Duisburg. Die Nahversorgung in Duisburg-Bissingheim ist quasi nicht mehr existent. Wie die Menschen damit umgehen und was sie sich für ihr „Dorf“ wünschen.

Manni sitzt auf dem Bissingheimer Dorfplatz in Duisburg und liest Zeitung. Neben ihm auf der Bank dampft der Milchkaffee aus dem Thermoskannendeckel, an den Tischen vor dem Dorfbäcker quengelt ein Kind, der Busfahrer macht Pause. Fehlt nur noch ein „Tumbelweed“ wie im Cowboyfilm an diesem heißen Freitagmittag im „Dorf am Ende der Welt“, das seinem Namen gerade alle Ehre macht.

Das liegt nicht an Tag oder Uhrzeit, sondern an der Tatsache, dass in Bissingheim einfach nichts mehr ist – überspitzt gesagt. Bolten hat seit ein paar Tagen geschlossen, der letzte Hausarzt schon seit März. „Die Lage ist schon sehr schlecht“, seufzt Manni, auf seiner Schulter hält Graupapagei Geronimo lieber den Schnabel, vielleicht ist es stille Zustimmung. Dass Bissingheim in Sachen Nahversorgung und ÖPNV-Anbindung ein bisschen abgehängt ist, ist nichts Neues – aber es gab mal andere Zeiten.

Nahversorgung in Duisburg-Bissingheim: Erinnerungen an eine bessere Zeit

„Ich erinnere mich noch“, sagt Manni und zeigt auf die, größtenteils leeren, Schaufenster rings um den Dorfplatz. „Da war Coop, da war Edeka, die Metzgerei, alle weg.“ Wenn er etwas braucht, fährt er nach Neudorf oder zu Netto in Wedau, „aber lieber hätte ich hier einen Tante-Emma-Laden“. Mit der Meinung ist Manni nicht alleine im Dorf, übrigens auch nicht mit der Hoffnung, die er in das Neubauprojekt 6-Seen-Wedau setzt. „Ich finde die Pläne gut. Hier hoffen viele darauf, dass das die Nahversorgungs-Lage ein bisschen entspannt.“

Das Dorf am Ende der Welt: Duisburg-Bissingheim ist mittlerweile nicht mehr nur geografisch vom Rest der Stadt abgeschnitten.
Das Dorf am Ende der Welt: Duisburg-Bissingheim ist mittlerweile nicht mehr nur geografisch vom Rest der Stadt abgeschnitten. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Renate ist sich da noch nicht so sicher. „Ob das was hilft, mal sehen“, winkt sie ab, und wartet weiter tapfer auf den Bus vor dem Getränkemarkt – der hat sogar geöffnet, immerhin. „Man weiß auch nie, ob und wann die Busse kommen“, erzählt die Seniorin, „ich musste kürzlich ins Krankenhaus, da kam einfach keiner. Meine Tochter hat mich gefahren, da haben wir an der Bushaltestelle eingepackt, wen wir konnten.“ Alte Leute ohne Auto, sagt sie, seien auf die Busse angewiesen, sonst kämen sie gar nicht raus aus dem Dorf. Ihr Wunsch für die Zukunft in Bissingheim? Keine Überraschung, ein Tante-Emma-Laden.

Duisburg-Bissingheim: Wünsche, Trotz und Resignation

Wünscht sich Anita auch, gleich aus mehreren Gründen. „Durch einen Laden im Dorf würden die Kinder besser lernen, mit Geld umzugehen. Wenn man immer nur Großeinkäufe macht, zum Beispiel bei Edeka in Neudorf, hat man ja kein Verhältnis dazu, wie viel ein Liter Milch tatsächlich kostet.“ Quintessenz: Bissingheim braucht wieder einen Nahversorger, „am besten so einen wie früher, der den alten Leuten die Lebensmittel in der Mittagspause nach Hause gebracht hat.“ Dass Bolten nun geschlossen hat, stört Anita übrigens nicht besonders. „Wir haben ja einen Bäcker. Statt Bolten hätten wir ein Geschäft gebraucht, in dem man mal schnell eine Packung Nudeln kaufen kann.“

Ein paar Straßen weiter kniet Kirsten im Vorgarten und rupft Unkraut. „Hilft ja nichts“, seufzt sie und rückt dem Grünzeug zu Leibe, „man ist gezwungen, zum Einkaufen das Dorf zu verlassen.“ Wie ihre Nachbarn wünscht sich auch Kirsten einen Tante-Emma-Laden, „dann muss man sich nicht direkt wieder ins Auto setzen, wenn man mal fünf Teile vergessen hat.“ Die Bissingheimerin hofft außerdem auf das geplante Nahversorgungszentrum in 6-Seen-Wedau – zumindest, wenn die Infrastruktur stimmt. „Es bräuchte dann ja eine neue Buslinie. Sonst bringt das Zentrum den alten Leuten, die nicht mehr mobil sind, auch nichts.“

Wieder ein Treffpunkt weniger: Mittlerweile hat auch die Bolten-Filiale in Duisburg-Bissingheim geschlossen (Archivbild).
Wieder ein Treffpunkt weniger: Mittlerweile hat auch die Bolten-Filiale in Duisburg-Bissingheim geschlossen (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Es bleibt festzuhalten: Obwohl die Bissingheimer Nahversorgung weiterhin auf dem absteigenden Ast ist – Renate sagt sogar, dass Bissingheim „tot“ sei – ist von Frust über die Situation nicht viel zu spüren. Vielleicht ist es Resignation, vielleicht Trotz. So oder so, abseits des Wunschs nach einem Tante-Emma-Laden haben sich die Dörfler mit der Situation arrangiert. Man kann ja auch allem etwas Schönes abgewinnen. So schön ruhig und idyllisch ist es bestimmt nirgends in Duisburg. In St. Raphael übt ein Mensch Orgel.