Duisburg. Wie Asylbewerber untergebracht sind: In einer kleinen Schul-Turnhalle leben insgesamt 75 Menschen, darunter Familien mit Kindern - für mehrere Monate.
Die eigenen vier Wände bestehen aus Bettlaken: Sie sind an einer Schnur zwischen Besenstielen aufgehängt und sollen so etwas schaffen wie Privatsphäre. Direkt hinter dem dünnen Stoff hat sich die nächste Familie auf wenigen Quadratmetern eingerichtet.
75 Asylbewerber sind in der kleinen Turnhalle der Grundschule Werthauser Straße untergebracht, es sind ganze Familien, die hier für Monate leben. 75 Menschen auf engstem Raum, das ist die maximale Belegung, die nach den Brandschutzrichtlinien möglich ist. Es ist die vergleichsweise schlechteste Art der Unterbringung, eine Notlösung für den Obdach von Flüchtlingen, die auch die Not der Stadt Duisburg dokumentiert.
Asylbewerber in Turnhallen - Stadt Duisburg sieht keine Alternative
„Die Turnhallen sind das erste, was ich auflösen würde, wenn ich die Möglichkeit hätte. Aber wir haben eben im Moment keine andere Möglichkeit“, sagt die Sozialamtsleiterin Andrea Bestgen. 2500 Flüchtlinge hat die Stadt derzeit untergebracht, die 800 Plätze im Landesasyl in Neumühl nicht mitgerechnet. Laut Prognosen kommen bis Jahresende 3000 weitere Asylbewerber, die Sozialamtsleiterin rechnet dann mit einem Stand von rund 4000.
Doch wohin mit dem Zustrom? Der Bau neuer Unterkünfte dauert. „Das einzige, was uns derzeit noch weiterhilft, sind Wohnungen“, sagt Bestgen. Über 500 davon hat die Stadt schon beschlagnahmt, sie reichen für 1200 Personen. Flüchtlinge, die aus einer Erstunterkunft des Landes nach Duisburg zugewiesen werden, erhalten im Sozialamt eine Krankenkarte, Schecks, und werden mit einem Taxi zur Wohnung gefahren. Doch auch die Wohnungen müssen hergerichtet und möbliert werden. „Vor allem müssen die Menschen dort auch betreut werden. Bei diesem Umfang schaffen wir das nicht mehr.“
Zeltstadt für Asylbewerber in Duisburg blieb ungenutzt
Eine Alternative: Turnhallen, die in wenigen Wochen hergerichtet sind. Die ehemalige Rheinhauser Grundschule, 2012 aufgelöst, war die erste Turnhalle, die die Stadt im Herbst 2014 nach dem Abbau der ungenutzten Zeltstadt zur Notunterkunft hergerichtet hat. In dem Gang zur Sporthalle hängt noch das Bild einer Judo-Kindergruppe, die Umkleiden und Waschräume dienen als Gemeinschaftsdusche, gekocht wird in einer Gemeinschaftsküche, mit zehn Backöfen und zehn Spülen.
Wer schon länger in der Turnhalle lebt, darf in das seit Februar umgebaute Schulgebäude umziehen, sobald dort ein Platz frei wird. Ein bis zwei Familien, rund sieben bis acht Personen, teilen sich einen Klassenraum. „Die Asylbewerber achten selbst auf die Reihenfolge. Das System funktioniert recht gut“, sagt Heimleiterin Andrea Ortmann. Dennoch: Manche Familien leben seit Monaten in der Halle. Stress gebe es aber nur selten. „Dafür, dass hier insgesamt 190 Menschen untergebracht sind, ist die Stimmung friedlich“, sagt Ortmann. Von 8 bis 16 Uhr ist sie mit einem Mitarbeiter vor Ort, danach übernehmen zwei Wachleute der DVV-Tochterfirma „Octeo“.
Die Hälfte der Flüchtlinge ist jünger als 18 Jahre, 21 sind Kleinkinder. Zweimal die Woche gibt es Sprachunterricht. Die meisten Asylbewerber kommen aus Balkan-Ländern wie Serbien, Mazedonien oder Albanien, die Zahl der Kriegsflüchtlinge aus Syrien beläuft sich auf acht.
Betroffen über schwere Vorwürfe
Im Schnitt dauert es rund sieben Monate bis das Bundesamt über einen Asylantrag entscheidet, künftig sollen es fünf Monate sein. Doch nur rund zehn Prozent der Anträge haben überhaupt Aussicht auf Erfolg. Wer eine Bewilligung erhält, bezieht Sozialleistungen, das Sozialamt vermittelt eine Wohnung. Bei einer drohenden Ablehnung kommen viele der Abschiebung zuvor, in dem sie vorher freiwillig die Heimreise antreten. Damit bleibt die Möglichkeit erhalten, erneut einen Asylantrag zu stellen.
Über die adäquate Unterbringung wird seit langem diskutiert, zuletzt geriet dabei auch Duisburg mit der Unterkunft an der Werthauser Straße in den Fokus. Es soll wegen den Zuständen zwei Suizidversuche von Syrern gegeben haben, nicht für alle Bewohner sollen Betten vorhanden gewesen sein. Diese „schweren Vorwürfe“ hätten die Sozialamtsleiterin „sehr betroffen“ gemacht, sagt sie. In der Notunterkunft wird ein Suizidversuch bestätigt, bei dem es sich allerdings um einen Flüchtling aus Pakistan handelt, der vor der Abschiebung stand. „Natürlich gibt es hier für alle ein Bett“, sagt Bestgen-Schneeberg. „Es ist für alle eine schwierige Situation, auch für unsere Mitarbeiter. Und glauben Sie mir, wir würden uns auch eine andere Form der Unterbringung für diese Menschen wünschen.“