Essen. Die Essener sollen die Grüne Hauptstadt mitgestalten – das fördert die Stadt mit bis zu 5000 Euro. Doch die Bürger sorgen sich eher um die Freiflächen.
Frage nicht, was die Grüne Hauptstadt für Dich tun kann. Frage, was Du für die Grüne Hauptstadt tun kannst. Umweltdezernentin Simone Raskob bemühte am Donnerstag keinen geringeren als den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, um Essens Bürger auf das kommende Jahr einzustimmen. Gut elf Monate noch, dann darf sich die Stadt Essen mit dem europäischen Titel schmücken. Ein Jahr lang ist die Stadt an der Ruhr dann die „Grüne Hauptstadt 2017“. Was das bedeutet? Diese Frage sollen die Bürger selbst beantworten.
Am Mittwoch, 3. Februar, wird Oberbürgermeister Thomas Kufen die Essener anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Bürgerbeteiligung in den Weststadthallen aufrufen, sich einzubringen mit eigenen Ideen und Projekten. Privatpersonen sind ebenso angesprochen wie Vereine und Institutionen.
Ihrer Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt. Nur, was immer sie auch auf die Beine stellen wollen – die Öffentlichkeit muss daran teilhaben können. Wer zum Beispiel seinen heimischen Garten öffnet und daraus einen Gemeinschaftsgarten macht, hatte gute Chancen ins Programm aufgenommen zu werden. Und wer darüber nachdenken sollte, Schwimmkurse im Baldeneysee anbieten zu wollen, könnte sich auch mit dieser Idee bewerben. 2017 soll das Schwimmen am Seaside Beach erlaubt sein. Das Projekt sei auf einem guten Weg.
Weil sprichwörtlich von nichts nichts kommt, lockt die Stadt mit finanziellen Anreizen. Kleinere Projekte, initiiert von Bürgern, werden mit bis zu 1000 Euro gefördert. Vereine und Institutionen können maximal 2500 Euro erhalten, wenn sie einen Eigenanteil von 625 Euro aufbringen. 5000 Euro gibt’s, wenn der Veranstalter die Hälfte dieser Summe oben drauf legt. „Aus finanziellen Gründen wird kein Projekt abgelehnt“, verspricht Simone Raskob. Eine hohe sechsstellige Summe stehe im Budget bereit.
Facebook-Appell verärgert viele
Mit dieser Form der Bürgerbeteiligung betritt die „Grüne Hauptstadt“ Neuland. Ihr sei nicht bekannt, dass vorherige Titelträger Vergleichbares versucht hätten.
Dass das Projekt angesichts der aktuellen Debatte um eine mögliche Bebauung von Freiflächen bei Bürgerinitiativen in der Kritik steht, ist Raskob nicht entgangen (wir berichteten). Wie sehr viele Bürger gerade der künftigen Umwelthauptstadt die Baupläne ankreiden, wird unter den Facebook-Beiträgen der Stadt als @Stadtportal Essen deutlich: Als die behördlichen Netzwerker jüngst dazu aufriefen, Ideen einzubringen, erntete der Appell vor allem Spott und Kritik:
„Man könnte zahlreiche Landschaftsschutzgebiete und Wälder betonieren und bebauen“, schlägt etwa Nutzer Rene Anhuth ironisch vor. Fast alle kommentierenden Nutzer betrachten den Facebook-Appell als Provokation, als „vorgezogenen Aprilscherz“ der „Beton-Hauptstadt Europas“. Eine Nutzerin fragt: „Wollt ihr dafür Vorgartengestaltungstipps oder Tipps, wie man Schlaglöcher begrünt? Äcker, Felder und Landschaftsschutzgebiete wollt ihr ja nicht erhalten.“
Nichtsdestotrotz lädt Raskob auch die Kritiker weiter tapfer ein: Auch sie könnten sich beteiligen, ein Widerspruch sei das nicht.
Ralph Kindel vom Projektteam rechnet mit mehreren hundert Vorschlägen für "Green Capital 2017"-Projekte. Einsendungen sind noch bis zum 31. März möglich, bis Ende Juni sollen Bewerber erfahren, ob ihre Idee gefördert wird.