Essen/Johannesburg. Auswanderin Katja Fleck startet in der Pandemie ein Online-Business und verbindet sich so aus Johannesburg mit ihrer Heimat Essen.
Die Corona-Pandemie erlebt die Essenerin Katja Fleck auf der anderen Erdhalbkugel: Die 37-Jährige lebt mit Partnerin und Adoptivtochter in Südafrika. Das Virus stellt für die Auswanderin vieles auf den Kopf.
Und es macht die Distanz zum Ruhrpott noch einmal deutlicher. „Plötzlich war es nicht mehr so einfach möglich, nach Deutschland zu reisen, das hat mir zu denken gegeben“, sagt Katja Fleck. „Kurz vor dem ersten Lockdown habe ich meine Familie noch einmal gesehen, ich war nach Deutschland geflogen, weil mein Vater krank war.“ Seitdem besteht die Verbindung allein über Chats und Videoanrufe.
Kindheit in Werden
Katja Fleck ist in Essen-Werden aufgewachsen.Sie absolvierte eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester an der Uniklinik Essen und studierte anschließend Psychologie in Würzburg.Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie im südafrikanischen Johannesburg und bietet von dort aus Online-Kurse für Achtsamkeit auf Deutsch an. Mehr Infos dazu unter katja-fleck.de
Den Traum des Auswanderer-Daseins lebt sie in Südafrika weiterhin und möchte die Erfahrung nicht missen. „Das Auswandern war eine Reise zu mir selbst“, sagt sie. „Und Südafrika ist auch ein Stück Heimat geworden.“ Vor sieben Jahren hat sie die gefühlte Enge in Deutschland eingetauscht gegen ein Leben in einer Gesellschaft, in der eine Adoption für gleichgeschlechtliche Elternteile schon möglich war. In Johannesburg hat Fleck gemeinsam mit ihrer Partnerin ihre Tochter adoptiert, die Sechsjährige geht dort mittlerweile zur Schule.
Achtsamkeitskurse als Herzensprojekt
Doch auch Tausende Kilometer entfernt kam mit dem Alltag irgendwann die Frage auf, wohin die weitere Lebensreise gehen soll, ob der eingeschlagene Berufsweg der richtige ist. „Das Interessante ist, dass ich auch hier irgendwann in einem Hamsterrad gefangen war“, sagt Fleck.
Die gelernte Kinderkrankenschwester und studierte Psychologin arbeitet in der Deutschen Schule in Johannesburg, dort leitet sie ein Förderzentrum. Unter anderem lehrt sie in Kursen Achtsamkeit, die Methoden haben ihr selbst in turbulenten Zeiten zu mehr innerer Ruhe verholfen und nun möchte sie etwas davon weitergeben. Doch wirklich etwas verändern könne sie nur bei denjenigen, die freiwillig und aus eigenem Interesse in die Kurse kämen.
„Corona hat mir den Anstoß dazu gegeben, zu sagen: Ich mache jetzt das, wo ich mit vollem Herzblut dabei bin“, erzählt die 37-Jährige. Die Konsequenz: Sie reduzierte ihre Stundenzahl in der Schule und machte sich online selbstständig mit Kursen in Achtsamkeit.
Sie lehrt nach der MBSR-Methode, die für Mindfulness Based Stress Reduction steht, also achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Unter anderem mit Meditationen möchte sie Menschen dazu verhelfen, mehr im Hier und Jetzt zu leben.
Dem Internet sei Dank kann sie von Südafrika aus auch Teilnehmende in Deutschland erreichen. So will sie sich ein weiteres berufliches Standbein aufbauen, denn die Idee, irgendwann zurückzukehren, wird immer präsenter, nicht zuletzt durch Corona. „Ich möchte Flexibilität haben, sollten wir irgendwann die Nase voll haben von den Umständen hier im Land“, sagt Fleck.
Virus verstärkt die soziale Probleme
Soziale Ungleichheit, Armut und Kriminalität sind präsente Themen in Johannesburg. Fleck lebt mit ihrer Familie in einem der nördlichen Wohnviertel, in einer Gegend der Wohlhabenderen, wo große Grundstücke mit hohen Mauern und Securitydienste dazugehören.
„Corona hat für mich noch einmal stärker gezeigt, was in unserer Welt ohnehin im Argen liegt“, sagt sie. „Wir hatten hier einen harten Lockdown, durch den viele ihren Job verloren haben. Denjenigen, denen es ohnehin schon schlecht ging, ging es noch schlechter. Familien wussten nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollten und es gab viel mehr bettelnde Menschen auf der Straße.“ Der harte Lockdown ist vorüber, aktuell gelten Maskenpflicht und nächtliche Ausgangssperre, doch öffentliche Einrichtungen und Gastronomie sind wieder geöffnet. Was bleibt, sind die sozialen Folgen.
Fleck reflektierte, welchen Beitrag sie leisten möchte, um etwas in der Welt zu verändern. Für sie ist es die Lehre der Achtsamkeit. In Südafrika hat die 37-Jährige dieses Herzensthema für sich entdeckt, das sie über das Internet schon jetzt zurück nach Essen trägt.