Duisburg. Bernhard Schmeltzer (85!) schließt sein 1881 gegründetes Geschäft. Der Uhrmacher erlebte Außergewöhnliches. Was Kunden beim Räumungsverkauf erwartet.
Er hat die Uhren mehrerer russischer Zaren restauriert. Er hat Bücher geschrieben, die zu Standardwerken für Uhren-Sammler und -Händler avancierten. Und Bernhard Schmeltzer hat seit 1961 das Geschäft geführt, das seine Familie 1881 in der Duisburger Innenstadt gründete. Ende Januar schließt der 85-Jährige „Schmeltzer Antik“, seinen Laden und die Werkstatt an der Untermauerstraße, am Kuhtor. Zum Ende dieser Ära gibt der bekannte Spezialist für die Bewertung und Restaurierung historischer Uhren 40 Prozent Rabatt. Auf Schnäppchenjäger warten im Räumungsverkauf ganz besondere Modelle.
„Alles hat seine Zeit“, sagt Bernhard Schmeltzer zum endgültigen Ende seiner Berufstätigkeit. Der Abschied aber „fällt mir nicht schwer“. Der Juwelier und Uhrmachermeister blickt mit der Zufriedenheit eines international gefragten Fachmanns zurück, dem seine Leidenschaft viele Erfolge und exklusive Einblicke beschert hat.
Bernhard Schmeltzer: Uhrmacher und Händler, Autor und Restaurator
Nach der Lehre in Mülheim und einem Abstecher nach Freiburg übernahm er 1961 nach dem Tod seiner Mutter und der Erkrankung des Vaters im Alter von 22 Jahren das Geschäft, in das einst sein Großvater eingestiegen war. Seit 1913 war es im Haus der Familie an der Kuhstraße 3 untergebracht.
Anfang der Sechziger „gab es in der Duisburger Innenstadt noch 14 Uhren- und Schmuckgeschäfte“, erinnert Schmeltzer an die Wirtschaftswunderjahre. 1964 absolvierte der neue Inhaber seine Meisterprüfung, machte sich schnell einen Namen als Experte für Gold- und Brillantschmuck.
1981 begann Schmeltzer, historische Uhren zu sammeln: Zum 100. Firmenjubiläum stellte er 50 Uhren aus 100 Jahren zusammen und ordnete diese bekannten Menschen zu, die mal in Duisburg waren. In den Jahren darauf recherchierte, tippte und fotografierte der Geschäftsmann vor Ladenöffnung und nach Feierabend für sein erstes Buch: „Für den Sammler und Uhrenfreund“ erschien ab 1986 in sechs Auflagen, später „Taschen- und Armbanduhren richtig sammeln“ sowie „Die automatische Armbanduhr“.
Nicht ohne Stolz sagt der Autor: „Ich habe 36.000 Bücher verkauft.“ An den von ihm dokumentierten Qualitäts- und Altersmerkmalen orientieren sich Sammler und Händler bis heute. Auch als Heimatforscher publizierte Schmeltzer: 1983 erschien der historische Wegweiser „Alt-Duisburg neu entdecken“.
Uhren der Zaren und Maharadschas restauriert
Ein weiteres Kapitel in der Karriere der Präzionsuhr-Koryphäe begann 1988 mit der Gründung des „Fachkreises historische Uhren Schloss Raesfeld“. Dieser Verein schickte Jahr für Jahr etwa fünf Mitglieder nach St. Petersburg. In Russland hatte man von der Expertise der deutschen Handwerksmeister gehört. Sie wurden gegen Kost, Logis und Kulturprogramm in die Museen und Paläste geschickt, um antike Uhren der Zaren zu restaurieren und in Gang zu bringen.
So durfte Schmeltzer etwa die Reiseuhr von Nikolaus I. (von 1825 bis 1855 Kaiser von Russland) reparieren, auch die des letzten Zaren, Nikolaus II. „Die Taschenuhr von Alexander II.“, erinnert sich Schmeltzer, „hatte noch eine Beule von der Bombe“. Der Zar war am 1881 einem Bomben-Attentat zum Opfer gefallen.
Die Uhrmacher-Freunde hätten „wie Ärzte vor einer OP beraten, welche Behandlung wir einer bestimmten Uhr zukommen lassen“, erzählt Schmeltzer. Einmal reparierte der Duisburger eine Pendeluhr im Katharinenpalast, „genau über dem Bernsteinzimmer“. Die Mission der Handwerksmeister führte ihn 17-mal nach Russland und zweimal nach Indien: Im Palast des Maharadschas restaurierte er ebenfalls unbezahlbare Kostbarkeiten.
Für Schmeltzer aber bemisst sich der Wert einer Uhr nicht allein an deren Selten- und Beschaffenheit. „Ich verbinde mit einer Uhr Geschichten über Herkunft, Mode, Materialien, über das Leben und den Charakter des Trägers. Über jede historische Uhr könnte ich 20 Stunden lang reden.“ Er dachte auch mal daran, mit seiner Expertise ins Guinessbuch der Rekorde oder zu „Wetten, dass ... ?“ zu kommen – aber als Selbständiger und gefragter Spezialist fand er keine Zeit. Die nutzte er lieber für die Weiterbildung: In Seminaren zeigte er Teilnehmern aus ganz Deutschland, wie man eine Uhr komplett auseinandernimmt und wieder zusammenbaut.
2001 übernahm sein Sohn Micha das Schmuck- und Uhrengeschäft an der Kuhstraße 3. Dieser wiederum übergab 2010 an den Juwelier Fine Art, der das Ladenlokal bis heute nutzt. Schmeltzer Senior selbst richtete sich 2001 auf der anderen Seite des Gebäudes, an der Mauerstraße, sein Spezialgeschäft und seine Werkstatt für historische Uhren ein. Noch mit Anfang 80 hatte der Uhren- und Menschenfreund eine Sechs-Tage-Woche. Seit ein paar Monaten öffnet er nur noch dienstags und donnerstags.
„Ich könnte über jede historische Uhr 20 Stunden reden.“
13 Jahre verheiratet, 44 Jahre getrennt – nun wieder vereint
„Mir fehlt die Kraft“, sagt der 85-Jährige. Er freue sich darauf, bald noch mehr deutsche Klassiker lesen zu können, und auf die Zweisamkeit mit seiner neuen alten Liebe, das ist noch so eine besondere Geschichte: Von 1964 bis 1977 waren er und Käthe Dlugos verheiratet, danach haben sie sich 44 Jahre lang nicht gesehen und eigene Familien gehabt. Seit zwei Jahren sind sie wieder ein Paar. „Das ist ein sehr schönes Gefühl“, sagt Dlugos. Die 83-Jährige hilft im Laden. „Mit Handreichungen“, sagt sie, „als ganz wichtige Stütze“, erwidert er.
Im Januar wird auch Sohn Micha die beiden beim Räumungsverkauf unterstützen. Kunden bekommen 40 Prozent Rabatt auf alles, auf historische Uhren, Wand- und Armbanduhren „von 400 bis 8750 Euro“, sagt Schmeltzer. Das kostbarste Stück ist eine historische Taschenuhr aus dem Jahr 1910, deren Schlagwerk auf Knopfdruck und per Klingelton die Zeit akustisch wiedergibt.
Sammlerstücke und Antiquitäten im Räumungsverkauf
Auch eine der über Jahrzehnte begehrten Schmeltzer-Uhren ist noch zu haben: Der Geschäftsmann ließ ausgewählten Uhren, die seinen hohen Ansprüchen optisch und technisch genügten, seinen Firmennamen aufs Gesicht setzen. Inzwischen sind diese Uhren unterschiedlicher Hersteller selbst Sammlerstücke. Das verbliebene Modell ist eine Skelett-Uhr mit sichtbarem Werk. Sie kostet 1945 Euro. Die Angebote können Interessierte der Seite www.schmeltzer-antik.de entnehmen.
Drei Uhrmacher (siehe Infobox) empfiehlt der Meister Kunden für die Zukunft ohne ihn. Am 30. Januar wird nach 144 Jahren zwar die Zeit eines Duisburger Traditionsgeschäftes abgelaufen sein. Bernhard Schmeltzer aber wird Hunderten Kunden, Duisburgern und Uhrenfreunden noch lange Zeit in Erinnerung bleiben.
>> „Schmeltzer Antik“ in Duisburg: Öffnungszeiten und Empfehlungen
„Schmeltzer Antik“ an der Untermauerstraße 6 (47051 Duisburg-Zentrum) hat bis Ende Januar 2025 nur noch dienstags und donnerstags, jeweils von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr geöffnet (aber nicht zwischen den Jahren).
Telefonisch ist Bernhard Schmeltzer während der Öffnungszeiten zu erreichen: 0203 298 1429.
Er empfiehlt Uhrmachermeister: Detlef Oepen (Viktoriastraße 2, DU-Friemersheim), Zeitpunkt (Hultschinerstraße 81, DU-Wanheimerort) und insbesondere für klassische und antike Uhren Andreas Hidding (Freiheit 5, 46348 Raesfeld).
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