musste sich der robuste Ortspolitiker daraufhin sagen lassen, seine Äußerungen seien „abwertend und anmaßend“. Und auch der örtliche Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut warf Reil vor, außer einem allgemeinen Bejammern, garniert mit einer „gehörigen Portion Fremdenfeindlichkeit“, habe Reil in dem Interview nichts zu bieten: „Bei allem Verständnis dafür, dass man Probleme klar beim Namen nennen soll“, so Heidenblut im sozialen Netzwerk Facebook, „und gerade weil ich durchaus zu denen gehöre, die nicht glauben, dass es einfach wird und die ein schlichtes ,Wir schaffen das’ ohne jedes ,Wie’ für keine angemessene Politik halten – das ebenso schlichte ,Wir schaffen das nicht’ ist es auch nicht. Und Menschen wegen ihrer Herkunft abzuwerten, ist unterirdisch.“
Interview war ein Alleingang Reils
Nicht ganz so geharnischt fiel am Montagnachmittag eine gemeinsame Stellungnahme der sozialdemokratischen Frontleute von Partei und Ratsfraktion aus: „Wer sagt, dass wir es nicht schaffen, gibt Integration auf“, formulierten dort Britta Altenkamp und Rainer Marschan und distanzierten sich damit spürbar von Reil, mit dem man zuvor das Gespräch gesucht hatte. Grund: Das Interview war ein Alleingang Reils, nicht abgesprochen mit irgendwem bei den Spitzengenossen.
Dass der 45-Jährige mit seiner skeptischen Haltung womöglich dennoch mehr Rückhalt in der Partei hat, als mancher wahrhaben will, mag man aus dem Umstand ablesen, dass die zunächst – wie sonst üblich – für die gesamte SPD formulierte Kritik von den Chefs in Partei und Fraktion später sicherheitshalber nur als deren persönliche Meinung qualifiziert wurde.
Offenbar hatte es in der gut besuchten Vorstandssitzung der SPD Signale gegeben, dass man diesmal nichts ohne ausführliche Diskussion abnicken wollte. Denn auch dies stand ja drin: „Wir halten nichts davon, etwas unter den Teppich zu kehren.“