Essen. Ein Jahr nachdem gewalttätige Übergriffe in Asylheimen bekannt wurden, müssen sich fünf frühere Wachleute vor dem Amtsgericht Essen verantworten.
Als der damals 17-jährige Fuad vor einem Jahr nach Essen kam, hatte er schon eine Odyssee hinter sich. Mit acht war der Berberjunge aus den Drogenslums in Marokko geflohen, hatte sich in den folgenden Jahren allein in Südeuropa durchgeschlagen. Im Opti-Park an der Altendorfer Straße hoffte er, eine Zuflucht zu finden – und erlebte neue Gewalt. Wenn das Amtsgericht Essen vom heutigen Donnerstag an gegen fünf frühere Wachleute aus der Asyleinrichtung verhandelt, wird Fuad Nebenkläger sein.
„Der Junge hat Todesängste ausgestanden“, sagt Ratsfrau Anabel Jujol, die ihn ermutigt hatte, Anzeige zu erstatten. Am Abend des 19. Septembers 2014 habe er sich im Gang des Heimes aufgehalten und geweigert, auf sein Zimmer zu gehen. Da habe das Wachpersonal ihn nach draußen in den Regen geschickt. Als ihn andere Bewohner ins Haus winkten und in ihrem Zimmer aufnahmen, seien drei der Securitys in den Raum gekommen und hätten Fuad und zwei andere Flüchtlinge angegriffen, getreten, ihn die Treppe heruntergeprügelt.
Mehrere Attacken auf Flüchtlinge
„Er sagte, er sei wie ein räudiger Hund geschlagen worden“, erzählt Jujol. Vor einem Jahr habe kaum jemand die Übergriffe in der Landesunterkunft im Essener Opti-Park wahrhaben wollen, auch darum sei sie froh, dass es – nachdem drei Verfahren eingestellt wurden – doch noch zum Prozess komme. Dabei geht es nicht nur um den Vorfall im Zimmer: Vorher am selben Abend sollen die drei Security-Leute einen Flüchtling geschlagen und getreten haben, der um Essen gebeten hatte.
Zudem sollen zwei dieser Wachleute am Folgetag zusammen mit zwei weiteren Kollegen erneut einen Bewohner attackiert haben. Er hatte außerhalb der Kantinenzeit um Kaffee gebeten und sich beschweren wollen, als er diesen nicht erhielt. Die vier Securitys sollen ihn dann mit der Behauptung, nun gebe es Kaffee, in die Küche gelockt haben – nur um ihn dort mit Tritten und Schlägen zu traktieren.
Schock und Schmerz sitzen tief
Dies wird nun als „hinterlistiger Überfall mit anderen Beteiligten“ gewertet. In beiden Fällen geht es um „gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung“ – auf die steht eine Mindeststrafe von sechs Monaten. Dass die Höchststrafe von zehn Jahren ausgesprochen wird, ist unwahrscheinlich: Das Amtsgericht kann nur Strafen bis zu vier Jahren verhängen, erklärt Gerichts-Sprecher Michael Schütz. Das Strafmaß hänge letztlich auch von möglichen Vorstrafen der Angeklagten ab. Die insgesamt fünf Beschuldigten haben unterschiedliche Nationalitäten, sind zwischen 22 und 36 Jahre alt; keiner von ihnen ist in U-Haft. Vier von ihnen haben einen Pflichtverteidiger, nur einer kann den Rechtsbeistand selbst zahlen. Angesetzt sind drei Verhandlungstage.
Anwältin Christina Worm, die den jungen Nebenkläger Fuad vertritt, geht es nicht so sehr um ein besonders hohes Strafmaß, sondern um das Rechtsgefühl ihres Mandanten – und anderer Flüchtlinge hierzulande. Die körperlichen Verletzungen seien eher geringfügig gewesen, Schock und Schmerz aber sitzen tief. Eines der Opfer verließ Deutschland; und Fuad, der in jetzt einem Asylheim in Wülfrath wohnt, hatte erst Angst vor den Ermittlungsbehörden. „Der Prozess kann ein Signal sein“, hofft Christina Worm, „dass sich die Opfer hier sicher fühlen dürfen.“