Duisburg. Während sie um ihren Sohn trauert, wird die Duisburgerin Liselotte Ellwart Opfer einer perfiden Betrugsmasche. Betrüger kannten intime Details.

Noch heute glaubt sie manchmal, es sei wirklich geschehen. Lieselotte Ellwart sitzt in ihrem gemütlichen Seniorenapartment im Duisburger Süden und sinkt tiefer in ihren Sessel. „Es war so echt, alles klang so realistisch. Wie kann man mit der Trauer von Menschen Geschäfte machen?“

Die 87-Jährige ist Opfer eines Schockanrufs geworden, zum Glück ohne finanzielle Schäden. Doch seelische Narben sind geblieben. Denn so verwerflich die „normalen“ Schockanrufe der Betrügerbanden eh schon sind, Lieselotte Ellwarts Fall ist noch einmal perfider.

Denn am 18. Juli stirbt ihr Sohn Jürgen, und die Verbrecher machen sich die Trauer, die Aufgewühltheit zunutze. Am Mittwoch, 24. Juli, erscheint in dieser Zeitung die Traueranzeige für Jürgen Ellwart, einen Tag später klingelt das Telefon auf dem kleinen Tischchen direkt neben Ellwarts Lieblingssessel. „Normalerweise schaue ich auf die Nummer, wenn ich sie nicht kenne, gehe ich auch nicht ran“, sagt die Seniorin, doch in dieser Ausnahmesituation denkt sie ausnahmsweise nicht daran.

Duisburger Seniorin bekommt Schockanruf nach Tod des Sohnes

Am anderen Ende der Leitung spricht angeblich Timo, der Freund ihrer Enkelin ist. Julia habe an der niederländischen Grenze eine rote Ampel missachtet, ein Mensch sei schwer verletzt, ein anderer sogar tot. Jetzt sitze Julia im Polizeigewahrsam. „Da hab ich gedacht: ‚Auch das noch‘“, sagt Ellwart, und dann: „Ich kann nicht mehr.“

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Dass es vielleicht gar nicht Timo ist, der da mit ihr spricht, das kommt Lieselotte Ellwart in diesem Moment gar nicht in den Sinn. Zu tief sitzt der Schock. Der falsche Timo bittet die Seniorin, sich zu beruhigen, und fordert dann: „Sag Gabi nichts“. Gabi ist Julias Mutter, auch das wissen die Betrüger aus der Todesanzeige. Auch der Ort des vermeintlichen Unfalls ist kein Zufall, Enkelin Julia lebt nämlich tatsächlich nahe der niederländischen Grenze. „Das werden die im Internet herausgefunden haben“, vermutet Ellwart.

Betrüger konstruieren reales Szenario – dank Todesanzeige und Internet

„Timo“ reicht den Hörer dann an einen „Staatsanwalt“ weiter, der sich mit Fragen nach der anderen Enkelin Sophie und ihrem Freund Chris Lieselotte Ellwarts Vertrauen erschleicht – die Namen stehen auch in der Todesanzeige. „Wir brauchen ihre Hilfe“, heißt es dann, eine Kaution, um Julia aus dem Polizeigewahrsam auszulösen. „Wenn das in Deutschland passiert wäre, wäre ich vielleicht stutzig geworden“, sagt Ellwart, „aber mit den niederländischen Gesetzen kenne ich mich ja nicht aus.“ Und dann ist da noch der Schock, die zweite Tragödie nach dem Tod des Sohnes.

Narben auf der Seele: Die Duisburger Seniorin Lieselotte Ellwart wurde Opfer eines besonders perfiden Schockanrufs.
Narben auf der Seele: Die Duisburger Seniorin Lieselotte Ellwart wurde Opfer eines besonders perfiden Schockanrufs. © FFS | Jonas Schlömer

Die Seniorin schöpft deswegen keinen Verdacht, auch nicht, als die Betrüger erst nach Bargeld, dann nach Schmuck und schließlich tatsächlich nach Goldbarren fragen. Schmuck und Gold hat Ellwart nicht, und nur eine kleine Summe Bargeld. Völlig überzeugt vom Szenario bietet sie dem „Staatsanwalt“ an, Geld bei der Sparkasse abzuheben. Das lehnt der aber sofort ab und beendet abrupt das Telefonat – die Betrüger scheinen zu wissen, dass Bankmitarbeiter mittlerweile auf verdächtige Kontobewegung gerade bei Senioren achten.

Schockanruf hat bei Duisburger Seniorin seelische Narben hinterlassen

Der Schockanruf ist zwar vorbei, Lieselotte Ellwarts Tortur aber noch lange nicht. „Ich habe vier Stunden einfach nur hier gesessen“, erzählt sie, und zittert auch zwei Wochen später noch beim Gedanken an jenen Tag. Schließlich ringt sie sich dazu durch, ihre andere Schwiegertochter anzurufen – die in diesem Moment zufällig mit Gabi Ellwart zum Kaffeetrinken verabredet ist. „Selbst da habe ich noch darauf bestanden, dass sie Gabi nichts erzählt. Es war alles so real.“

Nach dem kryptischen Anruf von Lieselotte Ellwart kommen die beiden Frauen sofort in ihr Seniorenapartment und können schnell beruhigen – Julia sitzt nicht im Gefängnis, Julia hat niemanden totgefahren. Ein Trost für die Seniorin, wenn auch ein schwacher. Der vermeintliche Unfall hat sich tief eingebrannt, noch heute gibt es Momente, in denen er für sie real ist. „Wenn ich im Fernsehen höre, dass jemand totgefahren wurde....“. Den Satz beendet Lieselotte Ellwart nicht.

Die Frauen rufen sofort die Polizei an, aber die macht dem Trio keine Hoffnung. Für Lieselotte Ellwart steht jedenfalls fest, dass sie jetzt noch penibler auf die Nummern von Anrufern schaut, „und, dass ich mir von niemandem verbieten lasse, mit anderen Leuten über etwas zu sprechen.“ Von Traueranzeigen würden sie nun abraten, sagen die Frauen, denn selbst mit den wenigen Informationen konnten die Betrüger ein bedrohliches, reales Szenario aufbauen. „Deswegen wollte ich meine Geschichte erzählen“, sagt Ellwart, „vielleicht kann ich so andere Menschen vor einem ähnlichen Schicksal bewahren.“

Unter duisburg.polizei.nrw gibt die Polizei Tipps, wie Menschen Schockanrufe entlarven können und sich richtig verhalten. Dort gibt es auch die Kontaktdaten des Beamten, der sich um die Prävention solcher Betrugsmaschen kümmert.