Essen-Gerschede. In Essen-Gerschede lässt die Stadt den Schulhof nach Beschwerden abschließen. Nun übernehmen Eltern die Verantwortung. Es gibt Empörung.
Am Wochenende auf dem Schulhof spielen – das war in Gerschede wochenlang nicht mehr möglich. Das Gelände war samstags und sonntags verschlossen, die Kinder aus dem Wohngebiet mussten sich anderswo austoben. Der Grund: Anwohner hatten sich an einem Sonntag über den Lärm spielender Kinder beschwert. Jetzt übernehmen Eltern am Wochenende den Schließdienst – und damit die Verantwortung. Für Bürgervertreter vor Ort ein Unding.
„Kinderlärm ist doch kein Grund, einen Spielplatz zu schließen“, sagt Christian Müller, der zuständige Kinder- und Jugendbeauftragte in Gerschede. „Es tut mir in der Seele weh, den Kindern sagen zu müssen, dass sie hier nicht mehr spielen dürfen.“ Gemeinsam mit anderen setzt er sich deshalb jetzt dafür ein, dass der Schulhof wieder an allen Tagen zugänglich ist. Darin sieht er nicht nur Vorteile für die Kinder in Gerschede, sondern hofft auf eine grundsätzliche Entscheidung für das gesamte Essener Stadtgebiet. Kinder und Jugendliche sollten sich schließlich draußen an der frischen Luft bewegen können, erst recht in Zeiten der Pandemie, meint er.
In Gerschede ist der Schulhof den Anwohnern zufolge ein beliebter Treffpunkt und Ort für Bewegung. „Mein Enkelkind hat hier auf dem Schulhof Fahrradfahren gelernt“, sagt Heribert Kröll, Geschäftsführer der Siedlergemeinschaft Gimkenhof. „Dass das jetzt nicht mehr erlaubt sein soll, verstehen wir nicht.“ Denn im Umkreis gebe es keine andere vergleichbare Spielmöglichkeit, der Spielplatz an der Hülsmannstraße ist wegen Bauarbeiten noch länger gesperrt.
Stadt Essen handelt nach Beschwerde über spielende Kinder
Vor allem kann Kröll den Grund für die Schließung des Schulhofs am Wochenende nicht nachvollziehen. Ihm zufolge sei hier nie etwas vorgefallen. „Es sind manchmal auch Jugendliche da, aber ich habe noch nichts von Partys oder Vandalismus gehört“, sagt er. Tatsächlich bestätigt auch die Essener Stadtverwaltung auf Nachfrage, dass der Auslöser eine Beschwerde über spielende Kinder an einem Sonntag gewesen sei. Ordnungsamt und Polizei hätten daraufhin den Hausmeister gebeten, „dafür Sorge zu tragen, dass ein Betreten des Schulgeländes am Sonntag nicht mehr erfolgen kann“, so Pressesprecherin Jasmin Trilling. „Vor diesem Hintergrund hat der Schulhausmeister am Standort das Schulgelände am Freitag mit Dienstende abgeschlossen.“
Laut entsprechender Satzung der Stadt Essen aus den 70er Jahren können die Schulhöfe an Werktagen von Kindern bis 14 Jahren genutzt werden, im Sommer bis 19 Uhr und im Winter bis zum Einbruch der Dunkelheit. Sonntage sind also ohnehin nicht inbegriffen, Samstage eigentlich schon. Weil es mittlerweile aber keine Verpflichtung zur Nutzung einer Dienstwohnung auf dem Schulgelände für sie gebe, könnten nicht alle Hausmeister problemlos samstags auf- und abschließen, erklärt die Verwaltung.
Stadt Essen will 3,9 Millionen Euro pro Jahr in Spielplätze investieren
- Die engagierten Bürger in Gerschede wünschen sich, dass Schulhöfe weiterhin als Spielplätze berücksichtigt werden, denn eine Bestandsaufnahme von Grün und Gruga hatte zuletzt ergeben, dass in vielen Essener Stadtteilen Spielplätze fehlen.
- Doch Grün und Gruga teilt auf Nachfrage dazu mit, dass Spielplätze auf Schulhöfen generell nicht mehr als Potentialstandorte gesehen würden, „da aufgrund der offenen Ganztagsschule, Schließdiensten und der unterschiedlichen Ausstattung keine uneingeschränkte Nutzung erreicht werden kann“.
- Auf Basis der Analyse von Grün und Gruga will die Stadt pro Jahr 3,9 Millionen in den Bau und in die Erneuerung von Spielplätzen investieren.
Kritik an Übertragung der Schlüsselgewalt auf Eltern in Gerschede
In Gerschede haben sich nun zwei Elternvertreter bereiterklärt, den Schließdienst am Samstag zu übernehmen, äußern wollen sie sich dazu nicht. „Nach Kenntnisstand des Fachbereichs Schule ist seit diesem Zeitpunkt bei allen Betroffenen Ruhe eingekehrt“, sagt Trilling. „Eine vergleichbare Regelung gibt es auch an wenigen anderen Schulstandorten.“ Kinder- und Jugendvertreter Müller kritisiert, dass die Eltern jetzt die Verantwortung tragen sollen für das, was am Wochenende auf dem Schulhof geschieht. Ihnen die Schlüsselgewalt zu übertragen, könne keine langfristige Lösung sein, es sei eine städtische Aufgabe und die Verwaltung müsse eine andere Lösung finden.
„Wir können doch froh sein über jedes Kind, das sich draußen bewegt“, findet auch Bezirksvertreter Ulrich Schulte-Wieschen (SPD). Und das Nachsehen hätten in der aktuellen Situation die Jüngsten, die darauf warten müssen, dass die Elternvertreter ihnen aufschließen. „Die Großen gehen über den Zaun und die Kleinen stehen mit langem Gesicht davor“, sagt er. Deshalb wollen er und seine Mitstreiter sich in den politischen Gremien weiter dafür einsetzen, dass die Kinder wieder am Wochenende auf dem Schulhof spielen können, ohne dass einzelne Eltern die Verantwortung dafür übernehmen müssen.