Essen. Die Stadt Essen will sich schneller auf den Klimawandel einstellen. Überschwemmungen an Ruhr und Deilbach waren aber vorhersehbar.

Die Stadt Essen muss sich schneller auf die Folgen des Klimawandels einstellen. Das ist nach Einschätzung von Umweltdezernentin Simone Raskob eine Lehre aus dem verheerenden Hochwasser an Ruhr und Deilbach. Im Gespräch mit der Redaktion kündigte die städtische Beigeordnete an, dass die Verwaltung der Politik noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge für eine sogenannte Klimaanpassungsstrategie vorlegen wird.

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Raskob warf ferner die Frage auf, ob als Reaktion auf sich häufende Starkregenereignisse auch entlang kleinerer Gewässer Pegel installiert werden müssten, um den Wasserstand zu überwachen und die Bevölkerung frühzeitig vor einem Hochwasser warnen zu können. Raskob sieht dabei die Bezirksregierung in der Pflicht.

Vorwarnzeit bei Hochwasser am Deilbach wäre kurz

Am Deilbach wäre die Vorwarnzeit allerdings kurz. Der Bach entspringt in Wuppertal-Barmen und mündet nach 21 Kilometern in Kupferdreh in den Baldeneysee. Nach Einschätzung des Umweltamtes dürfte es nicht länger als 30 Minuten dauern, bis eine Flutwelle den Stadtteil erreicht.

Dass dort bei einem extremen Hochwasser Straßen und Keller volllaufen würden, war sehr wohl abzusehen. Schon 2018 hat die Stadt „Hochwasser-Risikokarten“ veröffentlicht, auf denen sich präzise ablesen lässt, welche Gebäude und Grundstücke gefährdet sind. „Im Grunde war es vorhersehbar“, bestätigt Essens Planungsdezernent Martin Harter. „Nur die Dimension war dann eine andere.“

Experten gehen davon aus, dass sich extreme Wetterereignisse häufen werden

Von der Wucht und der Geschwindigkeit, mit der der sonst so idyllische Deilbach über die Ufer trat, zeigten sich Fachleute überrascht. So sei erwartet worden, dass der historische Deilbachhammer im Falle eines Jahrhundert-Hochwasser einen halben Meter unter Wasser stehen würde. Tatsächlich waren es bis zu zwei Meter, weiß Martin Harter zu berichten. Laut Umweltdezernentin Simone Raskob handelte es sich bei der Flut an Ruhr und Deilbach um ein Hochwasser, wie es statistisch nur alle 150 Jahre auftritt.

Experten gehen davon aus, dass sich solch extreme Wetterereignisse häufen werden. Statistisch sind meteorologische Veränderungen durch den Klimawandel in der Region belegt. Die Stadt Essen setzt im Verbund der benachbarten Kommunen und der Emschergenossenschaft auf eine langfristige Strategie.

Regenwasser soll in Mulden und Rückhaltebecken gesammelt werden

Deren Mitglieder haben sich zum Ziel gesetzt bis zum Jahr 2040 insgesamt 25 Prozent der heute noch versiegelten Flächen von der Kanalisation abzukoppeln, um das Kanalsystem und die Gewässer zu entlasten. Regenwasser soll stattdessen versickern oder in Mulden und Rückhaltebecken gesammelt werden. Für die Stadtplanung gehe es darum, „bewusst mit der Topographie zu spielen“, sagt Marin Harter.

Essens Planungsdezernent nennt das verabredete Ziel aus Sicht der Stadt Essen ehrgeizig, lässt aber keinen Zweifel daran: „Auch wir müssen mehr entsiegeln.“ Fakt ist aber: In den zurückliegenden beiden Jahrzehnten hat der Versiegelungsgrad in den meisten Stadtteilen zugenommen: im Westviertel um rund 10 Prozent, in Karnap um rund sechs und in Haarzopf um rund fünf Prozent - ein Ergebnis des forcierten Wohnungsbaus.

Klimatische Veränderungen

Laut Nach Angaben des Landes NRW hat die Temperatur um Jahresmittel seit 1988 um 1,7 Grad zugenommen. Den Hitzerekord erfassten die Thermometer mit 41,2 Grad im Juli 2019. Generell zeigten die Daten der Wetteraufzeichnungen, die seit 1881 erhoben werden, eine deutliche Zunahme von warmen und heißen Jahren. Die klimatischen Veränderungen führen nach Angaben der Energieagentur NRW nicht nur zu mehr Dürre- und Hitzeperioden, sondern auch zu einem Anstieg extremer Starkregenereignisse: von durchschnittlich 3,5 Tagen im Jahr seit 1931 auf 4,5 Tage.

Um den Abfluss von Regenwasser zu vermeiden oder zumindest zu verzögern, macht die Bauleitplanung mit Blick auf den Klimaschutz inzwischen konkrete Vorgaben. So sind Flachdächer bei Neubauten zu begrünen. Stadt und Emschergenossenschaft locken Hausbesitzer zudem mit Fördergeldern, damit sie Bestandsgebäude ebenfalls begrünen lassen. Auch was die Entsiegelung kleinerer Flächen angeht, setzt man auf die Mithilfe der Eigentümer. Schließlich lassen sich dadurch Gebühren sparen. Im Neubaugebiet Essen 51 im Krupp-Gürtel sollen künstliche Wasserläufe Regenwasser von dem umliegenden Gebäudedächern aufnehmen.

Umweltdezernentin Simone Raskob begrüßt, dass das Land dem Klimawandel mit einem eigenen Klimaschutzgesetz begegnet, bedauert aber, dass vieles im Ungefähren bleibe. Ansprüche auf eine Finanzierung durch das Land, ließen sich daraus nicht ableiten. Aber für die Klimaanpassung, gibt Raskob zu bedenken, „brauchen wir auch Geld“.