Duisburg. Beim Besuch in Duisburg hat Bundeskanzler Olaf Scholz den Stahlkochern Mut gemacht. Diese Entscheidungen erwarten sie von einer neuen Bundesregierung.
Bei seinem Wahlkampf-Besuch bei Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) vor Betriebsräten und Vertrauensleuten aller 13 Standorte hat Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag den Stahlkochern Mut gemacht. „Wir sind sehr zufrieden mit seinem sehr empathischen und emotionalen Auftritt“, beschreibt IG Metall-Bezirksleiter Knut Gießler anschließend die Stimmung der Arbeitnehmer-Vertreter. Die formulieren klare Erwartungen an die Berliner Politik.
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„Die Politik muss jetzt endlich ins Handeln kommen“, sagt Tekin Nasikkol, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp. Gemeint sind Entlastungen bei den Energiepreisen über reduzierte Stromsteuer und Netzentgelte. Auch in der Handelspolitik sei dringender Handlungsbedarf: „Es kann nicht sein, dass grauer, subventionierter Stahl aus China in großen Mengen nach Europa kommt.“ Da müsse die Regierung Druck machen in Brüssel für einen Schutz der europäischen Stahlindustrie: „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“
Thyssenkrupp-Betriebsratschef: Kanzler Scholz sattelfest beim Besuch in Duisburg
Der Kanzler sei sattelfest in den energie- und handelspolitischen Themen, lobt Nasikkol. Auch er weiß, dass die Tage von Olaf Scholz im Amt womöglich gezählt sind. „Vielleicht bringen wir ihm ja Glück“, erinnert der Betriebsrat an den Besuch 2021 in Duisburg, drei Tage vor der Wahl.
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Längst ist der Kontakt zum möglichen Nachfolger geknüpft. Der Betriebsratschef und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz trafen sich bei einer CDA-Veranstaltung vor zwei Wochen in Bochum, dort gab‘s die Einladung zum Werksbesuch. „Einen konkreten Termin gibt’s noch nicht“, sagt Nasikkol.
Besuch bei TKSE soll auch Friedrich Merz überzeugen
Äußerungen, die Merz als Zweifel an der Zukunftsfähigkeit einer klimafreundlichen Stahlproduktion ausgelegt wurden, wolle er nicht auf die Goldwaage legen, sagt Nasikkol. „Er ist ein pragmatisch denkender Mann.“ Ein Besuch in Duisburg werde ihn davon überzeugen, dass die Dekarbonisierung die Zukunftschance für die deutsche Stahlindustrie und ihren größten Standort sei.
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Davon sei er überzeugt, betonte Olaf Scholz nach dem Werksbesuch am Dienstag. „Die Kundschaft wird von den Produzenten Nachhaltigkeit verlangen.“ Deshalb müsse die Dekarbonisierung nun angeschoben werden, um die Zukunftsfähigkeit der Stahlindustrie sicherzustellen. Mit dem Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes werde die Voraussetzung geschaffen für die Versorgung der ersten Direktreduktionsanlage, die bei TKSE im Bau ist.
Erforderlich sei außerdem eine „unternehmerische Perspektive“, so Scholz. Wird es einen vorübergehenden Einstieg des Staates geben in ein Gemeinschaftsunternehmen zwischen Thyssenkrupp und dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský? „Es darf nichts geben, das man ausschließt“, formuliert der Kanzler ähnlich wie sein politischer Mitbewerber Merz.
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Konzept für den Stahl: Betriebsräte unterstreichen ihre „rote Linie“
Wer auch immer nach dem 23. Februar in Berlin regiert, wird wissen wollen, wie sich Thyssenkrupp aufstellt. Dazu muss der Konflikt zwischen Vorstand und Mitbestimmung gelöst werden. Verhandlungen über ein Konzept, das den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen und Standortschließungen vorsieht, lehnt der Betriebsrat ab. „Keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Standortschließungen, das bleibt die rote Linie“, betont Tekin Nasikkol.
Das bedeute aber nicht, dass man nicht miteinander spreche. Stahlchef Dennis Grimm begrüßte am Dienstag als Hausherr den Kanzler. Der Ball, heißt es bei der IG Metall, liege jetzt im Spielfeld des Vorstands. Gleichwohl, sagt Knut Gießler, „wissen auch wir, dass wir für eine Verselbständigung des Stahls eine Restrukturierung brauchen.“
>> VERTRAUENSLEUTE: DEMOKRATEN MÜSSEN LÖSUNGEN FINDEN
- „Bei TKSE hat jeder Zweite eine Migrationsgeschichte“, sagt Dirk Riedel, „wir haben deshalb Angst vor einem Rechtspopulismus, der immer stärker wird.“
- Der Vorsitzende des Vertrauenskörpers von Thyssenkrupp Steel am Standort Hamborn/Beeckerwerth dankte am Dienstag dem Kanzler für klare Worte.
- „Die Demokraten in Berlin müssen schnell gemeinsame Lösungen finden, um die Wirtschaft zu unterstützen“, beschreibt Riedel die Botschaft an Olaf Scholz. Das sei das beste Mittel, um sich den Rückhalt der Belegschaften zu sichern.