Duisburg. Die Beratungsstellen in Duisburg führen jährlich über tausend Schwangerschaftskonfliktberatungen durch. Warum auch diese Frauen betroffen sind.
Ungewollt schwanger zu werden, ist für viele Frauen ein Schock. In Duisburg helfen Beratungsstellen bei der Entscheidung, wie es weitergehen kann. Manche von ihnen stellen auch den Beratungsschein nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung aus. Gesetzlich ist es nur damit möglich, eine Abtreibung einzuleiten.
Landläufig wird unterstellt, dass vor allem Teenager betroffen sind. Die Beratungsstellen in Duisburg sehen eine andere Altersgruppe indes doppelt so häufig.
Schwangerschaftskonfliktberatung: Nachfrage seit Jahren konstant
Die Nachfrage ist seit Jahren relativ konstant, das Gros der Frauen sei zwischen 22 und 39 Jahren, inmitten ihrer fruchtbaren Jahre, sagt Marlen Döhl von Pro Familia, wo die meisten Anfragen in Duisburg landen. Minderjährige sind sehr selten vertreten, berichten auch die anderen Beratungsstellen. 2023 kamen nur 20 junge Frauen zwischen 14 und 17 Jahren zu Pro Familia.
Auffällig hingegen: Doppelt so viele Hilfesuchende waren zwischen 41 und 50 Jahren. Das bestätigt auch Kirstin Dinse-Yildiz von der Evangelischen Beratungsstelle.
Diese Frauen haben in der Regel mit der Familienplanung abgeschlossen und sind zum Teil schon auf dem Weg in die Wechseljahre. Ursächlich für die ungeplante Schwangerschaft seien meist Verhütungspannen wie ein gerissenes Kondom, eine schlecht sitzende oder schon zu lange benutzte Spirale, erklärt Döhl. Aber auch ein Antibiotikum, das die Wirkung der Pille herabgesetzt hat, der Irrglaube, wegen der Wechseljahre schon unfruchtbar geworden zu sein, könnten eine Schwangerschaft begünstigen, ergänzt Dinse-Yildiz.
Bei Pro Familia werden jährlich rund 900 Schwangerschaftskonfliktberatungen durchgeführt, über 100 sind es bei der Evangelischen Beratungsstelle, über 260 waren es in diesem Jahr schon bei der katholischen Beratung Haus im Hof. Wie viele der Frauen am Ende tatsächlich einen Abbruch vornehmen, ist unbekannt.
Über 23.000 Schwangerschaftsabbrüche in NRW 2023
In NRW wurden im vergangenen Jahr 23.551 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Lokale Zahlen gibt es nicht, zumal nicht alle Regionen gleichermaßen auf Arztpraxen zugreifen können, die den Eingriff durchführen. Der Ort des Abbruchs ist daher häufig nicht identisch mit dem Wohnort der Frauen.
In Duisburg können die Beratungsstellen an sechs Praxen vermitteln. Nur ein Arzt geht offen damit um und bewirbt das Angebot auch auf seiner Webseite. „Die Versorgungslage ist hier viel besser als etwa im Münsteraner Raum“, sagt Marlen Döhl. Einige gehen aber demnächst in Rente und Schwangerschaftsabbrüche sind weiterhin nicht Teil des Medizinstudiums, bedauert die Expertin. Wenn sich nicht genug Gynäkologen auf die nötige Fortbildung einlassen, könnte es also enger werden für die Frauen.
„Das ist eine Lebensentscheidung, die niemand einfach so fasst“
„Die allermeisten von ihnen kommen mit einem gefassten Entschluss in die Beratungsstelle“, sagt Döhl, sie brauchen noch den verpflichtenden Beratungsschein. Nach drei Wartetagen kann dann der Eingriff medikamentös oder operativ vorgenommen werden. Döhl und ihre Kolleginnen beraten zu den möglichen Methoden und geben eine Liste der Arztpraxen heraus. Bezahlen müssen die Frauen selbst, nur bei Geringverdienern übernimmt das Land die Kosten von 270 bis 500 Euro.
„Das ist eine Lebensentscheidung, die niemand einfach so fasst“, betont Döhl. Der Körper der Frauen verändere sich schon in den ersten Wochen spürbar, die Entscheidung zu einem Abbruch sei ein innerer Prozess. Bei einer Entscheidung für einen Abbruch der Schwangerschaft gebe es selten den einen Grund. „Es ist meist eine Gemengelage. Die Frauen fühlen sich zu alt oder zu jung, haben finanzielle Sorgen oder Partnerschaftsprobleme“, zählt sie auf. Ihr Auftrag sei, neutral zu beraten.
Vereinzelt habe sie auch schon Frauen beraten, die aufgrund ihrer Religion oder tief verankerter Glaubenssätze zuvor gegen Abtreibungen eingestellt waren. „Wenn sie plötzlich selbst betroffen sind, ist es oft schwer, das übereinander zu bringen, wir helfen dann, diesen Konflikt besser zu verpacken“, sagt Döhl. Es gehöre zum Leben, eigene Werte zu hinterfragen und durch biografische Ereignisse dazuzulernen.
„Ich vertraue auf die Entscheidungskompetenz der Frauen“
Die Kriminalisierung von Abtreibungen macht es den Beraterinnen ebenfalls nicht leichter. Durch den Beratungsschein wird der Abbruch lediglich straffrei. Döhl würde sich freuen, wenn es der Bundesregierung gelingen würde, noch vor der Wahl das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch zu verändern und die Stigmatisierung von Frauen zu beenden.
Gerne würde sie in der Beratung versichern, dass die Frauen nichts Illegales tun, sondern ihr Recht wahrnehmen. „Ich vertraue auf die Entscheidungskompetenz der Frauen“, betont Döhl.
Pro Familia hätte jedenfalls auch ohne Beratungsschein-Gespräche genug zu tun. Prävention, sexualpädagogische Aufklärung in Schulklassen, sozialrechtliche Beratung von werdenden Eltern, Wochenbett-Begleitung gehören zum Angebot. Künftig würde das Team auch gern mehr Zeit in Regenbogenfamilien investieren. Eine Zukunftshoffnung.
>> Personalmangel im Gesundheitsamt: Nur wenige Schwangerschaftskonfliktberatungen
Auch das Gesundheitsamt der Stadt Duisburg bietet Schwangerschaftskonfliktberatungen an. 2022 gab es 31 Beratungen, schreibt Pressesprecher Christoph Witte, 2023 waren es sechs. Dieses Jahr sind es bislang (Stand September) 19. Die Zahlen belegen vor allem, dass eine Stelle lange nicht besetzt war und es entsprechend keine Kapazitäten gab, betont er. „Sie sagen wenig über den tatsächlichen Bedarf aus.“
Witte erklärt, dass es aus fachlicher Sicht genug Angebote in der Stadt gibt, was Beratungen zum Thema Familie betrifft.
Pro Familia sieht zumindest im Bereich Walsum eine Unterversorgung für Schwangerschaftskonfliktberatungen und wird ab dem kommenden Jahr einmal die Woche vor Ort sein.
>> ABBRUCH NACH MEDIZINISCHER ODER KRIMINOLOGISCHER INDIKATION
Schwangerschaften nach Vergewaltigungen sind „totale Einzelfälle“, sagt Marlen Döhl von Pro Familia, für sie gelten aufgrund der kriminologischen Indikation andere Regeln, die Frauen müssen auch kein Beratungsgespräch führen.
Außerdem gibt es medizinisch indizierte Abbrüche, etwa wenn ein Kind aufgrund schwerster Erkrankungen nach der Geburt nicht überlebensfähig ist. Nach Einschätzung von Ärzten kann dann auch im fortgeschrittenen Schwangerschaftsverlauf noch ein Abbruch erwogen werden.