„Die traditionelle deutsche Gaststätten-Kultur stirbt aus“
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Essen.. Aperol-Spritz statt Herrengedeck, edle Lederlounges statt gepolsterter Holzstühle: Die traditionelle Gaststättenkultur stirbt aus, das ist in allen deutschen Städten zu beobachten. Muss an der Essener Kneipenmeile Rü demnächst ein (Stammtischkultur-)Schutzgebiet eingerichtet werden?
Aperol-Spritz statt Samtkragen, edle Ledersofas in Alt-Rosé statt rustikaler Holzstühle mit Polsterbezug: An das Traditionshaus Reppekus erinnern im frisch eröffneten, edlen Zizou allenfalls noch die rudimentär erhaltenen Buntglasfenster im Eingangsbereich und die sanierte Kegelbahn im Keller.
Die ehemalige Wirtin Petra Benders ist zwar „ganz begeistert“. Etwas Wehmut verspüre sie aber „natürlich“, wenn sie an ihre alt eingesessene Gaststätte denkt, für die sich kein Nachfolger mehr finden ließ. Damit ist das Reppekus kein Einzelfall. Auch die einstige Vadder-Kneipe „Uhr“ wich - nachdem die Räume lange leer standen - dem weichgepolsterten Cocktail-Chichi der Fcuk Yoga Bar. Müssen alteingesessene Kneipen demnächst zum (Stammtischkultur-)Schutzgebiet erklärt werden?
Historisches Rüttenscheid
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Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Dass die Rü in Sachen Szene-Gastronomie in den vergangenen zehn Jahren gewaltig aufgeholt hat, ist für alle eine Bereicherung. Die Bandbreite ist riesig, wer Freunde aus Hamburg oder Berlin beherbergt, der muss sich weiß Gott nicht schämen, wenn er irgendwo ein „angesagtes“ Bier trinken gehen möchte. Aber will man das immer?
„Mittlerweile ist man als Gastronom zu einem Konzept verpflichtet“
Klaus Kattenbracker führt seit 2003 das Wirtshaus Rü. Draußen wirbt er auf einem Schild für deftigen Sauerbraten, drinnen lassen sich ein paar ältere Herren am Tresen ihr Bierchen schmecken, während im Hintergrund das Champions League-Spiel läuft. Klaus Kattenbracker mag nichts beschönigen: „Die traditionelle deutsche Gaststätte stirbt aus“, sagt er und der Satz hängt wie ein Damoklesschwert über der gold glänzenden Zapfsäule.
Die Begründung liegt für Kattenbracker auf der Hand - die Ausgeh-Kultur habe sich einfach geändert. „Mittlerweile ist man als Gastronom zu einem Konzept verpflichtet“, sagt Kattenbracker. Frühschoppen, Skat spielen, Knobeln und - was für den langjährigen Wirt noch wichtiger ist - die Gaststätte als Treffpunkt der Nachbarschaft, das alles reiche nicht mehr aus.
„Es ist eine Tradition, die zu Ende geht“, bedauert er. Kattenbracker, dem das Gastronomiegewerbe von seinen Eltern schon in die Wiege gelegt wurde, will sich aber nicht unterkriegen lassen und eben jenes Stück deutscher Feierabend-Kultur selbst zu Grabe tragen. Bis zur Rente, sagt er, wolle er sein Wirtshaus weiterführen. Das sei er der Schnitzel-Generation schuldig, wie der 55-Jährige mit einem Schmunzeln hinzufügt und meint damit jene, denen die bodenständige deutsche Küche, ein frisch Gezapftes, gute Gespräche und ein Quäntchen Würfelglück völlig ausreichen.
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