Essen-Holsterhausen. Rosa Stavridis hat in Holsterhausen schon drei Kneipen betrieben. Nach 30 Jahren übergibt das Urgestein nun ihr Wirtshaus „Warsteiner“.

Rosa Stavridis ist in Holsterhausen nicht einfach nur die Besitzerin von der Kneipe um die Ecke. Sie ist für viele Gäste wie eine Mama und ihr Wirtshaus Warsteiner wie ein Wohnzimmer – jahrzehntelang. Um einen Abend an ihrem Tresen zu stehen, reisen manche von weit her.

Über 30 Jahre lang wird in der Gaststätte auf der Gemarkenstraße gezapft, getrunken, gequatscht getanzt, gelacht und geweint – bei Taufen, Geburtstagen, Hochzeiten und Trauerfeiern. Rosa Stavridis ist ihren Gästen dabei sehr nah, kennt die Sorgen und Schicksale, teilt die privaten Urlaubsfotos und Erfolge. „Ich habe keine Gäste. Das ist wie meine Familie“, erklärt die 79-Jährige mit getönter Brille und rotem Lippenstift vor ihrer Übergabe.

Die Gaststätte war eine Zuflucht in guten und schlechten Zeiten

Die scheidende Wirtin Rosa Stavridis (l.) und ihrer langjährige Mitarbeiterin Simone Johannsen, die das Lokal an der Gemarkenstraße übernehmen wird.
Die scheidende Wirtin Rosa Stavridis (l.) und ihrer langjährige Mitarbeiterin Simone Johannsen, die das Lokal an der Gemarkenstraße übernehmen wird. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Einst hatte Rosa Stavridis auf dem Tisch in der Gastronomieküche den Nachwuchs ihrer Gäste gewickelt, hat dann erlebt, wie die Kinder groß werden und selbst eine Familie gründen. Sie wusste Bescheid, wenn der Ehemann plötzlich verstorben oder die Partnerin abgehauen ist. „Rosa ist wie eine Mama für uns. Man konnte sie immer anrufen und sie hatte ein offenes Ohr, war für jeden da“, erzählt Christl Kohlert, die nach dem Tod ihres Mannes im Wirtshaus eine Zuflucht findet.

Seit zehn Jahren trifft sie ihre Freunde in der Kneipe, quatscht sich die Sorgen von der Seele und freut sich nach dem Abend schon wieder auf das nächste Stammtisch-Treffen. „Das ist die einzige Kneipe, in die ich als Frau alleine gehen kann und das liegt nur an Rosa“, sagt die 76-Jährige.

Auch Erich Austrup kann so manche Geschichte erzählen. Er kennt die Besitzerin seit vierzig Jahren. Schon als junger Mann steht er regelmäßig nach dem Fußball mit einem Bier in der Hand in der Kneipe. „Wir haben hier früher immer nach dem Spiel getrunken – ob auf unseren Sieg oder auf die Niederlage“, erzählt der 77-Jährige und schaut dabei auf das gerahmte Foto hinter der Theke, auf dem er in Trikot mit der Mannschaft auf dem Platz steht.

Rosa Stavridis hat fast ihr gesamtes Leben in der Kneipe verbracht

Angefangen hatte Rosa Stavidris in der Kneipe „Zum Kiekenberg“, die ihr Ehemann damals in Holsterhausen leitete. Im Laufe der Zeit eröffnen sie die zweite Gaststätte „Kleinebram“ auf der Gemarkenstraße. Seit 1990 stand sie jedes Wochenende im Warsteiner am Zapfhahn. „Mein Traumjob war das absolut nicht, aber mein Mann hatte halt eine Kneipe und ich bereue ich keine einzige Sekunde“, erzählt Rosa Stavridis im Rückblick lachend.

Corona-Newsletter

Die Wirtsdame erinnert sich gerne an die goldenen Zeiten in der Gastronomie, als sie ihre Pforten schon morgens um 10 Uhr für das Frühschoppen öffnet oder als in der Kneipe noch geraucht werden darf. „Früher habe ich hinter der Theke eine nach der anderen gequarzt. Dabei bin ich Nichtraucherin“, gibt sie mit einem Zwinkern zu.

Zum Abschluss einen „Rosa-Wein“ mit den Gästen

Mitarbeiterin führt das Lokal weiter

Für Rosa Stavridis steht schon lange fest, dass ihr Lebenswerk den Betrieb nicht einfach einstellen soll in der Rente. Die Leitung übernimmt Simone Johannsen, die seit zehn Jahren im Warsteiner arbeitet.Sie schaut sich in der Kneipe um und ihr Blick schweift über die alten Holzbänke zur Theke in der Mitte mit den braunen Barhockern nach draußen zu den Tischen, an denen Gäste gerade auf den Feierabend anstoßen. „Ich liebe den Laden einfach“, sagt die Mitarbeiterin.Das Wirtshaus „Warsteiner“ ist in Holsterhausen auf der Gemarkenstraße 45 zu finden.

Ein besonderer Moment oder eine Anekdote fällt ihr auf die Schnelle nicht ein, zu viele schöne Erlebnisse verbinde sie mit ihrem Wirtshaus. Nur die Stadtteilfeste hebt sie besonders hervor. Dafür seien in der Vergangenheit sogar Stammgäste angereist, die zuvor in die Schweiz gezogen waren. Viele Gäste kennen sich schon seit Jahrzehnten, haben Freundschaften entwickelt und die Standortwechsel mitgemacht. „Hier ist es anders als woanders. Jeder kennt jeden und wenn ein Fremder reinkommt, wird der erstmal blöd angeguckt“, beschreiben nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Gäste.

„Das Wirtshaus ist wie ein Wohnzimmer für alle und wie mein Zuhause“, erklärt die Essenerin. Wenn sie über die Übergabe nachdenkt, sammeln sich Tränen in ihren Augen. Es fühle sich an, als würde ein Stück Herz weggerissen werden. An ihrem letzten Abend möchte sie deshalb noch einmal kräftig anstoßen. Am liebsten trinkt sie Rosé, der von ihren Gästen liebevoll „der Rosa-Wein“ genannt wird.

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Essen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++