Essen. . Am 7. Juli beginnt die Vollsperrung der A 40 in Essen. „3 statt 24“, hat Straßen.NRW sein 16-Millionen-Projekt überschrieben: In drei Monaten erledigen, was sonst locker zwei Jahre Bauzeit kosten würde: Bau- und Verkehrsplaner, Evag und Polizei sind vorbereitet. 100.000 Autos werden täglich ausweichen müssen.
Drei Monate ohne Autobahn, drei Monate für eine Operation am offenen Verkehrsherzen: Am 7. Juli beginnt die Vollsperrung der A 40 in Essen, in einem Zug sollen die maroden Helbingbrücken am Hauptbahnhof, dazu die nahe S-Bahn-Brücke, der Innenstadt-Tunnel und die Fußgängerbrücke an der Steubenstraße saniert werden (die NRZ berichtete). „3 statt 24“, hat der federführende Landesbetrieb Straßen.NRW sein 16-Millionen-Projekt überschrieben: In drei Monaten erledigen, was sonst locker zwei Jahre Bauzeit kosten würde. Dagegen ist nichts einzuwenden – wäre da nicht das ärgerliche Kleingedruckte: Denn „3 statt 24“ bedeutet auch, dass sich fast an die 100.000 Fahrzeuge täglich ihren Weg abseits der Schnellstraße suchen müssen.
Ob das vom 7. Juli bis zum 30. September zu einem Kollaps führen wird, ob Essen im Dauerstau erstickt, auf nahezu allen Hauptverkehrsadern? Eine Prognose dazu will keiner treffen, nicht bei Straßen.NRW, nicht bei der Stadt, nicht bei der Polizei: „Das wäre Kaffeesatzleserei.“ Dass es schwierig wird, betonen sie unisono. Das Durcheinander in Grenzen zu halten, haben sie sich alle auf die Fahnen geschrieben und arbeiten deshalb seit eineinhalb Jahren an einer Art Masterplan Umleitung. Der ist mittlerweile so weit fortgeschrieben, dass sich die Beteiligten auf der Zielgeraden sehen: „Eigentlich könnten wir anfangen.“
Zeit ist knapp
In den Startlöchern steht zum Beispiel Annegret Schaber, die Projektleiterin bei Straßen.NRW, die mit den drei Baufirmen Eurovia Beton, Eurovia Teerbau und Heinrich Walter Bau das A-40-Vorhaben stemmen wird. „Keine unerfahrenen Firmen“, wie sie betont. Die Messlatte liegt allerdings hoch: Am Montag, 1. Oktober 2012, muss der Verkehr wieder rollen, alles andere würde für die Unternehmen teuer.
Auf tapetenähnlichen Plänen hat Annegret Schaber in ihrem Bochumer Büro den dreimonatigen Ablauf notiert. Eng beschriebenes Papier, das vor allem zeigt: Zeit ist knapp. Zwar will Straßen.NRW den Menschen im Umfeld der Brücken nicht völlig die (Nacht-)Ruhe rauben, zwischen 22 Uhr und sechs Uhr morgens sollen die Arbeiten ruhen, aber: „Wir brauchen die Nachtschichten auch für Betonarbeiten.“ Und wenn’s eng wird, geht es eben über 22 Uhr hinaus: Die Sondergenehmigungen liegen schon in der Schublade.
Die erste wird bereits für den Baustart gezogen: Am Abend des 6. Juli werden die Bautrupps in den Seitenstraßen und unter den Helbingbrücken auf den Startschuss warten. Um 22 Uhr will Straßen.NRW damit beginnen, den Verkehr umzuleiten, Punkt Mitternacht gehört die A 40 zwischen den Anschlussstellen Essen-Zentrum und Huttrop den Bauarbeitern. Parallel dazu startet der Abriss der Stadtwaldbrücke über der S-Bahnstrecke. Bereits am 6. Juli will die Bahn den Zugverkehr einstellen, die Oberleitungen abhängen, Signale abräumen. Wer zwischen Düsseldorf-Unterrath und Essen Hauptbahnhof verkehren will, muss dann auf Busse umsteigen – und mindestens die doppelte Fahrzeit einkalkulieren.
Ob das auch für den normalen Berufsverkehr gilt? Klaus Stock, Leiter der städtischen Verkehrsbehörde, hat da seine eigene Rechnung: „Ein Teil des Verkehrs wird Essen großräumig umfahren, über die A 52 oder die A 42. Bleiben für uns vielleicht 80.000 Fahrzeuge. Da Ferien sind, rechnen wir mit 68.000, die sich neue Wege durch die Stadt suchen müssen. Vielleicht pendelt sich der Verkehr in den Ferien ein, sucht sich neue Wege, verteilt sich zeitlich anders“, sagt Stock, der Mega-Stau würde ausbleiben. Aus Fahrtrichtung Duisburg rechnen die Verkehrsplaner noch mit den größten Problemen: Ab Essen-Zentrum soll es über die Friedrich-, Hohenzollern-, Kronprinzen-, Kurfürsten- und Markgrafenstraße zur Anschlussstelle Huttrop zurück auf die A40 gehen. Und trotz neuer Ampelphasen, trotz Halteverboten an den Umgehungsstraßen, trotz der rund 60 Hinweisschilder, trotz der Internet-Seite, die noch in Arbeit ist, blickt Stock mit Sorgen auf den Abschnitt, „weil da auch an normalen Tagen die Aufnahmefähigkeit der Straßen ausgeschöpft wird.“
Jürgen Lückemeyer, Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei, hält die ersten drei Tage für entscheidend: „Wenn es da einigermaßen läuft, wenn der Verkehr sich nicht allzu sehr staut, dann bin ich optimistisch.“ Wichtig sei, dass sich alles verteile, Ortskundigen empfiehlt er, Schleichwege zu suchen: „Wer einen gefunden hat, sollte das für sich behalten. Wir werden jedenfalls keine weiteren Umweg-Alternativen anbieten, das wäre nicht hilfreich.“
„Brechpunkte“ für Buslinien
Auf Schleichwege wird die Evag nicht zurückgreifen können. Etwa 15 Linien wird der Stau treffen, mit spürbaren Folgen für die Fahrpläne. An „neuralgischen Punkten“ wollen die Verkehrsbetriebe deshalb zusätzliche Busse und Bahnen bereit halten, die an „Brechpunkten“ die Linie fortsetzen. Dies gilt vor allem für die Buslinien 142, 145, 146, 147, 154, 155, den SB 15, 160, 161 und 166. Bei den Straßenbahnen setzen allerdings die Tunnelkapazitäten enge Grenzen. Und ob die 101, 103, 105, 106 oder 109 dann wirklich betroffen sind, „das lässt sich jetzt noch gar nicht abschätzen“, sagt Evag-Sprecher Olaf Frei.
Nein, für die dreimonatige Vollsperrung einer Stadtautobahn gibt es einfach keine Erfahrungswerte, versichern alle Beteiligten. Zudem bleiben einige unbekannte Größen: Die S 6 ruht zwischen dem 6. Juli und 20. August, dazu die S 9 vom 21. Juli bis 3. August. Beide Bauzeiten liegen in den Ferien, aber ohne verkehrliche Folgen wird die zuglose Zeit nicht bleiben. Und natürlich werden die Lkw, die sonst über die A 40 anrollen, nun von Norden oder Süden den Weg in die Stadt suchen, über die Alfredstraße, die Ruhrallee, die Gladbecker oder Bottroper Straße. Welche Folgen das haben wird? Näheres dazu findet sich höchstens im Kleingedruckten.