Duisburg. Hunderte Haltestellen in Duisburg sind weiterhin nicht barrierefrei. Stadt und DVG haben zusammen Fördermittel in Millionenhöhe nicht abgerufen.

Die Vorgabe des Gesetzgebers war eindeutig: Bis 1. Januar 2022 sollten bundesweit alle Bus- und Bahn-Haltestellen barrierefrei sein. Doch davon ist Duisburg immer noch weit entfernt: Die Stadt teilt auf Nachfrage der Redaktion mit, dass laut eines Berichts des Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) aus September 2023 nur 488 von 1426 Haltestellen barrierefrei ausgebaut waren und sich 25 im Umbau befanden. Aktuellere Zahlen liegen demnach nicht vor. Die Stadt führt keine eigene Statistik.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Für Lothar Ebbers, Pressesprecher des Fahrgastverbands Pro NRW, ist so oder so klar: „Die Stadt hat dieses wichtige Thema zwei Jahrzehnte lang nur vor sich hergeschoben.“ Die Verantwortlichen hatten demnach seit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Novelle des Personenbeförderungsgesetzes neun Jahre Zeit, das Ziel zu erreichen.

Hunderte Haltestellen in Duisburg weiterhin nicht barrierefrei

Allerdings hat der Rat der Stadt erst am 25. November 2021 die Teilfortschreibung des Nahverkehrsplans zur Barrierefreiheit im ÖPNV beschlossen. In diesem Zusammenhang fiel bei einer umfangreichen Bewertung der Situation auf, dass rund 74 Prozent der 1227 Bushaltestellen nicht barrierefrei sind. So kam die Stadt nicht umhin, eine Prioritätenliste zu erstellen.

Bei den Straßenbahnen und Stadtbahnen sah das anders aus. So waren nach Angaben des Stadtsprechers Peter Hilbrands zum Zeitpunkt der Erfassung 64 Prozent der Bahnsteige barrierefrei. Und für den weiteren Ausbau hätten bereits konkrete Pläne inklusive einer Zeitschiene vorgelegen.

Stadt wehrt sich gegen Kritik

Unterm Strich sei es aber aufgrund der großen Zahl an barrierefrei umzubauenden Haltestellen nicht möglich gewesen, das vom Gesetzgeber geforderte Zeitziel einzuhalten – wie in anderen Großstädten auch, so Hilbrands. Für Oberhausen gilt dies zum Beispiel allerdings nur bedingt. Dort sind bereits seit vielen Jahren immerhin weit über 90 Prozent der Haltestellen barrierefrei.

In Duisburg, sagt der Stadtsprecher, hätten in erster Linie knappe Haushaltsmittel zu Verzögerungen geführt und auch fehlende personelle Kapazitäten – Punkte, die den Duisburger Ratsherrn und Nahverkehrsexperten Frank Heidenreich (CDU) mit mehreren Ämtern im VRR sehr verärgern. Schon im Oktober 2021 hatte er betont, dass der VRR für neue Maßnahmen zum barrierefreien Ausbau von Haltestellen 100 Prozent der förderfähigen Kosten bewillige. Es gebe spätestens seitdem kein Ausbüchsen mehr, dass den Kommunen das Geld für den Eigenanteil fehle. 

Der CDU-Nahverkehrsexperte Frank Heidenreich kritisiert die Stadt Duisburg mit Blick auf die bisher wenigen barrierefreien Haltestellen. 
Der CDU-Nahverkehrsexperte Frank Heidenreich kritisiert die Stadt Duisburg mit Blick auf die bisher wenigen barrierefreien Haltestellen.  © Heidenreich

Es habe von Seiten des Verkehrsverbunds in der Vergangenheit mehrere Gespräche mit der Stadt gegeben. „Mal hieß es, es fehle das Geld, dann fehlten die Planer“, so Heidenreich. Der VRR habe seinerzeit auch in Duisburg angefragt, ob er einen gemeinsamen Planungspool für mehrere Städte bestellen soll. Dies habe Duisburg abgelehnt – mit der Begründung, man kriege das hin. Am Ende habe es nicht geklappt.

„Herr Heidenreich ist über die Rahmenbedingungen und Beschränkungen umfassend informiert“, stellt der Stadtsprecher dazu lediglich fest.

Mehrere Millionen nicht abgerufen

Was dazu passt und den Ratsherr zudem aufregt: Die Stadt und Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) haben zuletzt nur einen Bruchteil der bereits bewilligten Fördermittel abgerufen, die in erster Linie für den barrierefreien Ausbau von Haltestellen vorgesehen sind. Ein weiterer VRR-Bericht offenbart das Ausmaß: Bei der Stadt sind es allein für das Jahr 2023 nur 11.600 Euro von insgesamt 598.200 Euro und bei der DVG lediglich 1.123.600 von 5.567.200 Euro.

Auch interessant

Laut DVG beziehen sich die in dem VRR-Bericht ausgewiesenen Fördermittel auf insgesamt vier Maßnahmen – darunter der barrierefreie Ausbau der Haltestelle „Feuerwache“ in Hamborn. Dafür seien 116.400 Euro abgerufen worden. Eine weitere Maßnahme betrifft den Ausbau der Straßenbahnlinie 903 Duisburg-Meiderich (Neumühler Straße/Bahnhofstraße). Hier habe die DVG 2023 wegen „Lieferkettenproblematiken“ und eines „Verzugs in den geplanten Bautätigkeiten“ nur über eine Million Euro abgerufen.

Antrag auf Verlängerung

Es sei daraufhin eine Verlängerung des Durchführungs- und Bewilligungszeitraumes beim VRR beantragt worden. Mit Erfolg. So habe die DVG im ersten Quartal 2024 bereits weitere 1,5 Millionen Euro der bereitgestellten Fördermittel abgerufen. Für 2025 seien rund 3,7 Millionen und für 2026 fast 2,5 Millionen Euro beantragt worden.

Bleibt die Frage, warum die Stadt 2023 nur 11.600 Euro der bewilligten Mittel abgerufen hat? Schließlich hat sie im vergangenen Jahr nach ihren Angaben alle acht vorgesehenen Bushaltestellen barrierefrei ausgebaut. Fertiggestellt wurden zum Beispiel auch die beiden Stationen Landschaftspark-Nord . Es ist aber nur die Verwaltungskostenpauschale abgerufen worden. Die Stadt erklärt dies mit noch fehlenden Rechnungen. Sobald diese vorliegen, sollen 2024 Mittel in Höhe von 275.800 Euro abgerufen werden. Aber auch dies wäre noch nicht mal die Hälfte der für 2023 bewilligten Fördergelder.

VRR musste schon Fördermittel zurückerstatten

Der VRR stellt in seinem Bericht klar, dass dieses Vorgehen höchstproblematisch werden kann. So musste der Verkehrsverbund in der Vergangenheit immer wieder Teile der von den Städten nicht oder nicht vollständig abgerufenen Mittel dem Land zurückerstatten. Duisburg ist nach Angaben der Stadt und DVG davon bisher nicht betroffen.

Entscheidend ist dabei eine 18-Monats-Frist. Das bedeutet zum Beispiel, dass im Jahr 2023 nicht abgerufene Mittel in der Regel spätestens bis zum 30. Juni 2025 abgerufen werden müssen. „Wir sind zuversichtlich, dass die Mittel aus den genannten Zuwendungsbescheiden für den barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen vollständig abgerufen werden“, erklärt Stadtsprecher Hilbrands.

„Wir sind zuversichtlich, dass die Mittel für den barrierefreien Ausbau der Bushaltestellen vollständig abgerufen werden.““

Peter Hilbrands, Pressesprecher der Stadt Duisburg

Er betont zudem, dass für den barrierefreien Ausbau von Stadtbahnhaltestellen alle bewilligten Fördermittel „im Zuge des vorgesehenen Baufortschrittes termingerecht abgerufen wurden“, so der Stadtsprecher. Einzig bei der Nachrüstung von Aufzügen in der Station „Steinsche Gasse“ sei während der Umsetzung ein Auftragnehmer für die Rohbauarbeiten ausgefallen, was in Abstimmung mit dem VRR zu einer Verlängerung der Maßnahme führe.

Für dieses Jahr habe die Stadt Fördermittel für den Umbau der Haltestelle Karl-Jarres-Straße (rund 1,2 Millionen Euro) und Steinsche Gasse (100.000 Euro) abgerufen. „Wir arbeiten“, so der Stadtsprecher, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an der barrierefreien Umgestaltung der ÖPNV-Haltestellen.“

>> AUCH STÄDTE WIE DÜSSELDORF ODER ESSEN RUFEN FÖRDERMITTEL NICHT AB

  • Wie der VRR mitteilt, wurden 2023 auch in anderen Städten nur ein Bruchteil der bereits bewilligten Fördermittel abgerufen, die in erster Linie für den barrierefreien Ausbau von Haltestellen gedacht sind.
  • Bei der Stadt Düsseldorf waren es zum Beispiel nur 243.000 von 1.270.300 Euro und bei der Rheinbahn lediglich knapp 6,6 Millionen von rund 16,7 Millionen Euro und in Essen 390.000 von 438.900 Euro beziehungsweise 405.500 Euro von fast neun Millionen Euro.