Essen.

Für den millionenschweren Kauf des Kohlekraftwerk-Betreibers Steag durch die Stadtwerke zeichnet sich trotz einiger Bedenken über mögliche Finanzrisiken eine breite Mehrheit im Essener Rat ab.

Die Stadtwerke Essen stehen damit vor einem Paradigmenwechsel: Mit sechs anderen Revier-Stadtwerken wollen sie für rund 650 Millionen Euro eine 51-Prozent-Mehrheit an der Evonik-Tochter Steag erwerben und steigen in die internationale Stromproduktion mit Kraftwerken in Kolumbien und der Türkei ein.

Die Chancen für den Zuschlag an das Stadtwerke-Konsortium gelten als sehr gut. Einziger verbliebener Konkurrent soll ein tschechischer Investor sein. Der Kauf soll weitgehend über Kredite geschultert werden.

Da die Stadtwerke Essen mit rund 15 Prozent am Konsortium beteiligt sind, kommen auf sie Darlehen für den Kauf von rund 90 Millionen Euro zu. In internen Gesprächen hat der Stadtwerke-Vorstand angegeben, dass die Haftung dafür auf nur 30 Millionen Euro beschränkt ist. Da die Stadt an den Stadtwerken mit 51 Prozent beteiligt ist, wäre damit das Risiko für die Stadt durch den Kauf auf 15 Millionen Euro begrenzt.

„Ich sehe mehr Chancen als Risiken“, sagt CDU-Fraktionschef Thomas Kufen. „Ich persönlich meine, wir sollten das machen, damit die Stadtwerke konkurrenzfähig bleiben“, sagt SPD-Fraktionsvize Rainer Marschan. „In unserer Fraktion gibt es aber auch Kritiker, sie sehen darin zu große finanzielle Risiken.“

Ökologischer Umbau

Linken-Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz und Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger halten den Kauf für eine große Chance zur nachhaltigen Wende der Stromerzeugung: Beide Fraktionen drängen darauf, dass alte Kohlekraftwerke künftig abgeschaltet und durch moderne Gaskraftwerke ersetzt werden.

„Wir erhalten dadurch Einfluss auf einen ökologischen Umbau der Stromerzeuger – und können den vier Strom-Monopolisten Paroli bieten“, meint Schmutzler-Jäger. „Das Kartell der vier Großen muss das zur Kenntnis nehmen. Der Kauf bedeutet einen Schritt hin zur sinnvollen Rekommunalisierung und Vergesellschaftung zentraler Bereiche wie der Energieproduktion“, sagt Leymann-Kurz.

Der Kauf der Steag-Mehrheit für die Stadtwerke Essen mag zwar bei einem Jahresgewinn von über 22 Millionen Euro nicht allzu schwer zu schultern sein. Doch einige Ratsleute sorgen sich, dass die längeren Atom-Laufzeiten die heutigen alten Steag-Kohlekraftwerke unwirtschaftlich machen – und die nötigen Millionen-Kosten für Neubauten die Stadtwerke überfordern. Oder zumindest ihren Gewinn für die Stadt schmälern.

Hier rechnete Stadtwerke-Vorstand Bernhard Görgens den Rats-Spitzen aber vor, dass sich die Ersatzinvestitionen aus den hohen Steag-Gewinnen vor allem dank moderner Auslandskraftwerke gut finanzieren ließen. Dass die neue Strom-Konkurrenz für Eon, RWE, EnBW und Vattenfall allerdings zu sinkenden Strompreisen führt, glaubt selbst Steag-Deal-Befürworter Marschan nicht: „Dass die Bürger davon Preisvorteile haben, bezweifle ich.“

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Von Hans-Willy Bein, Christian Icking