Duisburg. Die beiden einzigen HNO-Belegabteilungen in Duisburg stehen vor der Schließung. Warum das vor allem für Kinder schwere Folgen haben kann.

In Duisburg droht ein dramatischer Engpass bei Eingriffen im Hals-, Nasen-, Ohren-Bereich. Als Folge der NRW-Klinikreform, die zum Jahreswechsel umgesetzt wird, stehen die beiden einzigen HNO-Belegabteilungen im Bethesda Krankenhaus und im Ev. Krankenhaus Nord vor der Schließung.

Deshalb droht vor allem für Kinder noch einmal eine erhebliche Verlängerung der ohnehin schon langen Wartezeiten.

Duisburger HNO-Belegärztin: Hörgeräte für Dreijährige?

„Wollen wir wirklich Dreijährigen schon Hörgeräte einsetzen, weil wir keine Pauken-Röhrchen mehr einsetzen können?“, fragt Dr. Verena Aust. Der Einsatz der Röhrchen ins Mittelohr zur Beseitigung von Flüssigkeitsansammlungen ist wichtig, weil durch die Beeinträchtigung des Gehörs schnell Entwicklungsverzögerungen drohen. Es ist ein HNO-Standardeingriff bei Kindern, der häufigste neben der Operation der Rachenmandeln (Polypen).

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Rund 600 kleine Patienten behandelt die HNO-Fachärztin jährlich nach eigenen Angaben seit 20 Jahren in ihrer Praxis im Bethesda-Krankenhaus, zuvor war Aust leitende Oberärztin der HNO-Klinik im St. Anna. Etwa 1000 Eingriffe sind es insgesamt pro Jahr, ambulante wie stationäre.

Zwei weitere Belegärzte, Michael Modrow und Dr. Sokrates Trellakis nehmen weitere rund 200 Eingriffe im Bethesda vor. Sie nutzen dazu die OP-Säle der Hochfelder Klinik, die stellt die Anästhesisten und Betten, falls die Patienten bleiben müssen.

Die beiden einzigen Belegabteilungen stehen vor dem Ende

Ähnlich ist die Konstellation des Fahrner Krankenhauses mit Dr. Martin Hinz. Der 67-Jährige war Vorgänger von Verena Aust im St. Anna, seit er sich mit seiner Praxis am Sternbuschweg in Neudorf niederließ, operiert er im Duisburger Norden rund 250 Patienten pro Jahr.

Für beide Belegabteilungen ist bald Schluss: „Spätestens Mitte 2025“, sagt Dr. Aust. Schon im Juli sollte für Dr. Michael Hinz Schluss sein, nach einem Gespräch mit der Klinikleitung geht es zumindest noch bis zum nächsten November weiter. „Eigentlich hätte ich meinen Vertrag, der bis Ende 2025 läuft, gern noch erfüllt“, sagt er.

Was aus den Patienten werden soll, ist dem beidem Belegärzten ein Rätsel. „Ich operiere doch jetzt schon den gesamten Niederrhein“, sagt Verena Aust. Aktuell vergibt sie OP-Termine für Mitte November. Vor allem im Duisburger Norden sei die HNO-Versorgung prekär, berichtet Michael Hinz. „Ich bin seit Jahren der Einzige, der hier operiert. Es ist sehr schwierig, jemanden zu bekommen.“

Dr. Verena Aust in der HNO-Ambulanz im Bethesda Krankenhaus, wo auch ihre Praxis ist. Nach über 20 Jahren soll die Belegabteilung in der Hochfelder Klinik im nächsten Jahr schließen.
Dr. Verena Aust in der HNO-Ambulanz im Bethesda Krankenhaus, wo auch ihre Praxis ist. Nach über 20 Jahren soll die Belegabteilung in der Hochfelder Klinik im nächsten Jahr schließen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Zu wenig niedergelassene HNO-Ärzte operieren in Duisburg

Insgesamt gebe es einfach zu wenige seiner niedergelassenen HNO-Kollegen, die operieren. „Ein weiteres Problem ist, dass viele junge Kollegen bestimmte Eingriffe gar nicht mehr beherrschen“, bedauert Hinz. „Es werden einfach zu wenige Ohr-Chirurgen ausgebildet.“

Die einzige HNO-Klinik ist und bleibt auch nach der NRW-Klinikreform das Helios St. Anna in Huckingen. Es soll, so plant es laut Leistungsbescheid das Gesundheitsministerium, künftig statt bislang 4200 bald 4837 (stationäre) Patienten pro Jahr behandeln. Aufgestockt wurden im Versorgungsbereich 3 (Duisburg, Kreise Wesel und Kleve) auch die Kapazitäten zwei weiter Belegabteilungen im St. Josef in Moers (von 690 auf 845) und im Ev. Krankenhaus Wesel (von 250 auf 342).

Das Helios St. Anna hat sich dazu auf Anfrage der Redaktion bisher nicht geäußert. Duisburger HNO-Ärzte berichten aber bereits jetzt von langen Wartezeiten: „Kinder bekommen dort Vorstellungstermine für Anfang 2025.“ Sie bezweifeln, dass die Klinik den Entfall der beiden Belegabteilungen auffangen kann.

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Ev. Klinikum Niederrhein: Können die Abteilungen nicht halten

Auch das Ministerium ahnt wohl das HNO-Defizit. Es liege „eine Antragslage unterhalb des prognostizierten Bedarfes vor“, heißt es im Kommentar zur Klinikreform. Gleichwohl „erfüllen das Ev. Krankenhaus Nord und das Bethesda die Mindestkriterien nicht“, sie hätten deshalb „Konsens zur Nicht-Zuweisung erklärt“.

Von Zustimmung könne aber keine Rede sein, verteidigt Dr. Andreas Sander die Schließungsentscheidung. Er ist medizinischer Geschäftsführer des Ev. Klinikums Niederrhein (EVKLN), zu dem beide Häuser gehören. Auch er sieht besonders in der HNO-Versorgung von Kindern „ein Riesendefizit“.

Sander verweist auf die Vorgabe des Ministeriums, dass mindestens drei Belegärzte in Vollzeit an einer Klinik tätig sein sollen. „Diesen Nachweis kriegen wir nicht hin. Auf die Besetzung haben wir keinen Einfluss, deshalb ist es ausgeschlossen, dass wir die Abteilungen halten.“ Das Ministerium, bedauert er, „schaut nur auf die stationäre Versorgung. Für ambulante Eingriffe sind Kliniken nicht gemacht.“

Vera Losemann (l.) wurde von Dr. Martin Hinz (r.) in der HNO-Ambulanz im Ev. Krankenhaus Nord operiert. Nach einer Tumor-Erkrankung fürchtet die Patientin, keinen Termin für ihre Nachuntersuchungen zu bekommen.
Vera Losemann (l.) wurde von Dr. Martin Hinz (r.) in der HNO-Ambulanz im Ev. Krankenhaus Nord operiert. Nach einer Tumor-Erkrankung fürchtet die Patientin, keinen Termin für ihre Nachuntersuchungen zu bekommen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

NRW-Gesundheitsministerium: Keine Unterschiede in der Versorgungslage

Allerdings folgt der Ev. Klinikverbund einem landesweiten Trend, wie die Antwort des NRW-Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Redaktion nahelegt. Demnach wurden landesweit „13 Anträge für die Leistungsgruppe als belegärztliche Leistungen im Verfahren vollständig zurückgezogen“, so eine Sprecherin. Weil weitere 29 Antragsteller nicht berücksichtigt wurden, werde es nach derzeitigem Stand nur noch 39 HNO-Belegabteilungen geben.

Da im Duisburger Versorgungsgebiet aber die drei verbleibenden Kliniken mehr Patienten versorgten, gibt aus der Sicht des Ministeriums „keine Unterschiede in der Versorgungslage“ für stationäre Patienten.

Absehbar ist möglicherweise eine „Ambulantisierung“ der weiteren HNO-Eingriffe. Verständigen müssten sich darüber wohl die niedergelassenen Ärzte unter Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen. „Wir können zu einer Lösung nichts beitragen“, sagt Klink-Geschäftsführer Dr. Andreas Sander, der in einer Einschätzung mit seinen Belegärzten einig ist: „Wir haben da ein riesiges Versorgungsthema an der Backe.“

PROTESTBRIEFE DER PATIENTEN: „OFFENSICHTLICHE FEHLENTSCHEIDUNG“

  • Patienten, die von der anstehenden Schließung der Belegabteilungen erfahren, reagieren mit Empörung und Protest. Eine von ihnen ist Vera Losemann. Der Wehofenerin wurde von Dr. Michael Hinz ein Tumor an den Stimmbändern entfernt.
  • „Nur weil er mich rechtzeitig operieren konnte, ist die Erkrankung nicht lebensbedrohlich geworden“, berichtet sie. Nun sei sie für Nachuntersuchungen und mögliche weitere Eingriffe auf die Belegabteilung im Fahrner Krankenhaus angewiesen.
  • „Im Umkreis von 30 Kilometern ist kein Termin in den nächsten zehn Monaten zu bekommen“, berichtet Vera Losemann. Das hat sie mun auch in Protestbriefen der Klinik-Geschäftsführung Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geschrieben.
  • „Es ist mir völlig unverständlich, wie eine Planung, die Sie entscheiden, die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzt“, schreibt die Patientin. Sie fühle sich als „unkalkulierbarer Faktor, der abgeschafft werden muss. Ich bin entsetzt über diese Entscheidung“.

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