Essen. . Tom Gerhardt kennt man als Hausmeister Krause oder als Pudelmützen-Proll Tommie. In Essen spielt er zur Abwechslung einen biederen Finanzbeamten.

Brille, Cordhose und verbeulte Aktentasche: Fertig ist der brave Finanzbeamte Bommes. „Eine arme Wurst“ nennt ihn Tom Gerhardt. Und so hat man den Kölner Schauspieler und Komiker (Voll normaaal/Ballermann 6“) bislang nicht wirklich wahrgenommen. Für die französische Komödie „Dinner für Spinner“ ist Gerhardt mit spielerischem Vergnügen in die Rolle des Muttersöhnchens geschlüpft. Über 200 Mal hat die Produktion bundesweit schon für Furore gesorgt. Im Rathaus-Theater ist Gerhardt zum ersten Mal zu Gast. Mit Martina Schürmann sprach der 59-Jährige über die Lust, ein Narr zu sein.

Herr Gerhardt, Sie waren der 1a Pudelmützen-Proll in „Voll normaaal“ und haben als Hausmeister Krause zehn Jahre lang Seriengeschichte geschrieben. Was hat Sie jetzt auf die Boulevard-Bühne getrieben?

Gerhardt: Ich habe ja auf der Bühne angefangen, nicht im Kino, nicht im Fernsehen. Als ich zum ersten Mal vor der Kamera stand, da hatte ich schon 1000 Live-Aufführungen hinter mir. Die Bühne ist die Mutter aller Dinge. Und unser Ziel ist es natürlich, modernen, frischen Boulevard zu machen. Ich freu mich jedenfalls, mit diesem Stück endlich in meine zweite Heimatstadt Essen zu kommen. Da werden wohl einige Verwandte im Publikum sitzen.

Ein Kölner, der Verbindungen ins Ruhrgebiet pflegt?

Mütterlicherseits gibt’s da noch eine Reihe von Vettern und Onkeln, die hier leben. Die Zugfahrt mit der Bahn nach Essen war ein Abenteuer meiner Kindheit, an das ich mich noch gut erinnern kann.

Sie sind in einem behüteten Künstler-Haushalt groß geworden, haben Germanistik und Philosophie studiert. Woher kommt diese Lust am Anarchischen, am Drastischen?

Ich bin wirklich sehr liebenswert erzogen worden, bei uns Zuhause gab es keine Aggression. Wenn das Chaos zu kurz gekommen ist in meiner Kindheit und Jugend, dann habe ich ihm wirklich ein schönes Ventil geschaffen.

Und was haben Sie künstlerisch von Zuhause mitgenommen?

Mein Vater war Pianist und Organist, ein richtiger Musensohn. Meine beiden Geschwister sind auch Musiker geworden. Aber ich habe meine musikalische Ausbildung am Klavier leider total verkackt, ich Blödmann. Da habe ich mir als Spielfeld eben die Bühne ausgesucht. Und irgendwann hat sich das verselbstständigt.

Und dann kam Hausmeister Krause, der zur Kultufigur wurde.

Und obwohl die Serie schon vor sechs Jahren abgespielt worden ist, werde ich noch laufend darauf angesprochen. „Wo ist denn der Dackel?“ ist der beliebteste Spruch. Der Krause wird mich verfolgen, bis ich von dieser Bühne abtrete.

„Dinner für Spinner“ im Rathaus-Theater

Tom Gerhardt wurde in den 1990ern mit Kinofilmen wie „Voll normaaal“ und „Ballermann 6“ bekannt. Als „Hausmeister Krause – Ordnung muss sein“ trat er von 1999 bis 2010 im Fernsehen auf. 2011 kehrte er mit „Die Superbullen“ auf die Leinwand zurück.

Seine Stimme hört man derzeit im Kino in der Verfilmung des Kinderbuch-Hits „Ritter Rost – Das Schrottkomplott“.

„Dinner für Spinner“, die Komödie von Francis Veber, ist bis 12. März im Rathaus-Theater zu sehen. Gerhardt spielt den Streichholz-Modell-Hobby-Bastler Bommes. Karten: 24555 55.

Vorstellungen: tägl. (außer Montag) 19.30 Uhr, Sonn- und Feiertag 18.30 Uhr sowie am Mi. 22.2., 16 + 19.30, Mo. 6.3., 19.30 Uhr, So. 5.3., 15 + 18.30 Uhr, Sa. 25.2./4.3./11.3., 16 + 19.30 Uhr.

Ist das Segen oder Fluch?

Es ist ja letztendlich ein Kompliment. Ich wollte mit dieser Figur Spaß machen, und das ist auch gelungen. Das gilt auch für Tommie mit der Pudelmütze. Aber die, die mich live gesehen haben, wissen schon, dass ich noch zehn, 15 andere Charaktere gespielt habe. Gerne mal drastisch, gerne mal wild. Im Rathaus-Theater spiele ich jetzt einen ganz anderen Charakter, eine wirklich liebenswerte Figur: gar nicht wild, gar nicht drastisch und trotzdem komisch.

Sie sind der brave Finanzbeamte Bommes, der zum Abendessen eingeladen wird und für seine Gastgeber eigentlich bloß als Opfer ihrer zynischen Scherze herhalten soll.

Der Bommes ist so eine hilflose arme Wurst, wie sie jeder aus seiner Umgebung kennt. Einer, über den man lachen und manchmal auch ein bisschen weinen möchte. Dieser Bommes passt ganz gut in die Zeit. Er steht für alle, die zu kurz gekommen sind und nicht mithalten können in diesen schnellen Zeiten. Und der trotzdem unbekümmert seinen Weg geht. Bommes ist einer, an dem sich das Böse der Welt die Zähne ausbeißt. Ein Buffo, der seine Scherze macht. Aber er rührt auch. Bei den Frauen, das habe ich schon festgestellt, werden da Mutterinstinkte wach. Wenn den Rockmusikern früher Slips auf die Bühne geworfen worden, kriege ich wahrscheinlich bald warme Socken geschenkt.

Verspüren Sie keine Lust auf einen Imagewechsel?

Ich habe immer gerne den Buffo gespielt, und die Leute lieben das. Je dusseliger und bescheuerter ich auf die Bühne gehe, desto besser. So sehen mich die Leute am liebsten. Ich kann also nur träumen von den markigen, männlichen Figuren, denen die Groupies zu Füßen liegen.

Ich mag den Karneval ganz gerne und habe oft auch heftigst mitgefeiert

Apropos Buffo. Wie übersteht ein Kölner denn die Karnevalszeit in der närrischen Diaspora Ruhrgebiet?

Als disziplinierter Humorsoldat habe ich mir diese Frage nicht zu stellen.

Aber Sie haben schon was mit Karneval am Hut?

Ach, ich mag den Karneval ganz gerne. Es ist die größte und wildeste Party der Welt, und ich habe oft auch heftigst mitgefeiert.

Karneval ist ja Ausnahmezustand. Wie wichtig ist Anarchie im Leben?

Man braucht beides, Disziplin und Anarchie. Ohne Disziplin ist das Leben ein Haufen Müll. Aber ein Leben ohne Anarchie ist wie ein grauer Betonklotz. Freudlos.

Wie ist das aktuelle Verhältnis von Disziplin und Anarchie?

Ich würde sagen: Eine Ladung Anarchie könnte ich jetzt mal wieder ganz gut gebrauchen.