Hörde.. Eckkneipen wie die „Kümmelecke“ an der Hermannstraße waren einmal kleine Bastionen der örtlichen Gemeinschaft. Hier kam man zusammen, zechte und klönte. Doch das Geschäft wird schwieriger, die „Kümmelecke“ schließt.

Wer die schwere Eichentür aufstößt, öffnet das Tor zu einer fremden Welt. Eine Welt, die vielen erst mit den Jahren fremd geworden ist und die mal zu Hörde gehörte wie die Schaumkrone aufs Pils. Eine Welt, die nach Rauch riecht und nach kalten Frikadellen, die nach Frischgezapftem und Klarem schmeckt, die sich anfühlt wie das handwarme Leder der Würfelbecher.

Eckkneipen wie die „Kümmelecke“ in der Hermannstraße waren einmal kleine Bastionen der örtlichen Gemeinschaft. Hier kam man zusammen, zechte und klönte. Der Angestellte der nahen Sparkasse, der Stahlarbeiter von Hoesch, der Vorort-Politiker und der unvermeidliche Trinker. Heute wird dieses Bild romantisch verklärt. Wohl auch, weil diese Tage unwiederbringlich vorbei sind. Die Zeit der Eckkneipe läuft ab, „Kneipensterben“ heißt das dann.

Am heutigen Dienstag ist mit der „Kümmelecke“ eine der letzten Eckkneipen in Hörde gestorben. Bezeichnenderweise eine Kneipe mit jahrzehntelanger Tradition und direktem Blick auf den fast fertigen neuen Hörder Bahnhof.

Da sieht man sie, die beiden Seiten des Wandels in Hörde: Das Neue, das Moderne kommt, während das Alte, das Eingesessene geht. Letztlich ging es nicht mehr anders: „Das Geschäft hat sich einfach nicht mehr gerechnet“, sagt Besitzer Frank Lingenhoff. Zu hoch seien Pacht sowie Personal- und Nebenkosten zuletzt gewesen. Er hat lange mit sich gerungen: „Die Entscheidung aufzugeben, ist mir nicht leichtgefallen.“

Sie fällt auch anderen nicht leicht: Ein Stammgast appellierte an Lingenhoffs „soziale Ader“. Man könne ihm doch nicht „das Zuhause wegnehmen“. Das mag übertrieben klingen, aber für viele ist die Stammkneipe noch immer ein Rückzugsort. Denn auf die „Kümmelecke“ konnte man sich in Hörde immer einigen, galt hier doch stets das Motto „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“ Nur kamen am Ende wohl nicht mehr genug Menschen: „Allein in den letzten Jahren sind mir acht Stammgäste weggestorben“, sagt Frank Lingenhoff. Voll war die Kneipe nur, wenn der BVB spielte. Dann aber richtig: Keine der knorrigen Kellnerinnen wie Uschi oder Mandy schaffte es dann, sich eine Schneise durch die Menge der Jubelnden zu schlagen. Und manchmal standen am Ende des Abends die Leute – und nicht die Stühle – auf den Tischen. Nun werden die letzten Liter mit den Stammgästen vernichtet und anschließend die Zapfhähne nach oben gedreht.

Wie es weitergeht, das wissen weder Frank Lingenhoff noch seine Gäste, von denen viele hoffen, es möge bald ein neuer Pächter einziehen. Doch daran glauben die wenigsten: „Die Kümmelecke wird schon bald wieder aufmachen“, sagt ein Gast mit Grabesstimme und einem Gesicht, das Schlimmeres erlebt haben muss als den Verlust seiner Stammkneipe: „Und dann schütten wir einfach den Phoenix-See wieder zu und Hoesch kommt nach Hörde zurück.“