Essen. Am Baldeneysee regieren Willkühr und Wurschtigkeit, findet Landschaftsarchitekt Andreas Kipar. Er wünscht sich Wettbewerb, Qualität und klare Planungsziele. Die Stadt hat ihn als Moderator der „Baldeneysee-Konferenz“ engagiert.

Wo heute Willkür, Wurschtigkeit und Weiter-So regieren, wünscht sich der Landschaftsarchitekt Andreas Kipar Wettbewerb, Qualität und klare Planungsziele: am Baldeneysee. Der nämlich sei ein Brillant, ein Meisterwerk, dem ein angemessenes Passepartout fehle. Die Stadt Essen hat Kipar als Moderator der „Baldeneysee-Konferenz“ engagiert, er soll die nun seit zwei Jahren schwelende Debatte über einen See, der unter seinen Möglichkeiten bleibt, vom Reden zum Handeln begleiten.

Ein Auftrag, den Kipar gern annimmt, findet er doch, dass „das Schlimmste ein lavierender Zustand ist“. Kipar stammt aus Gelsenkirchen, hat in Italien studiert und heute Büros in Duisburg und Mailand.

Würdigung des Sees wird vermisst

Er ist in der Region verwurzelt und hat den Blick nach draußen, den Vergleich gewagt. Ein Wagnis, das auch die Stadt an diesem Mittwoch eingeht: Beim Bauforum zum Baldeneysee in der Industrie- und Handelskammer sind nicht allein Essener Akteure eingeladen, hier hört man auch, wie Bochum den Kemnader See nutzt, pflegt und vermarktet oder wie die Stadt Münster ihren Aasee mit schmucken Terrassen, guter Gastronomie und Enthaltsamkeit in Sachen Baden, Bespaßung und Massenmarketing würdigt.

Solche Würdigung vermisst Kipar in Essen. Wohl stimmt er dem Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best zu, wenn der den Baldeneysee „Paradies für Gelsenkirchener“ nennt. Er wisse aus Kindertagen in Buer, wie verheißungsvoll „Südtiroler Stuben“ und „Weiße Flotte“ klingen können. Er sagt aber auch: „Die Promenade an der Regattastrecke hat den Charme der 60er und 70er Jahre. Das reicht nicht mehr.“

Der Achitekt will einen „großen Auftritt“ à la Münster

Für den prominenten Promenadenabschnitt zwischen Regattaturm und Schloss Baldeney wünsche er sich einen „großen Auftritt“ à la Münster. Er verkenne Essens prekäre Haushaltslage nicht, doch auch die westfälische Unistadt habe die Aasee-Terrassen nur einem Bündnis von öffentlicher Hand, Investoren und Bürgern zu verdanken. „Auch wir brauchen Interessengemeinschaften, die helfen.“

Die Frage nach dem Auftritt ist für Kipar keine nachrangige. Spöttisch erzählt er, wie man heute am See begrüßt werde: „Da kommt man am Sonntag mit Frau, Kindern, Oma und Rollator an und findet keinen Parkplatz. Man ist da – und alles schreit: Hier bist Du falsch.“ Kaum besser sei die eigentlich bequeme Fahrt mit der S-Bahn zum Halt „Hügel“. „Da steigt man aus und ist am Hü-go-loss, nicht an der Villa Hügel – und auf dem Restaurant-Schild steht ,Auf Wiedersehen’“. Er wünsche sich, dass man am See willkommen geheißen werde.

Dazu gehöre auch, dass man sich auf der Promenade gefahrlos bewegen könne und nicht durch Menschenmassen drängen müsse. Wenn die Bürger heute nach einer Demarkationslinie zwischen Fußgängern und Radlern verlangten, sei etwas schief gelaufen. „Die Promenade braucht ein oben und unten, einen Rand.“

Viele Stellen sind zugewuchert

Naheliegend seien solche Gedanken, das wisse er selbst, doch manchmal sei „das Naheliegende die größte Provokation“. So wie der Gedanke, dass man beim See-Spaziergang Wasser sehen wolle. An vielen zugewucherten Stellen sei das nicht mehr möglich, wer hier Sichtachsen schaffen wolle, müsse nicht mal viel Geld in die Hand nehmen, „sondern nur die Motorsäge“.

Vieles was Kipar an diesem Mittwoch referiert, findet sich schon bei ihnen: die Promenade als Problem, die fehlenden Sichtachsen, der abgekoppelte S-Bahnhof. Und auch die Forderung nach Qualität haben sie schon gestellt: „Wir sollten nicht in der Fünftklassigkeit bleiben“, erklärten sie damals. Dass Kipar beim Bauforum am Rednerpult steht, und sie bei den Zuhörern sitzen, nehmen sie sportlich: „Es ist eine Bestätigung unserer Arbeit, wenn ein so ausgewiesener Experte unsere Ideen übernimmt.“

Ergebnisse werden für den Herbst erwartet

Umgekehrt macht sich Kipar ja für seine Zunft stark: Man müsse endlich etwas wie die Aasee-Terrassen projektieren: „Gute Architekten sollen sich hier mal Gedanken machen dürfen.“ Auch Gedanken, wie man den Weg von der S-Bahn zum Ufer verkürze, den Baldeneysee so gleichsam in die Stadt hole. Gedanken, die am Ende umgesetzt werden. Wichtig sei, dass dabei Qualität entstehe, dass man Standards fest- und Wettbewerbe ausschreibe.

Wann tatsächlich dem „pflegebedürftigen Zustand“ (Kipar) am See abgeholfen wird, kann Planungsdezernent Best noch nicht sagen. Nur soviel: „Im Herbst sollen brauchbare Ergebnisse vorliegen.“ Doch die komplizierten Eigentümerverhältnisse etwa in der Nachbarschaft des Schloss Baldeney könnten eine zügige Planung erschweren. Die Stadt habe eine Grundstückseigentümer-Karte für das gesamte Seeufer erstellt. „Bevor wir das Gespräch mit den Eigentümern aufnehmen, entwickeln wir nun erst einmal unsere eigenen Ideen.“