Essen..
Reges Interesse herrschte am zweiten WAZ Medizinforum: Weit über 300 Leute füllten am Dienstagabend den RWE-Pavillon der Philharmonie, um direkt aus Expertenmund mehr zum Thema Depression zu erfahren.
„Die große Resonanz zeigt, dass das Thema viele Menschen beschäftigt“, so Professor Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen. „Und zwar nicht nur, weil es so viele Betroffene gibt, sondern weil man sich nie ganz sicher sein kann, ob es, wenn man Traurigkeit oder Ähnliches empfindet, nur ein Durchhänger ist oder schon eine Depression.“ Nicht zuletzt der Freitod des Fußballprofis Robert Enke hätte viele für dieses Thema sensibilisiert.
Claudia Pospieszny, Lokalredakteurin der Essener WAZ, begrüßte namhafte Gäste zu der Podiumsdiskussion. So erläuterte Professor Wolfgang Senf, dass ein Burnout nicht automatisch in eine Depression führen müsse - auch wenn die Symptome erstmal durchaus gleich sind. „Man ist erschöpft, depressiv verstimmt, kann nicht schlafen, muss ständig grübeln, hat kein Selbstvertrauen mehr“, zählt der Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum Essen, Kliniken und Institut der Universität Duisburg-Essen, auf.
„Wir sprechen lieber von Anpassungsstörungen"
Ein Burnout jedoch könne völlig gesunde Menschen treffen, stellt er fest - wobei sich Senf gegen den Begriff „Burnout“ wehre, der medizinisch auch nicht anerkannt sei. „Wir sprechen lieber von Anpassungsstörungen.“ Das Leben bestehe aus ständiger Bewältigung von Anforderungen, stellt Senf fest. Äußere Umstände könnten dafür sorgen, dass diese Anforderungen unbemerkt anwachsen. „Oft erkennt man die Ursache dafür nicht und sucht die Schuld bei sich selbst“, erläutert Senf. „Immer häufiger trifft das begabte, gesunde Menschen.“
Jedoch seien Anpassungsstörungen wesentlich einfacher zu behandeln als Depressionen: „Sie müssen nur sehr schnell und sicher diagnostiziert werden.“
Auch eine Depression könne jeden treffen, unterstreicht Professor Jens Wiltfang, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am LVR-Kilnikum Essen. Auch hier sei Früherkennung der beste Weg zu einer guten Prognose, jedoch: „Betroffene empfinden ihre Erkrankung oft als persönliches Versagen und schämen sich, zum Arzt zu gehen.“ Auch das persönliche Umfeld reagiere häufig mit Unverständnis. Hinzu komme das Problem, das Hausärzte die Depression in mehr als 50 Prozent der Fälle nicht erkennen würden. Vorsicht sei auf alle Fälle geboten, denn Depressive hätten ein 30-fach höheres Suizid-Risiko.
"Essener Bündnis gegen Depression" hilft Betroffenen
Fachärztin Dr. Ute Fiedler stellte Therapiemöglichkeiten vor: Die drei Säulen bestünden aus Aufklärung samt Einbindung von Angehörigen Medikamenten, vornehmlich Antidepressiva, sowie Psychotherapie.
In einem Talk berichtete zudem Jane Splett-Bambynek aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz: Die Kaufmännische Direktorin am LVR-Klinikum Essen war selbst an einer Depression erkrankt, hatte jedoch Glück: „Mein Hausarzt hat das früh erkannt und die Kollegen haben mich sehr unterstützt.“ Jedoch habe sie viele Betroffene kennen gelernt, denen nicht so schnell geholfen werden konnte: Dies habe sie dazu veranlasst, das „Essener Bündnis gegen Depression“ zu gründen – damit will sie anderen Betroffenen helfen.