Essen.. Eine wissenschaftliche Studie hat das Image von Rot-Weiß Essen untersucht. Der Autor rückt dabei so manches Vorurteil über RWE gerade: Der durchschnittliche RWE-Fan ist demnach 35 Jahre alt und verfügt über eine gute Bildung.
Dass Geld Tore schießt, wie es Otto Rehhagel einmal formulierte - diese These haben sie ausgerechnet bei seinem Heimatverein Rot-Weiß Essen eindrucksvoll widerlegt. Trotz, oder besser wegen eines zweitligareifen Etats fand sich der Traditionsverein am Ende der vergangenen Saison in der Insolvenz wieder. Für die treuen Fans ein Alptraum, aus dem sie in der fünften Liga wieder erwachten. Dort bemühte RWE einmal mehr den „Mythos Hafenstraße“. Mit Erfolg. Was auch immer sich dahinter verbergen mag, irgendetwas muss ja dran sein. Warum sonst pilgerten bislang mehr als 100.000 Zuschauer ins marode Georg-Melches-Stadion?
Was unterscheidet diesen Fußballverein von anderen?
Der Zuspruch der Fans ist ein Pfund, mit dem die Verantwortlichen des Clubs nicht zuletzt bei Sponsoren wuchern wollen. Was aber macht RWE aus? Was unterscheidet diesen Fußballverein von anderen? Und wie lässt sich das vermeintlich Besondere vermarkten? Marvin Karczewski, Diplom-Ökonom und Doktorand am Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, ist diesen Fragen im Rahmen seiner Doktorarbeit nachgegangen und hat dabei Überraschendes erfahren. Mit so manchem Vorurteil über RWE räumt der Wissenschaftler jedenfalls auf.
Karczewski hat per Internet Fußballfans befragt, 6114 machten mit, 863 davon Anhänger von RWE. Karczewski wollte wissen, welche Eigenschaften sie mit ihrem Verein verbinden. Weil Fans das Image eines Vereines mitprägen, ist interessant zu erfahren, wer sich dahinter verbirgt.
Der durchschnittliche RWE-Fan ist demnach 35 Jahre alt, er wohnt eher im Süden der Stadt, verfügt über eine gute Bildung, hat oft das Fachabitur oder das Abitur in der Tasche. Er besucht 20 Spiele pro Saison und gibt pro Spielzeit fast 400 Euro für seinen Verein aus. Ja, entgegen der weit verbreiteten Meinung ist RWE nicht nur ein Verein des Essener Nordens. Traditionell ist der Club zwar dort verwurzelt, doch nur 30 Prozent der Fans sind im Norden zu Hause, 70 Prozent wohnen hingegen im Süden oder jenseits der Stadtgrenzen. „In dieser Deutlichkeit hat uns das überrascht“, räumt auch RWE-Vorstand Michael Welling ein.
Aus Sicht der Fans
Das im Zuge der Stadiondebatte häufig angeführte Argument, die Stadt müsse endlich auch etwas für den Norden tun, greift im Rückblick betrachtet also eindeutig zu kurz. Andererseits darf die soziale Funktion, die dem Verein häufig zugesprochen wird, nicht überhöht werden. Rot-Weiß Essen ist nicht ein Club der Zukurzgekommenen.
Die Erhebung sei nicht repräsentativ, schränkt Marvin Karczewski ein, in Anbetracht der hohen Beteiligung von RWE-Fans sei sie aber allemal so aussagekräftig, dass sich daraus fundierte Rückschlüsse ziehen ließen.
Wahnsinn RWE
Was macht das Image von RWE aus Sicht der Fans nun aus? Die Anhänger verbinden mit ihrem Club vor allem Eigenschaften wie „traditionsreich“, „authentisch“, „einzigartig“ „kämpferisch“, „leidenschaftlich“ und „faszinierend“. In diesen Kategorien erhält RWE durchweg die höchste Zustimmung. Die geringste gibt’s von den Fans für die Eigenschaft „Solidität“. Keine Überraschung. Das Finanzgebaren früherer Jahre, wo sie an der Hafenstraße das Geld mit vollen Händen ausgaben, wirkt nach.
Wie aber unterschiedet sich RWE von anderen Vereinen, zumal im Ruhrgebiet, das Karczewski fußballerisch treffend mit einem Haifischbecken vergleicht? Mehr noch: Lässt sich das Image versilbern?
Dass einst WM-Held Helmuth Rahn die Fußballstiefel an der Hafenstraße geschnürt hat, sei jedenfalls ein Geschenk, um das jeder andere Club RWE beneiden darf, sagt Karczewski. Aber Tradition schießt keine Tore. Auch das eine Binsenweisheit, für die sich in der Nachbarschaft Belege finden lassen: Westfalia Herne, der SV Sodingen...
Tradition und Tore
Ohne sportliche Erfolg, und sei es nur ein Aufstieg in die vierte Liga wie er RWE jetzt gelungen ist, lasse die Bindungskraft von Tradition auf Dauer eben nach, weiß Karczewskis Doktorvater Professor Tobias Kollmann.
Und: Tradition kann sogar schaden. Bei RWE habe das Beschwören vergangener Erfolge viel zu lange den Blick, auf das sportlich und finanziell Machbare verstellt, gibt Welling zu bedenken.
Rot-Weiß Essen hat die Kurve noch einmal gekriegt. Die herausgearbeiteten Imageprofile will Vereinschef Michael Welling schärfen. Mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren seien RWE-Fans doch die ideale, weil zahlungskräftige Zielgruppe, sagt der Marketingexperte augenzwinkernd an die Adresse potenzieller Sponsoren. Am Ende trifft wohl Kollmanns Erkenntnis: „Geld schießt zwar keine Tore, aber es erleichtert die Sache ungemein.“