Essen. In Essen gibt es pro 100.000 Einwohner elf Psychotherapeuten – mehr als drei Mal so hoch ist der Versorgungsschlüssel in Düsseldorf. Dabei sind in Essen nicht weniger Menschen krank als in der Landeshauptstadt – nur sind die Wartezeiten auf eine therapeutische Versorgung erheblich länger.

Auf der Suche nach dem Grund für den Psychotherapeuten-Mangel in Essen muss man weit zurück blicken; in den 80er Jahren - mit aufkommender Ärzteschwemme - galt das Gebot der Kostenminimierung. Damals wurde das Ruhrgebiet als Sonderregion ausgewiesen und entsprechend der Therapeutenschlüssel reduziert – woran man bis heute festhält. Langfristig, so betont Bernhard Brautmeier, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, soll der Versorgungsschlüssel für das Ruhrgebiet verbessert werden. Doch dazu müssen Gesetze geändert werden, weswegen mit kurzfristiger Entspannung nicht zu rechnen ist.

Sechs bis acht Monate Wartezeit

Sechs bis acht Monate Wartezeit auf einen Therapieplatz nennt der Sozialausschuss der Stadt Essen in einer Verwaltungsvorlage als realistisch. „Folgen dieser generellen Unterversorgung der Bevölkerung seien vor allem individuelles Leid, Chronifizierung der Erkrankungen, Drehtüreffekte zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, lange Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie steigende Berentungen durch Arbeits- und Berufsunfähigkeit“, heißt es in der Vorlage des Sozialdezernenten Peter Renzel weiter.

Dabei kann ein schneller Therapiebeginn, so betont der Direktor der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Professor Wolfgang Senf, die Chronifizierung etwa des Burnout-Syndroms verhindern. „Zwei bis drei Sitzungen reichen häufig schon, um den Menschen den schlimmsten Leidensdruck zu nehmen“, so Senf.

Wartezeiten sorgen häufig für Verschlechterung

Doch die langen Wartezeiten sorgen häufig für eine Verschlechterung – und finanzielle Einbußen. „Nach sechs Wochen setzt das Krankengeld ein“, sagt die Essener Therapeutin Traudel Eggenstein. Kosten in fünfstelliger Höhe müssten Krankenkassen hierfür zahlen, „und nicht zu vergessen die Therapie, die mit durchschnittlich 50 Stunden à 100 Euro zu Buche schlägt“, sagt Eggenstein. Doch wenn die therapeutische Versorgungssituation in Essen so schlecht sei – „warum zahlen Kassen nicht lieber für einen Therapeuten ohne Kassenzulassung? Der Erfolg bei Burnout-Patienten stellt sich meist ziemlich schnell ein und unter dem Strich sparen die Krankenkassen pro Patient tausende Euro.“

Eggenstein versuche, binnen weniger Tage auch zu unkonventionellen Zeiten Erstgespräche zu ermöglichen, „meist biete ich dann direkt eine Doppelstunde an.“ Ein weiterer Baustein im Therapiekonzept der Frau, die sich auf die Behandlung des Burnout-Syndroms spezialisierte. „Ich biete einwöchige Fahrten an. Fernab vom Stress und den alltäglichen Verpflichtungen kann man viel intensiver und dennoch entspannter arbeiten. Häufig reicht das aus und weitere Sitzungen sind gar nicht nötig.“

Patient sollte Kontakt zur Krankenkasse aufnehmen

Ihre Rechnung legte Eggenstein Krankenkassen vor, einige ließen sich überzeugen, übernehmen die Kosten für die Behandlung bei der Therapeutin, die über keine Kassenzulassung verfügt. Andere Versicherer, wie die AOK, richteten einen Schwerpunkt-Service ein. „Dort kann man anrufen, wenn man keinen Therapeuten findet, der einen schnellen Termin anbieten kann“, sagt AOK-Regionaldirektor Oliver Hartmann.

Ließe sich binnen drei Tagen kein Termin für ein Erstgespräch finden, übernehme man auch Kosten für private Therapeuten, ähnlich handhabt es die Barmer GEK. „Wichtig ist allerdings, dass die Patienten erst Kontakt zu uns aufnehmen. Es geht nicht, dass jemand einen privaten Therapeuten beauftragt und uns hinterher die Rechnung schickt, wenn das vorher nicht abgesprochen war.“ Ausnahmeregelungen, die viele psychisch Erkrankte aufgrund des massiven Leidensdrucks für sich nicht durchsetzen können.

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