Essen. Weniger Fahrgäste durch Corona, höhere Kosten und dazu Investitionen fast in Milliardenhöhe: Das kommt auf die Ruhrbahn zu.

Die Coronakrise und dringend notwendige Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur in fast vierstelliger Millionenhöhe lassen die Ruhrbahn immer tiefer in die roten Zahlen steuern. Das geht aus einem Bericht des kommunalen Nahverkehrsunternehmens an den für Mobilität zuständigen Fachausschuss des Essener Stadtrates hervor. Ein Bericht, der sich liest wie ein Hilferuf.

Corona und kein Ende? Fest steht: Die Pandemie hat auch den öffentlichen Personen-Nahverkehr in Essen schwer getroffen. Seit 2020 gehen die Einnahmen der Ruhrbahn aus Abo- und Ticketverkauf zurück. Die Aufforderung, persönliche Kontakte einzuschränken, die Angst sich anzustecken und der Umstand, dass viele Beschäftigte ihrer Arbeit im „Homeoffice“ nachgehen, haben zu einem deutlichen Rückgang der Fahrgastzahlen geführt – hinab bis auf 28 Prozent des Vor-Corona-Niveaus im März 2020. Ein Tiefpunkt.

Ruhrbahn erwartet, dass die Folgen der Coronakrise frühestens 2025 überwunden sind

Die Erweiterung des Angebotes auf einzelnen Bus- und Straßenbahnlinien konnte diesen Trend nicht stoppen, so das Verkehrsunternehmen. Bei der Ruhrbahn geht man davon aus, dass sich die Kunden-Nachfrage im günstigsten Fall bis 2025 wieder erholt und weiß sich darin einig mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).

Es ist eine Prognose, die auf Annahmen beruht. Doch niemand weiß heute vorherzusagen, wie sich beispielsweise die Arbeitswelt entwickelt. Corona hat der Digitalisierung einen Schub verliehen. Einiges spricht dafür, dass auch nach Ende der Pandemie mehr Beschäftigte von zu Hause aus arbeiten, als es vor Corona der Fall war. Die Ruhrbahn weist bereits daraufhin, dass die negative Entwicklung der Fahrgastzahlen, den Klimaschutzzielen entgegenläuft, die der Rat der Stadt festgelegt hat. 2035 sollen 25 Prozent aller Wege in Essen mit dem öffentlichen Personen-Nahverkehr zurückgelegt werden. Laut der jüngsten Mobilitätsumfrage sind es 19 Prozent. Die Ruhrbahn geht davon aus, dass dieser Anteil mit Eröffnung der City-Bahn 2025 auf 20 Prozent steigen wird.

Die Schere zwischen Aufwand und Ertrag geht bei der Ruhrbahn auseinander

Ertrag und Aufwand für den öffentlichen Personen-Nahverkehr gehen bereits auseinander, und die Schere öffnet sich laut Prognose immer weiter von 89 Millionen Euro in 2022 auf 111 Millionen im Jahr 2026. Strom und Diesel werden immer teurer; die Ruhrbahn rechnet im Vergleich zu 2019 mit einem Anstieg von rund 35 Prozent. Auch die Personalkosten steigen um durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr.

Rund 960 Millionen Euro will das Verkehrsunternehmen bis 2031 in neue Fahrzeuge sowie in die Modernisierung der Infrastruktur investieren, darunter Gleise, Stromversorgung und Betriebshöfe. So wird die komplette Busflotte aus Gründen des Klimaschutzes auf Wasserstoff umgestellt. Der zentrale Betriebshof Stadtmitte wird umgebaut, um den Anforderungen des Brandschutzes zu genügen. Das veraltete Zugsicherungssystem verlangt laut Ruhrbahn gar „einen Technologiesprung“.

Ruhrbahn-Aufsichtsratschef erinnert daran: Klimaschutz ist gesellschaftlich gewollt

Wie will die Ruhrbahn diese gewaltigen Investitionen stemmen? Im Erzhof, der Unternehmenszentrale, rechne man mit 236 Millionen Euro an Fördergeldern von Bund und Land. Der Löwenanteil soll über Darlehen und städtische Zuschüsse finanziert werden. Schon ab 2023 tue sich zwischen Wirtschafts- und Haushaltsplan eine „deutliche Lücke“ auf, heißt es. Pro Jahr fehlen zwischen 11,5 und 14 Millionen Euro.

260.000 Autofahrten werden ersetzt

Die Ruhrbahn bewegt in Essen und Mülheim mit drei U-Stadtbahnlinien, elf Straßenbahn- und 54 Bus-Linien 142 Millionen Fahrgäste pro Jahr. Damit würden täglich rund 260.000 Fahrten mit dem Pkw eingespart. Getestet wird derzeit ein Angebot „On Demand“, ein Sammeltaxi befördert Fahrgäste auf Anfrage. Trotz Corona laufe der Test bislang erfolgreich.

Stadtkämmerer Gerhard Grabenkamp weist vorsorglich auf die „finanziellen Risiken“ hin, die er auf die Stadt Essen zukommen sieht. Spätestens im Herbst bei den Haushaltsberatungen wird sich der Rat der Stadt damit auseinandersetzen müssen. Der Kämmerer und die Ruhrbahn „haben klar gemacht, was da auf uns zukommt“, sagt Ulrich Beul, CDU-Ratsherr und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Ruhrbahn. Beul setzt nach eigenen Worten auf finanzielle Hilfe aus Berlin und erinnert daran, dass Investitionen in den Klimaschutz schließlich „gesellschaftlich gewollt“ seien. „Ich gehe davon aus, dass man uns nicht alleine lässt.“