Essen.. Der Essener Historiker Karsten Plewnia hat zusammen mit 16 Studenten der Düsseldorfer Heine-Universität einen virtuellen Friedhofsführer ins Netz gestellt. Dieser erinnert nicht nur an die Krupps und Grillos, sondern auch an weniger bekannte Persönlichkeiten wie die Pilotin Thea Rasche.

Der Friedhof Bredeney: An diesem Dienstagmorgen scheint die Besucher hier nur eines zu interessieren: das frische Grab von Discounter-König Karl Albrecht. Selbst an der Gruft seines Bruders Theo („Aldi Nord“) nahe dem Haupteingang hasten die Neugierigen eilig vorbei. Nur wenige Meter weiter ruht - weitgehend unbeachtet - eine fast vergessene Prominente: die Pilotin Thea Rasche (1899 - 1971), die erste deutsche Kunstfliegerin, die als „The Flying Fräulein“ internationale Berühmtheit erlangte.

Der Essener Historiker und Museumspädagoge Karsten Plewnia hebt das Grab der tollkühnen und leidenschaftlichen Flug-Pionierin gern hervor. Er hat es auch in den virtuellen Friedhofsführer eingetragen, der jetzt online gegangen ist.

Die Namen von insgesamt 60 bekannten Essenern finden sich auf dieser unvollständigen Liste des Essener Friedhof-Guides wieder. Und es sind eben nicht nur die Allerberühmtesten wie etwa die Krupps und Kopstadts, die Grillos und Huyssens, an die erinnert wird. „Unser wichtigstes Kriterium war, dass diese Persönlichkeiten etwas für ihre Heimatstadt Essen geleistet haben“, betont Plewnia. Das bedeute im Umkehrschluss, dass Nazi-Größen wie etwa der Essener Gauleiter Josef Terboven natürlich keinerlei Chance haben, in den Friedhofsguide aufgenommen zu werden. „Umso mehr haben wir uns bemüht, auf bekannte Frauen hinzuweisen.“

Ergebnis kann sich sehen lassen

Wir - das sind Karsten Plewnia, der Lehrbeauftragte am Historischen Seminar der Düsseldorfer Heine-Universität, und seine 16 Studenten. Letztere haben in Firmen-, Zeitungs- und Stadtarchiven gestöbert sowie Angehörige interviewt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit Hilfe der „Suche“-Funktion wirft der virtuelle Friedhofsführer nach wenigen Mausklicks heraus, was geschichtsinteressierte Besucher für ihre Friedhofs-Spaziergänge benötigen: das Bild des jeweiligen Prominenten, seinen Lebenslauf, Literaturhinweise und - besonders wichtig - die exakte Lage des Grabes - und das alles bequem ausdruckbar.

Rasche-Gruft wurde 2008 zum "Ehrengrab"

Thea Rasche zählte in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu den bekanntesten Pilotinnen der Welt. Sie war eine Berühmtheit in Deutschland, wo sie mit den Flieger-Assen Ernst Udet und Paul Bäumer Flugtage veranstaltete, und sie war ein Star in den USA, wo ihr sogar im Weißen Haus der rote Teppich ausgerollt wurde. Um ein Haar hätte sie sogar als erste Frau der Welt den Atlantischen Ozean überflogen.

Nun, ihrem strengen Vater Wilhelm Rasche, dem Direktor der Essener Actien-Brauerei, sollte die Flugleidenschaft der eigenwilligen Tochter stets ein Dorn im Auge bleiben. Eine Vater-Tochter-Beziehung, die reich an Zerwürfnissen war. Und trotzdem: Am Ende fanden sich alle in der Familiengruft in Bredeney wieder - auch die beiden im Ersten Weltkrieg gefallenen Brüder, an die ein imposantes Eisernes Kreuz erinnert. 2008 hat der Stadtrat die Rasche-Gruft zu einem „Ehrengrab“ hochgestuft.

Karsten Plewnia will den virtuellen Friedhofsführer, der sich nur auf die vier städtischen Friedhöfe Bredeney, Park-, Ost- und Südwestfriedhof beschränkt und die nach 2012 Verstorbenen noch nicht berücksichtigt, als einen Grundstein verstanden wissen: „Es wäre wunderbar, wenn dieser Friedhofsführer in Zukunft überarbeitet und ständig erweitert werden würde.“