Essen. Ein Polizeieinsatz in Essen eskaliert. Ein Schwarzer wird angeklagt, aber das Amtsgericht spricht ihn frei. Es geht dabei auch um Polizeigewalt.

Dieser Fall hatte in den sozialen Netzwerken für Wut und Entsetzen gesorgt. Vor rund zwei Jahren hatte ein Schwarzer schwere Vorwürfe gegen die Essener Polizei erhoben. Es ging um Rassismus und Gewalt. Nun stand er allerdings selbst vor Gericht – wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

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Dem 27-Jährigen aus Mülheim war vorgeworfen worden, die Beamten provoziert, beleidigt und als erster angegriffen zu haben. Genau das sah das Essener Amtsgericht am Ende jedoch anders. Der Nigerianer wurde freigesprochen.

Polizeiwache Mitte: Mutter des Angeklagten wollte Anzeige aufgeben

Es war der 4. März 2020, als der Angeklagte auf der Polizeiwache Essen-Mitte erschien. Seine Mutter hatte zuvor offenbar den Diebstahl eines Portemonnaies anzeigen wollen.

Laut Anklage begann er schon im Wartebereich zu randalieren und gegen eine Glastür zu schlagen. Später soll er seine Hände zu Fäusten geballt und Schlagbewegungen in Richtung eines der Beamten gemacht haben. Der fühlte sich bedroht und schlug zu. Auch der Schlagstock soll eingesetzt worden sein. Auch das wurde vor Gericht nicht bestritten, sondern als dringend notwendig bezeichnet.

Europaplatz: Pfefferspray wurde von der Polizei eingesetzt

Doch damit war der Einsatz für die Polizei noch nicht vorbei. Da der Angeklagte die Wache verlassen hatte, wurde nach ihm gesucht – mit Erfolg. In Höhe des Europaplatzes nahe dem Essener Hauptbahnhof konnte der 27-Jährige gestellt werden. Laut Anklage sollte er die Beamten dort wieder bedroht und beleidigt haben, was den erneuten Einsatz des Schlagstockes zur Folge hatte. Außerdem wurde der Nigerianer mit Pfefferspray besprüht, zu Boden gebracht und gefesselt.

Ein Bruder des Angeklagten, der damals ebenfalls mit zur Wache gefahren war, soll vor Gericht erklärt haben, dass man zwar laut geworden sei, aber nichts gemacht habe. Trotzdem sei man sofort geschlagen worden. Er und sein Bruder hätten nur noch versucht, ihre Köpfe zu schützen. Am Ende hatte selbst die Staatsanwaltschaft Zweifel, ob der Angeklagte die Polizisten tatsächlich angegriffen hat. Auch sie hatte im Prozess Freispruch gefordert. Auf Aufzeichnungen von Bodycams, die von den Polizisten getragen werden, hatte das Gericht nicht zurückgreifen können. Die waren offenbar ausgeschaltet.

Anwalt macht Polizei Vorwürfe: „Ein offensichtlich zusammengelogener Aktenvermerk“

„Aus Sicht der Verteidigung sind hier Polizeibeamte zuerst rechtswidrig auf meinen Mandanten losgegangen und haben dabei teilweise auch den Schlagstock eingesetzt“, sagte der Strafverteidiger Cornelius Birr nach der Verhandlung. Danach sei eine Strafanzeige gefertigt worden – „und ein offensichtlich zusammengelogener Aktenvermerk“. Die Situation sei bewusst falsch dargestellt worden. Birr: „Man wollte meinen Mandanten belasten und vom eigenen Fehlverhalten ablenken. Wichtige Bodycamaufnahmen, die die ganze Wahrheit zeigen, wurden der Ermittlungsakte nicht beigefügt. Diese Aufnahmen konnten erst auf Initiative der Verteidigung erlangt werden.“

Dieser Fall weist Parallelen zu einer Polizeikontrolle auf der B224 Ende 2019 auf: Auch sie war völlig aus dem Ruder gelaufen und auch damals waren Beamte der PI Mitte beteiligt – zum Teil offenbar dieselben. Das dann folgende Strafverfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte endete ebenfalls mit einem Freispruch – auch in zweiter Instanz. Anhand von Handyaufnahmen, die während des Polizeieinsatzes entstanden, konnten die beiden Angeklagten ihre Unschuld beweisen. Die Amtsrichterin rügte die ihrer Ansicht nach „massiven Übergriffe“ der Polizisten. Abgeschlossen ist der Fall längst noch nicht: Denn die Freigesprochenen ihrerseits bezichtigen die Polizisten jetzt der uneidliche Falschaussagen und der Körperverletzung im Amt.