Essen. Die Stadt Essen hat auf die massive Kritik an Mängeln in der Ausländerbehörde reagiert. Viele Defizite seien schon abgestellt worden.
Kritik an der Essener Ausländerbehörde ist nicht neu, jetzt hat sich der Libanesische Zedernverein massiv beschwert. Größtes Ärgernis seien lange Wartezeiten. Mitunter vergingen zehn Monate und mehr, um einen Termin in der Behörde zu bekommen. In einer nicht-repräsentativen Umfrage unter 500 Kunden der Ausländerbehörde hätten 495 angegeben, mit deren Arbeit unzufrieden zu sein. Migranten, so der Vorsitzende Mohamed Masri, würden als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Schlimmstenfalls vergingen zwei Jahre, bis die Behörde Anfragen beantworte. „Betroffene verlieren dadurch manchmal sogar die Arbeit“, heißt es in dem Beschwerdebrief an den OB.
Vereins-Chef über Ausländerbehörde: „Man hat mich vor die Tür gesetzt“
Masri versteht sich als Anwalt der libanesisch-syrisch-arabischen Community und als Brückenbauer zur Behörde. Sein kleines Büro in der Kreuzeskirchstraße ist Anlaufstelle für viele ratsuchende Zuwanderer. Im Frühjahr, kurz vor Ostern etwa, erhielt Masri die E-Mail eines in Essen lebenden Türken, dessen Vater daheim im Sterben lag.
Hoher Migrationsanteil im Personal der Ausländerbehörde
Der Zedernverein hat Kunden der Ausländerbehörde Essen gefragt, wie es in der Ausländerbehörde Essen um die „Freundlichkeit“ stehe. Von 500 Befragten hätten 475 die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als freundlich bezeichnet. Zehn hätten es verneint und 15 keine Angabe gemacht.Die Stadt Essen weist darauf hin, dass das Personal der Ausländerbehörde „nicht zuletzt schon durch einen hohen Migrationsanteil über ein hohes Maß an Sozial- und interkultureller Kompetenz verfüge“.
Der Sohn habe ausreisen wollen, um Abschied nehmen zu können, und deshalb Papiere von der Ausländerbehörde benötigt. Obwohl es sich um eine sehr dringliche humanitäre Angelegenheit gehandelt habe, habe das Amt nicht reagiert. Daraufhin wollte Masri persönlich vorstellig werden. Doch eine Mitarbeiterin habe erwidert, man sei personell unterbesetzt und überfordert. Als er nicht locker gelassen habe, sei ihr Chef hinzugekommen und habe ihn kurzerhand vor die Tür gesetzt. „Er hat mir nicht mal zugehört.“ Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis oder deren Übertragung vom alten in einen neuen Pass könne in Essen schon mal 14 Monate dauern, behauptet Masri. Nachbarstädte seien weitaus besser aufgestellt.
Stadtverwaltung: „Große Zahl an Vorsprachen und sehr dünne Personaldecke“
Die Stadtverwaltung hat prompt auf die Masri-Beschwerde reagiert. „Allen Verantwortlichen ist die angespannte Situation in der Kommunalen Ausländerbehörde bewusst,“ sagt Dezernent Christian Kromberg. Es werde an unterschiedlichen Lösungen gearbeitet, „um die Situation [...] für alle Beteiligten zu entspannen“.
Eine große Zahl an Vorsprachen und eine sehr dünne Personaldecke in der Behörde hätten zu enormem Druck geführt. Corona habe die Lage zusätzlich erschwert, etwa durch eine dreimonatige Zwangspause im Frühjahr 2020. Es sei nur ein eingeschränkter Publikumsverkehr möglich gewesen.
Doch nun verbessere sich die Situation spürbar, betont Kromberg. „Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen, aber wir sind auf einem guten Weg.“ 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zurzeit noch in der Ausbildung seien, würden demnächst die Ausländerbehörde verstärken.
Auch die räumliche Situation habe sich verbessert, etwa durch den Umzug mehrerer Sachgebiete (Einbürgerung, Anmeldung) in die neue Zweigstelle Cathostraße 5 in diesem Frühjahr. Die Folge: In der Schederhofstraße 45 könnten seit gut einem Monat zusätzliche Terminkapazitäten angeboten werden, vorrangig für Notfälle.
Personal stehe im Spannungsverhältnis zwischen Ordnungs- und Willkommensbehörde
Bereits im Juni 2020 habe sich die telefonische Erreichbarkeit der Ausländerbehörde erheblich verbessert, ferner sei der Kontakt zum Amt unter der E-Mail-Adresse abh@essen.de möglich. „Anfragen und Anliegen werden täglich gesichtet, priorisiert und in die jeweiligen Sachgebiete weitergeleitet“, so die Stadt. Im Moment arbeite die Ausländerbehörde an einem benutzerfreundlichen online-basierten Terminsystem. Das Amt sei aufgrund der komplexen Materie aber nicht vergleichbar mit dem Bürgeramt oder der Führerscheinstelle.
Das Personal des Ausländerressorts stehe täglich im Spannungsverhältnis zwischen Ordnungs- und Willkommensbehörde. Kromberg: „Wir sind für eine konstruktiv-kritische Begleitung dankbar.“