Essen-Gerschede. Ende des Jahres 2020 erneuerte die Stadt Straßenlaternen am Nordlandring in Essen-Gerschede und bittet nun Anwohner zur Kasse. Die wehren sich.

Kurz vor Ende des vergangenen Jahres ging Anwohnern des Nordlandrings und der Nordlandaue in Essen-Gerschede ein Licht auf: Die Stadt erneuerte die Straßenbeleuchtung, tauschte alte Technik gegen energiesparende LED-Lampen aus. Nur gewusst hat davon im Quartier niemand. Nun bittet das zuständige Amt für Straßen und Verkehr die Anwohner auch noch zur Kasse. Die sind mächtig sauer und wollen sich wehren.

Die Sache währt schon viel länger, wurde durch die Rechnungen, die auch Wolfgang Müller nun ins Haus flatterten, aber wieder akut. Bereits im Jahr 2012, also mehr als sieben Jahre vor Baubeginn, trafen sich Vertreter der Stadt und beteiligter Ämter zum Ortstermin in Essen-Gerschede. Ein Bürger hatte darum gebeten, da einem kleinen Verbindungsweg von der Nordlandaue zum Stratmanns Hang die Beleuchtung fehlte. Die Stadt erstellte deshalb einen Beleuchtungsplan, wobei auch der Nordlandring in den Fokus rückte. „Schon von dieser Ortsbegehung wusste hier niemand“, erklärt Wolfgang Müller, der bereits seit Mitte der 1980er Jahre in Gerschede wohnt. Er hat etliche Nachbarn befragt, doch alle schüttelten den Kopf.

Eine Ortsbegehung vor acht Jahren machte den Anfang

Dann schlief die Sache ein. Jahrelang tat sich nichts, bis im Sommer vergangenen Jahres plötzlich Bauarbeiter auftauchten, die in der Gegend Straßen und Wege mit Farbkreuzen markierten. „Die haben bei uns in der Einfahrt einfach die Natursteine besprüht“, ärgert sich Alexander Winter, der in einem Eckhaus zum Nordlandring wohnt. „Auf meine Frage hin, was dies soll, bekam er die Antwort: „Hier kommt eine neue Straßenlaterne hin.“ Auf seinem privaten Grundstück.

Die neuen LED-Lampen am Nordlandring in Essen-Gerschede sparen Energie, doch sind gefühlt dunkler als die alte Straßenbeleuchtung, da sie wie ein Spot wirken und das Licht nur punktförmig abstrahlen.
Die neuen LED-Lampen am Nordlandring in Essen-Gerschede sparen Energie, doch sind gefühlt dunkler als die alte Straßenbeleuchtung, da sie wie ein Spot wirken und das Licht nur punktförmig abstrahlen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Auch die Nachbarn waren in heller Aufregung, wandten sich in einem eilig aufgesetzten Schreiben an den Oberbürgermeister, um ihren Unmut über die verfehlte Informationspolitik der Stadt Luft zu machen (wir berichteten). Aber auch deshalb, weil sie den Sinn des Umbaus der Straßenbeleuchtung nicht nachvollziehen konnten. Wolfgang Müller: „Niemand, wirklich niemand hat das Gefühl gehabt, dass es hier zu dunkel ist.“ Er selbst sei wie sein Nachbar Horst Scheller der Meinung, dass hier Steuergelder verbrannt werden.

Sein Schreiben an den OB blieb nicht ohne Folgen. Das Amt für Straßen und Verkehr teilte ihm und seinen Mitstreitern mit, dass für die Straßenbeleuchtung verbindliche gesetzliche Vorgaben bestünden, an die sich das Amt zu halten hätte. „Der subjektive Eindruck der Anwohner spielt dabei keine Rolle“, hieß es. Ein Unding, wettert Wolfgang Müller, der mit ansehen musste, wie die Bauarbeiten noch während der Phase des Briefwechsels mit der Stadt begannen. „Von einem Tag zum anderen war die Straße gesperrt, der Zugang zu unseren Häusern erschwert“, klagt er. „Und niemand hat etwas im Vorfeld davon gewusst.“

Der Nordlandring in Essen-Gerschede hat nun vier Lichtmasten mehr

Gut drei Wochen später waren die Arbeiten beendet. Der Nordlangring, vor Müllers Grundstück bislang auf einer Strecke von 60 Metern mit zwei Laternen bestückt, erhielt insgesamt vier weitere Lichtmasten und dazu neue LED-Lampen. „Im Resultat ist es jetzt aber nur etwas heller als vorher, denn die LED-Lampen bündeln das Licht stärker als die frühere Beleuchtung und strahlen das Licht eher wie ein Spot ab“, sagt Wolfgang Müller. Und dies bei einer Energieersparung von gerade einmal zehn Prozent.

Anders sieht es an der Nordlandaue aus. Dort wurden nur die Leuchtkörper erneuert. „Mit dem Resultat, dass es nun sogar etwas dusterer ist in unserem Vorgarten als zuvor“, sagt Alexander Winter. Schon deshalb kann er die Argumentation der Stadt nicht nachvollziehen. „Wenn die alte Lichtanlage den Gesetzen nicht genügte, dann tut es die neue erst recht nicht.“

Kosten für die Modernisierung der Straßenbeleuchtung werden auf Anwohner umgelegt

Stadt setzt auf LED-Lampen

Nicht zuletzt aufgrund des geminderten Energieverbrauchs sowie den daraus resultierenden positiven Auswirkungen auf das Klima kommen im Essener Stadtgebiet nur noch LED-Leuchten zum Einsatz. Weitere Gründe für den Austausch alter Leuchtmittel können zudem sein, dass aufgrund des Alters keine Ersatzteile mehr lieferbar sind.Bei der Umrüstung auf LED-Leuchten wird im Ergebnis das Licht gezielter auf die Straßen geworfen, Streulicht wird erheblich reduziert. Dadurch kann es in der Umgebung tatsächlich dunkler werden, was in Zusammenhang mit der Vermeidung ungewollter Lichtimmissionen einen weiteren positiven Effekt nach sich zieht. Die Verkehrsflächen sind jedoch normgerecht beleuchtet.

Natürlich ist der Umbau mit Kosten verbunden. Eine detaillierte Kostenabrechnung erhielt Wolfgang Müller nun vom Amt für Straßen und Verkehr – zusammen mit einem Bescheid über einen fälligen Straßenbaubeitrag. Alexander Winter erhielt sogar zwei Rechnungen, weil sein Haus an der Straßenkreuzung liegt. Zahlbar bis Mitte März dieses Jahres.

Es sind jedoch nicht diese Rechnungen, die den Anwohnern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie die Stadt mit den Menschen umgehe, erklärt Alexander Winter. „Wenn man vorher informiert wird, ist das alles kein so großes Problem. Dann kann man sich darauf einstellen. Auch auf die Einschränkungen durch die Baustelle. Aber einfach den Bautrupp anrücken lassen und den Bürger vor vollendete Tatsachen stellen, das geht nicht.“

Gerscheder Bürger zweifeln an der Sinnhaftigkeit der neuen Lichtanlage

Die Modifizierung der Straßenbeleuchtung kostet allein am Nordlandring knapp 33.000 Euro. Gut 13.000 Euro trägt die Gemeinde, der Rest wird auf 17 Grundstücke der Anwohner umgelegt, reduziert um die Hälfte durch Fördermittel des Landes. Gelder, die man laut Alexander Winter, besser in andere Dinge investiert hätte. „Als zweifacher Familienvater bin ich der Meinung, dass die Stadt das Geld besser in Kitas oder ähnliche Dinge stecken sollte, anstatt in eine Straßenbeleuchtung, die bislang von keinem Anwohner in Frage gestellt wurde.“

Corona-Newsletter

Schon deshalb wird er Widerspruch einlegen und will erst zahlen, wenn die Stadt erklärt, warum die Beleuchtungsanlage erneuert wurde. „Es liegt in der Beweislast der Stadt, nachzuweisen, dass sich die Beleuchtungssituation wirklich verbessert hat“, sagt Alexander Winter. Doch dies sei wohl nur möglich, wenn die Leistungsstärke der alten Laternen auch ausreichend dokumentiert wurde.“

20 Anwohner wollen Widerspruch gegen die Rechnungen erheben

Fragen, die Wolfgang Müller gerne hätte vorher beantwortet wissen wollen: „Da wir vorab nicht informiert wurden, konnte nicht geprüft werden, ob es sich um eine Erneuerung oder nur Instandsetzung der Straßenbeleuchtung handelt. Uns wurde die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens genommen. Da ist die Stadt ihrer Informationspflicht einfach nicht nachgekommen.“

Längst haben die Anwohner eine Vermutung, warum in Gerschede wirklich nachgebessert wurde – aber längst nicht überall. „Auf einem Wegstück von der Nordlandaue zum Mayskamp wurden die Lampen überhaupt nicht erneuert“, fiel Alexander Winter auf. „Doch dieses Gelände gehört auch der Stadt. Da kann man natürlich keine Beiträge abkassieren.“

Nun wollen 20 Anwohner Einspruch bzw. Widerspruch erheben. Gepaart mit einem weiteren Schreiben direkt an der Essener OB. „Das halten wir für nötig, denn es hat sich gezeigt, dass die Interessen der Stadt nicht nah beim Bürger sind“, so Alexander Winter. „Das muss auch mal so deutlich gesagt werden.“

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Essen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++