Essen. Streik der Lokführer, Piloten, Awo-Beschäftigten: Besonders aber durch die zuletzt harte Gangart der Lokführergewerkschaft sinkt das breite Verständnis für Arbeitskämpfe. Das spüren auch die Essener Awo-Beschäftigten, die am Dienstag zum dritten Mal in den Ausstand traten.

Bei der Gewerkschaft Verdi ahnte man wohl schon, dass der Warn-Streik am Dienstag bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in keine allzu gute Phase fallen würde. Spätestens seit die Arbeitskämpfe der Lokführer und Piloten seit dem Wochenende an Schärfe weiter zugelegt haben, schwindet das Streikverständnis in der Bevölkerung rapide.

Der eintägige Arbeitskampf der Essener Awo-Beschäftigten traf am Dienstag die Bewohner der Pflegeheime, besonders aber hunderte Eltern. Denn viele der 19 Awo-Kitas in der Stadt blieben ganz geschlossen oder boten nur Notgruppen an. In den sechs Pflegeheimen gab es zumindest ein eingeschränktes Freizeit-Programm und weniger Auswahl beim Mittagessen. Es war bereits der dritte Awo-Warnstreik binnen weniger Wochen.

Die überzogene Gangart der Lokführergewerkschaft GDL mache es derzeit nicht gerade einfach, räumt ein Gewerkschafter am Rande der Awo-Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz ein. Und so verteilte Verdi Flugblätter an die Passanten, mit denen die Gewerkschaft auf die Arbeitsbedingungen der Awo-Beschäftigten hinwies und so um Verständnis für den Streik warb.

Schon im Vorfeld bekamen Awo-Beschäftigte einigen Unmut zu spüren. „Es gab durchaus kontroverse Diskussionen unter den Kollegen aber auch mit Angehörigen, die das nicht einsehen“, erzählt Konni Zetzsche, die als Pflegerin im Marie-Juchacz-Haus in Essen-Haarzopf arbeitet. Dabei gebe es im Heim einen Notdienstplan. „Es wird ja niemand im Stich gelassen.“

Harte Tarifrunde - Verdi droht mit weiteren Streiks

Auch Erzieherin Grit Florian berichtet von gemischten Reaktionen: „Die meisten Eltern unterstützen uns, es gibt aber auch andere, die kein Verständnis haben.“ In ihrer Kita Heidbusch in Schönebeck, die an normalen Tagen 90 Kinder besuchen, gab es gestern eine Notgruppe für 16 Kinder. Die meisten Eltern hatten eine Alternative gefunden, auch weil der Streik bereits Ende vergangener Woche angekündigt worden war. Allerdings befürchtet Grit Florian, dass die Zahl der Kritiker zunehmen könnte, je länger sich die Tarifrunde zieht. Dass der Arbeitskampf weiter gehen wird, falls es bei der nächsten Verhandlung am 28. Oktober keine Einigung gibt, daran ließ Verdi gestern jedenfalls keinen Zweifel.

Die aktuelle Tarifrunde zwischen Verdi und der Awo in NRW wird diesmal härter geführt als in der jüngeren Vergangenheit. Hans Aring von der Geschäftsleitung des Essener Kreisverbandes macht dafür die hohen Forderungen der Gewerkschaft verantwortlich. Verdi verlangt eine Gehaltserhöhung um 100 Euro pro Monat und zusätzlich 3,5 Prozent mehr. Und dennoch weiß auch Aring, dass die Awo ihren Beschäftigten mehr bieten muss, wenn man als Arbeitgeber angesichts des drohenden Fachkräftemangels in der Pflege und der Erziehung auch weiter gefragt sein will.