Essen. Viele Ausbildungsplätze in der Gastronomie bleiben unbesetzt. Auch nach einem aktuellen Ausbildungsreport des DGB gilt Koch derzeit als unbeliebtester Ausbildungsberuf. Schuld sind ungewöhnliche Arbeitszeiten und angeblich schlechte Ausbildungsbedingungen.

„Wer nichts wird, wird Wirt“ – zwar dürfte diese zweifelhafte Weisheit aus dem Volksmund angesichts hoher Arbeitsbelastung in einem anspruchsvollen Beruf im Restaurant- und Hotelleriegewerbe inzwischen als haltloses Vorurteil entlarvt sein, doch ist der Beruf des Kochs bei Schulabgängern offenbar so unbeliebt wie kein anderer. Das geht aus dem aktuellen Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, wonach eine Ausbildung an den Töpfen von jungen Berufsanwärtern als mangelhaft bewertet wurde. Auch werden bei Köchen knapp 49 Prozent der Ausbildungsverhältnisse vorzeitig gelöst – trauriger Spitzenreiter. Auch in Essen haben viele gastronomische Betriebe Probleme, geeignete Bewerber für vakante Stellen zu finden.

Arbeiten, wenn andere feiern

Viele Überstunden, ein rauer Umgangston und oft schlechte fachliche Anleitung in den Betrieben nennt der Bericht als wesentliche Kritikpunkte – Dieter Hillebrand, DGB-Geschäftsführer für die Region Mülheim, Essen und Oberhausen, will die Vorwürfe zwar nicht pauschalisieren, sieht aber die Arbeitgeber in der Pflicht, die Situation von Auszubildenden in der Gastronomie zu verbessern: „Wenn ich jungen Menschen keine vernünftigen Arbeitsbedingungen biete, darf ich mich nicht wundern, dass ich keine geeigneten Bewerber mehr finde“, so der Gewerkschafter. „Oft werden Auszubildende in der Küche wie erfahrene Kräfte eingesetzt – da geht der Ausbildungscharakter verloren.“ Zwar gebe es in der Region auch viele Häuser, die sich an den Ausbildungsrahmenplan hielten und dem Nachwuchs eine gute Schule mit auf den Weg gäben, doch „gibt es auch bei uns einige schwarze Schafe.“

Hans-Jürgen Guß, Mitarbeiter im Bereich Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer zu Essen (IHK), wehrt sich dagegen, allein den Arbeitgebern den schwarzen Peter zuzuschieben – vielmehr seien die Probleme strukturell bedingt: „Die Gastronomie ist eine besondere Branche, von der sich junge Menschen oft falsche Vorstellungen machen. Da herrscht hoher Zeitdruck, wenn Speisen auf den Punkt zubereitet werden müssen. Wer sich hier für eine Ausbildung entscheidet, muss sich bewusst machen, dass er eben häufig arbeiten muss, wenn andere frei haben – auch abends und am Wochenende.“

Belastbarkeit bei Berufseinsteigern sei gesunken

Doch sei auch die Belastbarkeit bei Berufseinsteigern deutlich gesunken: „Viele haben Schwierigkeiten, sich in die betriebliche Ordnung zu integrieren und im Anfang auch mal unliebsame Aufgaben wie Gemüse putzen zu übernehmen. Aber das gehört eben dazu.“ Einige Hotels und Restaurants täten derweil einiges, um eine Ausbildung in der Küche attraktiver zu machen: „Die guten Häuser stellen sich an den Schulen vor und sind auch bei Messen präsent“, so Guß. Mit mäßigem Erfolg – die Abbrecherquote in der Gastronomie für die MEO-Region schätzt er auf circa 25 Prozent.

Im Hotel Résidence hingegen will man von derlei Schwarzseherei nichts wissen. Mit zwei Michelin-Sternen gehört das Haus in Kettwig zu den Top-Adressen der Stadt; wer hier eine Ausbildung abschließt, dürfte eine solide Referenz für seinen beruflichen Werdegang in der Spitzengastronomie besitzen. Fünf Auszubildende hat Geschäftsführer Berthold Bühler in diesem Jahr eingestellt, drei davon als Koch. „Über einen Mangel an Bewerbungen können wir uns nicht beklagen“, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Katrin Lohmann.

„Doch wir schauen schon sehr genau hin, ob ein Bewerber tatsächlich zu uns passt.“ Zwar sei das Résidence ein kleines Haus, doch habe der familiäre Charakter auch Vorteile, was etwa die personelle Flexibilität betrifft: „Wenn jemand uns besonders vielversprechend erscheint, würden wir auch im laufenden Ausbildungsjahr eine weitere Stelle für diese Person schaffen.“

Nur wenige qualifizierte Bewerbungen

Generell empfiehlt Lohmann, nach der Ausbildung auch in anderen Betrieben Erfahrungen zu sammeln und später vielleicht zur früheren Ausbildungsstätte zurückzukehren, generell aber gilt: „Man muss viel Disziplin und eine gewisse Dienstleistungsmentalität mitbringen. Dafür bekommt man aber auch einiges zurück, zum Beispiel die direkte Rückmeldung von den Gästen.“

Auch im Hotel Essener Hof legt man Wert auf faire Ausbildungsbedingungen, Bewerbermangel gibt es trotzdem: „Leider konnten wir in diesem Jahr keinen Auszubildenden einstellen“, sagt Geschäftsführer Maximilian Bosse bedauernd. Gerade mal eine Handvoll Bewerbungen landete auf seinem Schreibtisch, doch verfügten die wenigen Kandidaten nicht über ausreichende Qualifikationen. „Die mangelnde Allgemeinbildung und das Desinteresse bei einigen jungen Menschen ist schon erschreckend, das können wir uns als Haus mit internationalen Gästen nicht leisten“, so Bosse. „Die qualifizierten Bewerber sind karriereorientiert und versuchen möglichst, bei den prominenten Adressen in der Stadt unterzukommen.“ Dabei böte man angehenden Köchen neben einer guten Schule aber vor allem eines: die Chance auf einen Beruf, in dem man sich immer wieder neu erfinden muss.