Duisburg-Hochheide. Keine Tiefgarage, Wohnungen für Monteure: Das einstige Vorzeigeprojekt im Duisburger Westen bröckelt. Warum die Hochhaus-Mieter in Sorge sind.

Es war ein Wagnis, als sich Irmtraud vor vier Jahren entschied, in ein Hochhaus in Hochheide zu ziehen. „Ich wusste, dass der Stadtteil keinen guten Ruf hat“, sagt die 82-Jährige, die ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Das Wohnungsangebot klang verlockend. Der für 12 Millionen Euro im Jahr 2009 mitten im Hochhausviertel kernsanierte „Rote Riese“ wurde als Vorzeigeprojekt beworben. Private Investoren hatten aus der 20-stöckigen Bauruine an der Hanielstraße 36/38 ein Haus mit besonderem Konzept gemacht.

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Die Kunden, die man im Auge hatte, waren vor allem ältere Menschen. Ein Concierge-Dienst im Erdgeschoss sollte für Sicherheitsgefühl sorgen; die Caritas, der man damals mietfrei Räume in der ersten Etage zur Verfügung gestellt hatte, kümmerte sich um soziale Angebote, war Ansprechpartnerin zum Thema Pflege und stärkte den Gemeinschaftssinn in dem 144-Parteienhaus. Und die Wohnungen des einstigen heruntergekommenen Betonklotzes wurden in einem gehobenen Standard wieder hergerichtet.

Roter Riese in Hochheide: Im März 2021 zog die Caritas aus

„Ich liebe diese Wohnung“, sagt Irmtraud über ihr 83 Quadratmeter großes Reich und blickt an den apfelgrünen Vorhängen vorbei aus dem Fenster im 13. Stock. Nicht nur die Aussicht vom Balkon in luftiger Höhe hat es ihr angetan. Die Seniorin fühlt sich hier auch deshalb so wohl, weil sie durch die Angebote der Caritas schnell Kontakte im Haus geknüpft hat. Im Gemeinschaftsraum hat sie mit Nachbarn sogar im Chor gesungen. Sie nannten sich die „Red Room Voices“. Außerdem sei die Lage toll. Einkaufen, Ärzte – alles in der Nähe. Irmtraud lobt auch den freundlichen Hausmeister, die gute Hausverwaltung, die sauberen Flure und das ruhige Wohnen.

Annette, Elvira und Irmtraud wohnen im Roten Riesen in Duisburg-Hochheide. Sie sorgen sich um ihr Hochhaus, seit einiger Zeit gebe es zunehmend Probleme.
Annette, Elvira und Irmtraud wohnen im Roten Riesen in Duisburg-Hochheide. Sie sorgen sich um ihr Hochhaus, seit einiger Zeit gebe es zunehmend Probleme. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Drei Jahre lang hat die Mieterin das Wohnen im Roten Riesen genossen. Dann kam im März 2021 der überraschende Auszug der Caritas. Der Eigentümer, die Immobiliengesellschaft „Distressed Real Estate GmbH III“, hatte den Vertrag mit dem Sozialträger gekündigt. Die Caritas betont auch mehr als ein Jahr später noch, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei, sich aus dem Roten Riesen zurückzuziehen. Über die Gründe, warum der Eigentümer die Kooperation beendet hat, ist nichts bekannt. Die Räume stehen seitdem leer und sind in einem Online-Vermietungsportal inseriert.

Hochhaus in Duisburg: Vom sozialen Leben ist nicht mehr viel übrig

Irmtraud hat das Gefühl, dass es seit dem Auszug der Caritas bergab geht mit dem guten Wohngefühl im Roten Riesen. Heute ist Krisensitzung bei ihr am Wohnzimmertisch. Die Nachbarinnen Elvira (79), Annette (62) und Michaela (45) sind da. Diesmal wird nicht Canasta gespielt, sondern über den Roten Riesen diskutiert. Sie alle waren anfangs begeisterte Hochhaus-Bewohnerinnen und würden sich hier auch gerne in Zukunft wohlfühlen. Elvira ist extra aus dem „Betreuten Wohnen“ in das Haus an der Hanielstraße umgezogen, weil sie das Konzept so vielversprechend fand.

Von dem sozialen Leben ist im Hochhaus allerdings nicht mehr viel übrig. „Jetzt darf man sich ja nicht mal mehr unten im Foyer treffen“, schimpft sie. Früher habe hier eine Bank gestanden, auf der man zum Plausch mit Nachbarn sitzen konnte. In der kontaktbeschränkten Hochphase der Pandemie sei die Sitzgelegenheit entfernt worden und nicht mehr wiedergekommen. „Jetzt sitzen die alten Damen draußen vor dem Haus auf ihren Rollatoren, wenn sie sich unterhalten wollen“, sagt sie. „Das ist doch entwürdigend.“

Wohnungen im Roten Riesen in Duisburg werden an Monteure vermietet

Sorgen macht den Frauen auch, dass seit einiger Zeit Wohnungen an Monteure untervermietet werden. Eine Situation, die nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Concierge-Angebot zu tun hat. „Jetzt wissen wir gar nicht mehr, wer hier im Haus ein- und ausgeht“, schildert Irmtraud ihr Unbehagen. Die Arbeiter würden sich nicht unten am Empfang anmelden, sondern hätten anonym über Schlüsselkästen mit einem Code Zugang zu den Wohnungen. Manchmal, das berichten die Frauen, ziehen abends Haschwolken von den Balkonen der Handwerker nach oben.

Der Ausblick aus den 20-stöckigen Häusern in Duisburg-Hochheide ist beeindruckend. Die Stimmung im Roten Riesen ist dennoch nicht gut. An vielen Ecken gibt es Probleme.
Der Ausblick aus den 20-stöckigen Häusern in Duisburg-Hochheide ist beeindruckend. Die Stimmung im Roten Riesen ist dennoch nicht gut. An vielen Ecken gibt es Probleme. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Zu alldem kommt der Langzeit-Ärger über die immer noch nicht sanierte Tiefgarage. Als Irmtraud vor vier Jahren einzog, wurde ihr zugesagt, dass die Tiefgarage bald saniert würde. „Genau das wurde auch mir versprochen“, erzählt Michaela, die seit Dezember 2021 Mieterin im Roten Riesen ist. Passiert ist nichts. „Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich hier niemals eingezogen“, sagt die 45-Jährige, die aus gesundheitlichen Gründen nicht weit gehen kann. Für sie sind die fehlenden Parkplätze ein riesiges Problem. „Abends findet man hier in der Nähe gar nichts mehr. Ich kann doch nicht mit dem Taxi vom Parkplatz zu meiner Wohnung fahren.“ Und auch Irmtraud belastet die Situation sehr. „Das schränkt mich in meinem sozialen Leben ein.“ Oft traut sie sich nicht, mit dem Wagen wegzufahren. Aus Sorge, bei der Rückkehr keinen Stellplatz mehr zu finden.

Tiefgarage am Riesen – Stadt Duisburg: „Kein Bauantrag eingegangen“

Die 82-Jährige hat einen Brief an die Eigentümergesellschaft geschrieben. Ohne Erfolg. Auch von der Hausverwaltung gibt es keinerlei Information zur Sanierung der Tiefgarage. Dennoch werden weiterhin neue Mieter mit dem Versprechen gelockt, dass es schon bald Stellplätze geben wird. Die Bauaufsicht der Stadt hatte die Nutzung der maroden Garage aus Sicherheitsgründen untersagt. „Die Eigentümer, die für die Bereitstellung von privaten Stellplätzen für die Mieter zuständig sind, haben uns vor einiger Zeit versichert, die Baumaßnahmen in den Tiefgaragen aus eigenen Finanzmitteln durchzuführen“, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels. „Bisher ist aber kein Bauantrag eingegangen.“

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Der einzige, der auf unsere Anfrage Auskunft zu dem Thema gibt, ist Andreas Voss. Seine Hausverwaltungsfirma HBS Voss betreut die Eigentümergemeinschaft des benachbarten Weißen Riesen an der Ottostraße 18/20, zu dem 80 Plätze im Obergeschoss der Tiefgarage gehören. „Insgesamt sind es mehr als 500“, sagt Voss. Obwohl seinen Kunden nur ein so kleiner Teil der Fläche gehört, habe man nun die Initiative ergriffen und das von der Stadt geforderte Sanierungs- und Brandschutzkonzept für die gesamte Tiefgarage in Auftrag gegeben.

  • Lesen Sie hier: Mahmut Özdemir – Roter Riese in Hochheide soll weichen

„Wir erwarten das Konzept im August“, sagt Voss. Dann soll es der Stadt vorgelegt werden. Wie der Eigentümer des Roten Riesen zu der Sanierung steht, die finanziell gemeinsam gestemmt werden soll, darüber möchte Andreas Voss nichts sagen. „Ich kann nicht für andere sprechen.“ Er lässt aber durchblicken, dass die Hoffnung besteht, mit den Nachbarn in Kontakt zu kommen, wenn das Sanierungskonzept erst mal vorliegt. „Wir sind immer gesprächsbereit.“ Fest steht aber trotz des kleinen Lichtblicks: Das alles wird noch lange dauern. Michaela, Irmtraud und die anderen Autobesitzer werden im Schatten des Roten Riesens weiter ihre Runden drehen müssen auf der Suche nach einem freien Parkplatz.