Duisburg. Wahlkämpfer sind sich einig: Der Ton in Duisburg ist rauer geworden. Zuletzt scheint sich die Situation sogar noch zuzuspitzen. Was passiert ist.
Claus Linder ist ein hartgesottener Lokalpolitiker. Seit zehn Jahren sitzt er für die SPD in der Bezirksvertretung Hamborn, engagiert sich für seinen Stadtteil Marxloh. Hier ist er bekannt wie ein bunter Hund. Wenn so einer plötzlich übers Aufhören nachdenkt, weiß man, da ist was passiert.
Bei Claus Lindner ist es ein Angriff auf sein Zuhause: Er passierte wohl während der berüchtigten Bundestagsdebatte am Mittwoch, 29. Januar, an deren Ende die AfD der CDU zu einer Mehrheit verholfen hat, um die Migrationspolitik zu verschärfen. „Jemand hat versucht, unser Wohnzimmerfenster einzuschlagen“, sagt der 57-Jährige. Oder war es doch ein Schuss? „Noch weiß man nichts.“ Fest steht: In der Scheibe sind ein Loch und ein Riss zu sehen.

Angriff auf Duisburger SPD-Politiker? Der Staatsschutz ermittelt
Lindner ist Mandatsträger, deshalb hat sich der Staatsschutz eingeschaltet. Ob es sich um eine politisch motivierte Tat handelt, wird laut der Polizei Duisburg derzeit noch ermittelt. „An dem Tag sind auf der Straße noch drei weitere Fensterscheiben beschädigt worden“, sagt Sprecherin Julia Schindler.
Der Vorfall ist nicht spurlos an Lindner vorbeigegangen: „Natürlich mache ich mir Gedanken. Waren es irgendwelche Jugendliche oder war der Angriff politisch motiviert?“ Der Lokalpolitiker hat die Debatte an dem Tag im Livestream verfolgt und ist dabei aus Versehen auf die Seite geraten, auf der die AfD den Stream übertragen hat.
Auch interessant
„Die Kommentare dort waren heftig. Die Abstimmung wurde als Sieg gefeiert. Da war von Regierungs- und Machtübernahme die Rede. Die blauen Herzchen sind nur so geflogen. Es gab Kommentare im Sekundentakt, man konnte sie kaum noch lesen.“ Haben sich Leute in Marxloh von dieser Stimmung so hochschaukeln lassen, dass sie einen SPD-Politiker angegriffen haben? Lindner hält das zumindest für denkbar.

Er hat kurz darüber nachgedacht, sein Engagement an den Nagel zu hängen: „Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit meiner Frau. Familie geht über alles.“ Doch die Ehefrau reagiert cool: „Jetzt erst recht!“ Also macht Lindner weiter. Allerdings erschreckt ihn auch der harsche Ton, der inzwischen auf der Straße herrscht. „Es ist unglaublich, was wir im Wahlkampf zu hören bekommen: ,Ihr seid schuld an allem, man müsste euch aufhängen‘, ist nur ein Beispiel.“
Mann greift Ratsherrn der Grünen am Wahlstand an: Anzeige
Auch die Grünen beobachten, dass der Ton im Duisburger Wahlkampf immer rauer wird. Am Samstag gab es gegen 13 Uhr einen Vorfall am Wahlstand vor dem City-Palais, der für Jule Wenzel, der Kreisvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, eine neue Dimension hat. Zwei Ratsherrn der Partei, Kevin Galuszka und Ozan Aksu, sowie der Ex-Ratsherr Gerd Schwemm seien sehr lange von einem Mann beleidigt worden, so Wenzel.

„Dann wurde Ozan Aksu vollkommen unvermittelt von der Seite umgeworfen.“ Der Angreifer habe „kein Wort gesagt und ist stehengeblieben“, erzählt die Kreisvorsitzende. Auch der Pöbler sei geblieben. Die Wahlkämpfer haben die Polizei gerufen. Als die Beamten eintrafen, seien beide Männer noch da gewesen.
Jule Wenzel sagt: „Damit ist ein neues Level erreicht: Es war das erste Mal, dass jemand von uns tätlich angegriffen wurde. Und die Menschen bleiben stehen und gehen nicht weg, fühlen sich im Recht. Wie dreist kann man sein?“ Zum Glück seien die drei Grünen erfahrene Leute, die das Erlebte verpacken können.
- Die Lokalredaktion Duisburg hält Sie auch hier auf dem Laufenden: zum WhatsApp-Kanal + Duisburg-Newsletter gratis ins E-Mail-Postfach schicken lassen + Instagram + Facebook +
Die Polizei bestätigt, dass es Anzeigen gegen die beiden Männer gehagelt habe: Drei Anzeigen gegen den einen Mann wegen Beleidigung und Bedrohung, wegen Körperverletzung gegen den anderen. Ihm erteilte Polizei zudem einen Platzverweis.
Was die Grünen aber auch feststellen: Außenstehende mischen sich zunehmend ein, zeigen verstärkt Zivilcourage. Das sei auch am Samstag so gewesen und passiere ebenfalls, wenn Grüne aus fahrenden Autos beleidigt würden: „Dafür sind wir sehr dankbar. Der Zuspruch hat zugenommen.“

CDU-Ratsfrau Sonja Dietl hatte der Redaktion noch am Freitag auf Nachfrage berichtet, aus ihrer Sicht sei der Wahlkampf nicht rauer als sonst auch. Das sieht die Walsumerin inzwischen anders. Auch sie spricht jetzt von einer „neuen Dimension“. Denn am Sonntag entdeckte sie in Overbruch ein verschandeltes Wahlplakat. Jemand hatte ein Foto von Elon Musk mit Hitlergruß über den Namen des Bundestagskandidaten Björn Pollmer geklebt. „Unglaublich! Das Foto war sogar eingeschweißt.“
Auch die CDU erwägt eine Anzeige. Es dürfte nicht die letzte bis zur Bundestagswahl bleiben.