Essen. Bis zu 1000 Autoparkplätze sollen in Essen für Fahrräder umgewidmet werden – ohne Mitsprache vor Ort und Bedarfsermittlung. Ein falscher Weg.
Wie schön ist es doch, wenn man Partikular-Interessen ohne lästige Widerrede oder demokratische Abwägungsprozesse durchsetzen kann. Da sind sich die Essener Fahrradlobby und das Stadtamt für Straßen und Verkehr einmal mehr vollkommen einig. Bis zu 1000 Parkplätze für Autos will die Stadt in Stellplätze für Fahrräder umwandeln, ganz egal, wie knapp in vielen Stadtquartieren die Parkplatzfläche für Autos mittlerweile ist und ob es für derart viele Rad-Stellplätze überhaupt Bedarf gibt. Wer stellt schon sein teures E-Bike nachts an den Straßenrand? Und als ob ein Notstand droht, sollen die Stadtteilpolitiker in den Bezirksvertretungen darüber nicht einmal mitbestimmen können. Zu schweigen von den betroffenen Bürgern, die vermutlich am besten den Mund halten sollen.
Die konsequent autofeindliche Politik ist mehr als erstaunlich
Man steht einigermaßen staunend vor einer Entwicklung, die noch vor einigen Jahren undenkbar war. Das Amt für Straßen und Verkehr scheint mittlerweile zu einer Art Unterabteilung der Essener Fahrradlobby umgebaut worden zu sein. Anders lässt sich die konsequent autofeindliche Verkehrspolitik, die mittlerweile in Essen eingezogen ist, kaum noch erklären. Das alles unter der Oberaufsicht eines Oberbürgermeisters, der gerne in Sonntagsreden betont, mit ihm werde es ideologisch motivierte Verkehrspolitik nicht geben.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass der mit großer Mehrheit vollzogene Beitritt des Rates zum sogenannten Radentscheid falsch war. Hier wurde das Signal gesetzt, nahezu die gesamte Stadtgesellschaft unterstütze die radikalen Forderungen, was vollkommen absurd ist. Über 23.000 Unterschriften sind beachtlich, keine Frage. Aber Essen hat bekanntlich ein paar Einwohner mehr.
CDU war getrieben von der Angst vor einem Bürgerentscheid
Mit der Autorität des Ratsbeschlusses im Rücken kann die Lobby innerhalb und außerhalb des Rathauses nun nach Belieben ihren Forderungen und Ideen Geltung verschaffen. Eine taktische Meisterleistung, das muss man neidlos anerkennen. Auch die CDU gab aus schierer Angst vor einem Bürgerentscheid einer Minderheit freie Fahrt, statt zunächst einmal zu debattieren und die eigenen verkehrspolitischen Leitlinien in die Stadt zu tragen, die sich von denen der Grünen hoffentlich hier und da noch unterscheiden.
Sicher, ein solcher Entscheid hätte polarisiert, gerade der OB mag so etwas nicht. Aber in der Politik müssen Dinge manchmal auch ausgefochten werden. Danach wäre jedenfalls klarer gewesen, welche Verkehrspolitik die Essener Bürger mehrheitlich wollen, und auf dieser Basis hätte man dann Kompromisse finden können. Aber daran gab es aus durchsichtigen Gründen kein Interesse.
In der aktuellen Zuspitzung darf man nun gespannt sein, ob die Stadtteilpolitik ihrer Entmachtung lammfromm zuschaut und amtlicherseits durchregiert wird. Oder ob sich doch noch so etwas wie gesunder Menschenverstand und der Wille zur Abwägung regt.