Essen.. Gudrun Quincke ist Meisterin im Keramiker- und Kachelofenbauerhandwerk und Mitglied beim Soroptimist Club, der den Mädchentreff “Perle“ in Essen unterstützt. Saniye Altintas steckt in der Ausbildung zur PTA und besucht den Treff seit 17 Jahren.

Tonmeisterin wollte sie mit 16 Jahren werden – meinte Keramikmeisterin. Es war der Beruf ihrer Tante, der Gudrun Quincke faszinierte. Die Verbindung von Technik und Kreativität findet die 53-Jährige spannend und ist heute zweifache Meisterin: im Keramiker- und Kachelofenbauerhandwerk. Sie leitet ihre Werkstatt mit zwei Gesellen, zwei Lehrlingen und einer Bürohilfe.

„Ich finde, wir sind erfolgreich“, sagt Gudrun Quincke. Dazu gehört ein Stück Ehrgeiz, Willensstärke und der Hang zum Alphatier. Anstrengung lohne sich, sagt sie. Wichtig sei es, Leistung zu geben und Verantwortung zu übernehmen, das habe sie in ihrer Familie gelernt, in der viele selbstständig sind. Den Urgroßeltern gehörte die Tuchfabrik in Werden, wo Gudrun Quincke arbeitet und lebt. Mit ihrem Lebensgefährten, der selbstständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist, hat sie drei Töchter. Die „echauffiert“ seien, wenn Mutter mit Zollstock und Arbeitshose vor der Schule auftauche, sagt Gudrun Quincke lächelnd. Ihr Vater war Revierförster, ihre Mutter leitete „ein kleines Unternehmen“ als Hausfrau. „Meine Tante hat mich protegiert“ und ihr nach der mittleren Reife geholfen, eine Ausbildung zu finden. Dabei stand Gudrun Quincke auch selbst bei ihrem künftigen Chef auf der Matte: „Sieben Mal, weil ich die Stelle unbedingt wollte.“ Sie wurde Keramikerin. Dann Stahlbauschlosserin und Meisterin. Zuvor arbeitete sie für „Brot und Bett“ im Keramikerhandwerk in den USA, mit Hilfe von Stipendien und zurückgelegtem Gesellengeld. In der Zeit habe sie gelernt, sich zu disziplinieren und sich Ziele zu setzen. Und Heimweh bekommen.

Willensstärke gehört dazu

Zurück in Werden ging sie in die Werkstatt, die ihre Oma inzwischen führte. Heute die Enkelin. Wie viele in der Familie jagt sie in ihrer Freizeit. Und ist Mitglied beim Soroptimist Club, der den Mädchentreff Perle in Altendorf unterstützt. Ein Kontakt, den sie wohl sonst nicht gehabt hätte. Den Besucherinnen will sie nichts vor die Nase setzen, sondern ihnen zur Seite stehen: „Sie sollten schauen, was sie wollen und dranbleiben.“ Was ihren Lebenslauf angeht: „Ich finde den gut.“

Heute entscheidet sich für Saniye Altintas, ob sie zur Abschlussprüfung zugelassen wird. Sie steckt in der Ausbildung zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA). Die 24-Jährige hat schon ihr Schulpraktikum in einer Apotheke absolviert: „Ich sollte übernommen werden.“ Doch eine Woche vor Ausbildungsbeginn habe sie erfahren, dass ein anderes Mädchen die Stelle bekommen hat.

Früher war ihr Traumberuf Ärztin, dann sollte es ein Job in der Apotheke sein. Mit der mittleren Reife in der Tasche hat Saniye Altintas Bewerbungen geschrieben. Erfolglos: „Ich hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist.“ Vier Jahre war sie arbeitslos. Sie hat Fortbildungsmaßnahmen gemacht und schließlich die schulische PTA-Ausbildung begonnen. Zweieinhalb Jahre dauert die, doch Saniye Altintas hat ein halbes Jahr wiederholen müssen: „Es ist so viel Stoff.“ Chemie sei schwer. In der Gesamtschule habe sie mit Freunden gelernt und Hausaufgaben in der Perle gemacht. In den Mädchentreff geht Saniye Altintas seitdem sie sieben Jahre alt ist. Sie wohnt mit zwei Geschwistern und ihrer Mutter in Altendorf. Die Eltern kamen aus der Türkei nach Essen. Jetzt lebt die Familie von der Rente des verstorbenen Vaters. Die 24-Jährige bekommt Bafög, sortiert im Großhandel Medikamente und Unterlagen im Büro, denn für die Ausbildung zahlt sie Schulgeld. Dabei will sie nicht mehr in der Apotheke arbeiten. Saniye Altintas zweifelt. Ob Bürokauffrau das Richtige gewesen wäre? Sie aber wollte nur den einen Wunschberuf: „Das war mein Fehler.“

Falscher Wunschberuf

Die Ausbildung will sie durchziehen – dann Pause machen. Durchatmen: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“ Die Zukunft macht ihr Angst. Ob sie wieder jahrelang Bewerbungen schreiben muss? „Und alles geht von vorn los“, fürchtet sie. Dabei möchte sie heiraten und drei Kinder haben. „Aber erst Karriere machen“ und auf keinen Fall zu Hause bleiben. In die Perle kommt sie weiterhin: „Mit Ruth zu reden, tut gut“, sagt sie über Leiterin Ruth Köhler. Mit ihr und einigen Mädchen war sie ein paar Tage in Istanbul. „Traumhaft“, sagt Saniye Altintas. Im Gegensatz zu ihrer Situation: „Ich habe mir das anders vorgestellt.“