Essen. Essens Hotels und Gaststätten fehlt der Nachwuchs. Unregelmäßige Arbeitszeiten und geringer Lohn schrecken viele potentielle Bewerber ab. 94 Ausbildungsstellen sind derzeit offen.
Es gibt Professionen, die seit Jahren auf der Top Ten der Ausbildungsberufe stehen: Wer Kfz-Mechatroniker oder Bankkauffrau werden möchte, muss schon jede Menge Bewerbungen schreiben und ein gutes Abschlusszeugnis mitbringen, um einen Platz zu ergattern. Denn die Konkurrenz ist groß. Davon können andere Branchen nur träumen. So fehlen in Essens Hotels und Gaststätten aktuell viele Auszubildende, von der Köchin bis zum Kellner, klagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die allein von 94 Vakanzen weiß. „Das ist das Schlimmste, was der Branche in Essen passieren kann“, sagt Yvonne Sachtje, Geschäftsführerin der NGG Ruhr und nennt die unregelmäßigen Arbeitszeiten, den geringen Verdienst und das raue Klima besonders in Küchen als Grund für die fehlenden Bewerber.
„Uns mangelt es nicht unbedingt an Bewerbern, die meisten sind einfach nicht qualifiziert genug“, weiß Verena Bredol vom Mövenpick Hotel am Handelshof. Für die Ausbildung als Koch oder der Restaurantfachfrau müsse man neben guten schulischen Leistungen ein hohes Maß an Servicebewusstsein und Liebe zum Beruf mitbringen, so die Personalleiterin. „Bislang konnten wir unsere 15 Ausbildungsplätze immer besetzen.“
Maximilian Bosse vom Essener Hof hat es dieses Jahr nicht ganz geschafft, alle acht Lehrstellen zu vergeben: „Für 2013 haben wir allerdings genug Kandidaten.“ Mit Sorge sieht er den demografischen Wandel, der auch die Hotelbranche treffen wird: „Dabei bietet der Beruf des Kochs oder Hotelkaufmanns ein breites Spektrum an Aufstiegsmöglichkeiten.“
Die hat Frank David genutzt: 20 Jahre hat der Koch in seinem Beruf gearbeitet, hat im eigenen Restaurant selbst ausgebildet, bevor er als Einkäufer im Gilde-Frischmarkt landete. „Koch ist ein schöner Beruf, der sehr viel von dir abverlangt.“ Unregelmäßige Arbeitszeit „entgegengesetzt zu der deiner Freunde“, wenig Geld und einen ruppigen Ton in der Küche muss man aushalten können: „Da fliegen öfter die Pfannen.“
„Thema Ausbildung ist beendet“
Hitze, Druck und Stress, besonders wenn á la carte gekocht wird, begleiten die Crew den ganzen Tag. „Das wird in den Fernsehkochshows nicht gezeigt.“ Als Ausbilder hat er erlebt, das jeder zweite der angehenden Köche seine Lehre schmiss: „Das lag an der falschen Vorstellungen, die der Fernsehhype mit sich gebracht hat, aber auch an der mangelnden Schulbildung.“
Davon kann das Landhaus Schnitzler ein Lied singen: „Wir bilden in diesem Jahr zum ersten Mal seit 16 Jahren nicht mehr aus. Uns fehlen intelligente und motivierte Interessenten“, bedauert Jeannette Schnitzler. Die gelernte Köchin, die gemeinsam mit ihrem Mann das Restaurant in Byfang in 4. Generation betreibt, weiß um die harten Bedingungen in der Branche: „Die lassen sich nicht ändern. Die Gäste kommen eben am Abend oder am Wochenende.“ Als kleiner Betrieb könne man keine angenehmeren Arbeitszeiten anbieten. „In der Küche wird zu den Stoßzeiten jede Hand gebraucht.“
Ähnlich ergeht es der Schönebecker Schweiz: „Die Arbeitsagentur hat uns nur noch Bewerber geschickt, die kein anderer haben wollte“, klagt Betreiberin Roswitha Schreiber. Entsprechend hoch sei die Abbrecherquote gewesen. „Den letzten Koch-Azubi haben wir mit Mühe und Not durch die Prüfung gebracht.“ Damit sei endgültig Schluss: „Das Thema Ausbildung haben wir für uns beendet.“
Eine Einstellung, die der Koch Frank David nicht teilen mag: „Wir sollten nicht die Flinte ins Korn werfen. Sondern den Azubis vermitteln, wie kreativ und vielseitig der Beruf des Kochs sein kann. Mit guter Kost können wir nämlich Menschen glücklich machen.“