Duisburg. Helga Scheiber (79) verbrachte ihre Kindheit in Marxloh und Beeck. Erinnerungen an die Kirmes, Horten in Marxloh – und an einen bösen Stiefvater.

Am Nachmittag ist Tanzcafé, da will sie unbedingt hin. Vorher hat Helga Scheiber aber ein bisschen Zeit, für uns in Erinnerungen zu kramen. Wir interessieren uns für die Sommer ihrer Kindheit, die die Duisburgerin in Marxloh und Beeck verbracht hat.

Kurz vor Ende des Kriegs 1945 geboren, sind die ersten Kindheitserinnerungen in Marxloh vor allem geprägt von Enge. „Mit meiner Mutter sind wir nach der Evakuierung aus Dessau in ein kleines Zimmerchen bei den Großeltern gezogen.“

Nachkriegs-Kindheit in Marxloh: Es kamen Päckchen aus Amerika

Die Oma habe viel improvisiert und ihr Sachen zum Anziehen genäht. Ihre Schulzeit verbrachte sie an der Comenius-Volksschule. Besonders verheißungsvoll seien die Hilfspakete der amerikanischen Verwandtschaft gewesen.

In ihrer Kindheit war der Hof hinterm Haus der Spielplatz. „Hier haben wir uns immer getroffen“, erzählt Helga Schreiber, die vor einem Jahr vom Ostacker ins Ernst-Ermert-Seniorenheim in Duissern gezogen ist. Für den Besuch hat sie sich schick gemacht, die Hose hat Leoparden-Printmuster, die weiße Bluse zeigt Schulter. „Das ist mir wichtig“, betont sie.

Mit ihrem Bruder teilte sie sich Anfang der 50er Jahre ein Rad und ein Paar Rollschuhe. Wenn mehr Kinder zusammenkamen, war „Dreh dich nicht um, denn der Plumpssack geht herum“ das liebste Spiel. Wenn der Eiswagen kam, hat manchmal eine Nachbarin ein Eis ausgegeben, weil sie ihr beim Einkaufen half. „Zehn Pfennig für eine Kugel waren viel Geld.“

Helga Scheiber aus dem Ernst-Ermert-Seniorenheim erzählt lebendig von ihrer Kindheit in den 50er Jahren in Duisburg.
Helga Scheiber aus dem Ernst-Ermert-Seniorenheim erzählt lebendig von ihrer Kindheit in den 50er Jahren in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Beecker Kirmes war ein Höhepunkt im Jahr

Ein besonderer Sommer-Höhepunkt sei die Beecker Kirmes gewesen. Mit abgezähltem Geld sei sie mit ihren Freunden hingegangen, für eine Fahrt mit der kleinen Bimmelbahn. „Damals gab es da noch echte Pferde, aber die haben mir immer leid getan, die hatten bestimmt Durst.“ Kirmes-Sonntag ging es mit der ganzen Familie noch mal nach Beeck, „dann durfte jeder eine Wurst essen“.

An Marxloh hat sie gute Erinnerungen, „das war bombig, da gab es alles, Horten, Sinn“, zählt sie auf, auch „als kleines Mädchen bin ich dort immer gut behandelt worden“.

Helga Scheiber (79) als junge Frau im Stadtpark von Marxloh. 
Helga Scheiber (79) als junge Frau im Stadtpark von Marxloh.  © WAZ | Helga Schreiber

Schwimmen im Schwelgernbad, Sonnenbaden am Rhein

In ihrer Kindheit war das Schwimmbad am Schwelgernstadion ein wichtiger Treffpunkt. „Aber ich war die einzige aus der Clique, die nicht schwimmen konnte. Ich hab immer nur in der Sonne gebadet.“ Ein Foto zeigt sie als Jugendliche im Badeanzug am Rheinufer. Im Hintergrund ist die Haus-Knipp-Eisenbahnbrücke zwischen Baerl und Beeckerwerth zu sehen, die im Krieg zwar gesprengt, aber schnell wieder aufgebaut worden war. „Wir sind mit allen Nachbarn zu Fuß von Beeck durch den Tunnel nach Laar und von da ans Rheinufer.“

Ein sechswöchiger Ferienaufenthalt zum Aufpäppeln ist ihr besonders in Erinnerung. 1954 war sie in einem Kloster am Königsee in Berchtesgarden. Die Nonnen seien zwar streng gewesen, aber das Essen reichlich. Als sie heimkam, passte keine Hose mehr, „meine Mutter hat mich kaum wiedererkannt“, erzählt die Seniorin.

Ungewöhnlich seien auch die heutigen Sommer. „Ich glaube, dass sich das Wetter veränderte, seit der erste Mensch auf dem Mond war“, ist ihre Theorie. Früher seien Sommer „normal“ gewesen, jetzt sei es in alle Richtungen extremer. Blöd, denn „bei großer Hitze wird mir schummerig“.

Schläge vom Stiefvater

Ihre Kindheit hatte auch unschöne Seiten. Dem bösen Stiefvater sei sie nur durch ihre Heirat entkommen. Er habe sie ihrem Verlobten regelrecht die Treppe herunter in die Arme getreten. Viele Schläge hatte es zuvor gegeben, sagt Helga und streicht sich gedankenverloren über die Wange.

Da war die Welt noch in Ordnung: Helga Scheiber (Mitte) und ihr Bruder mit dem leiblichen Vater, der früh starb.
Da war die Welt noch in Ordnung: Helga Scheiber (Mitte) und ihr Bruder mit dem leiblichen Vater, der früh starb. © WAZ | Helga Scheiber

„Es ergreift mich immer noch, wenn ich daran zurückdenke, wie schlecht ich behandelt wurde.“ Ihr Lachen habe sie sich dennoch bewahrt. Und mit zwei Töchtern, Enkeln, Urenkeln und sogar Ur-Urenkeln eine freundlichere Familie um sich herum gebildet.

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